16.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 222 / Tagesordnungspunkt 33

Johannes VogelFDP - Gesetzliche Rentenversicherung

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, das ist ein erhellender Antrag und eine erhellende Debatte hier, nicht nur, weil ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe, dass der Kollege Kurth sich bei Einbringung seines eigenen Antrags erst mal die ersten 30 Sekunden an unserem Konzept abarbeiten musste, was zumindest für dessen Relevanz spricht – ich komme gleich noch ausführlicher darauf –,

(Beifall bei der FDP)

sondern auch, weil es uns die Möglichkeit gibt, darüber zu reden, wie die Grünen in der Rentenpolitik wirklich ticken.

Eine der Lehren aus dieser Krise ist ja, dass einen absehbare Versäumnisse früher oder später einholen. Wir wussten zum Beispiel, dass wir in der Digitalisierung hintendran sind. Plötzlich wird es zu einer Frage von Leben und Tod, wenn in den Gesundheitsämtern nur Faxe verschickt werden. Deswegen ist die Aufgabe für die nächste Legislaturperiode, darüber zu reden: Was sind die nächsten absehbaren Versäumnisse, die uns sicher einholen werden? Wie sieht ein verantwortungsbewusstes Denken in Jahrzehnten aus?

Während wir uns beim Thema „Klimawandel und Dekarbonisierung“ im Ziel noch völlig einig sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, verlässt euch bei der Rentenpolitik der Realitätssinn. So wie ihr von Wissenschaftsorientierung nicht mehr viel wissen wollt, wenn es um Homöopathie geht, verschließt ihr die Augen vor der Realität, wenn es um die Demografie geht, und das ist unverantwortlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.

(Beifall bei der FDP)

Denn man hat in den letzten Monaten – ich bin immer auf der Suche nach Gemeinsamkeiten – durchaus viele spannende Anregungen, Einzelstimmen aus den Reihen der Grünen vernehmen können: von Danyal Bayaz, selbst von Sven Giegold, von den Schwarz-Grünen aus Hessen, die durchaus ähnlich wie unsere Gedanken klangen. Aber wenn man guckt, was diejenigen denken und aufschreiben, die in der Sozialpolitik wirklich das Sagen haben, dann ist nicht nur der heutige Antrag sehr erhellend, sondern letztens auch ein interessanter Gastbeitrag von Markus Kurth, dem Chefrentenpolitiker, in der „Frankfurter Rundschau“. Da schreibt er: Die kapitalgedeckte Altersvorsorge ist generell nicht geeignet.

(Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als Regelversorgung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss man erst mal wirken lassen. Da klatscht überraschenderweise nur die Linkspartei.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Linke! Die Linkspartei gibt es seit 2007 nicht mehr!)

Die Schweiz, die Niederlande, Schweden, die Skandinavier, die alle mehr Aktien in der Altersvorsorge nutzen als wir, sie alle haben unrecht. Markus Kurth hat recht, wenn es nach den Grünen geht. Die deutschen Verbraucherzentralen, die das nachdrücklich einfordern und unsere Konzepte begrüßt haben, werden von Markus Kurth in seinem Gastbeitrag sogar konkret angegriffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin oft der Meinung, wenn die Wählerinnen und Wähler wüssten, wie links die Grünen in der Sozialpolitik sind,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schön wärʼs!)

würden viele von ihnen weglaufen. Heute ist der Beweis dazu wieder einmal erbracht worden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Vogel, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hajduk?

Herr Präsident, ich nehme gerne eine Zwischenfrage der Kollegin an.

Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Vogel, es macht ja Spaß, über die Zukunft der Rente zu sprechen, weil es so oder so eine große Herausforderung ist. Wären Sie bereit, zuzugestehen, dass die Aussage des Kollegen Kurth, was den Beitrag der Kapitaldeckung in der Rente angeht, den er kritisch gesehen hat, sich ausschließlich darauf bezog, dass dieser Beitrag nicht die Regelversorgung ersetzen darf und dass bei einer Zusatzversorgung von uns – auch von Herrn Kurth – ausdrücklich gewünscht wird, auch mehr Kapitaldeckung vorzunehmen?

Ja, ich habe das sehr genau gelesen. Ich bin in der Tat der Meinung, dass der Kollege Kurth und auch der hier vorliegende Antrag deutlich machen, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen der Meinung sind, kapitalgedeckte Altersvorsorge darf es nur beim Sahnehäubchen obendrauf geben. Sobald es um die Substanz der Alterssicherung geht, finden Sie die kapitalgedeckte und aktienbasierte Altersvorsorge – nicht die Probleme bei der Riester-Rente, die wir teilen – generell nicht geeignet. Das ist Ihre Position.

Interessanterweise bleiben Sie jede Antwort schuldig, wie Sie das Ganze angesichts einer alternden Gesellschaft und des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge finanzieren wollen.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch, das steht dadrin!)

Sie müssen diese Frage beantworten. In Ihrem Antrag findet sich dazu nichts. Das halte ich für eine unverantwortliche Alterssicherungspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.

(Beifall bei der FDP)

Besser wäre, eine Modernisierung der Altersvorsorge vorzunehmen.

Was schlagen wir vor? Der Kollege Kapschack hat mich aufgefordert, das noch mal darzustellen, und die letzte Minute will ich dazu gerne nutzen. Wir brauchen einen flexiblen Renteneintritt nach schwedischem Vorbild, weil die Lebensläufe heute vielfältig sind. Wir brauchen zielgenaues Vorgehen gegen Altersarmut. Wir müssen die betriebliche und die private Vorsorge besser machen, verbraucherfreundlicher, aktienorientierter. Und – ja, in der Tat – wir schlagen als ganz neues Element eine Gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild vor.

Was würde das erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Es würde nach einem Gutachten von Professor Werding, einem der renommiertesten Wissenschaftler in unserem Land, wenn es um öffentliche Finanzen geht, dazu führen, dass wir stabile Rentenfinanzen hinkriegen, dass wir stabile Staatsfinanzen hinkriegen und dass wir den Sinkflug des Rentenniveaus in der ersten Säule aufhalten und langfristig sogar umkehren können. Das heißt, wir stärken die erste Säule der Rentenversicherung und Geringverdiener profitieren auch noch überproportional. Ich finde, das klingt nach einem überzeugenden Konzept, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Wir brauchen eine Rentenpolitik, die die Rente für alle Generationen stabil und für die ganze Gesellschaft fair macht. Ich freue mich auf die Debatte im Wahljahr, wie wir das erreichen können. Bei Ihrem Antrag bleiben da aber viele Fragen offen. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogel. – Der nächste Redner: der Kollege Matthias W. Birkwald, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7515492
Wahlperiode 19
Sitzung 222
Tagesordnungspunkt Gesetzliche Rentenversicherung
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