16.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 222 / Tagesordnungspunkt 32

Sebastian MünzenmaierAfD - Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach geltendem Recht können Kundengeldabsicherer, die bei Pauschalreisen Insolvenzschutz bieten und bereitstellen, die Haftung pro Geschäftsjahr auf 110 Millionen Euro begrenzen. Wir wissen alle, dass diese Regelung im September und Oktober 2019 relevant wurde, als die deutschen Töchter von Thomas Cook die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragten und die Haftungsbegrenzung dafür gesorgt hat, dass letztendlich der Steuerzahler für eine Summe von ungefähr 160 Millionen Euro einstehen musste. Aus diesem Grund ist es schon länger dringend notwendig, dass endlich ein neuer Gesetzentwurf vorgelegt wird, und wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung dem jetzt endlich nachkommt.

Wir haben im Tourismusausschuss frühzeitig und vor allem fraktionsübergreifend eine Neuregelung gefordert, auch über den vorliegenden Entwurf schon debattiert und uns dazu mit vielen Sachverständigen unterhalten. Deshalb finde ich es ganz besonders schade, dass die Bundesregierung die Hinweise und Anregungen der Branchenvertreter und der vielen Experten schlicht und ergreifend in den Wind schlägt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass mit einer Sicherheitsleistung von 7 Prozent des Umsatzes und einem Entgelt von 1 Prozent des Umsatzes viele Unternehmen zukünftig doppelt so hohe Beiträge an den Reisesicherungsfonds zahlen müssten, als bisher für die Insolvenzversicherung zu zahlen sind. Die mit der geplanten Neuregelung erstrebte Verbesserung der Insolvenzabsicherung für die Kunden großer Reiseunternehmen könnte daher zu einer Mehrbelastung kleinerer und mittlerer Reisenternehmen führen.

Ähnlich sieht es auch der Internationale Bustouristik Verband, der RDA, der in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf davon spricht, dass die Ausfallrisiken internationaler Großkonzerne im Reisemarkt über die Mechanismen des Reisesicherungsfonds faktisch auf mittelständische und vor allem familiengeführte Reiseunternehmen abgewälzt würden. Man belastet mit diesem Entwurf also wieder einmal die kleinen und mittelständischen Unternehmen und ignoriert deren Bedenken. Dieses Vorgehen wäre auch in normalen Zeiten schon schwach von der Bundesregierung. Aber in einer der größten Krisen der Tourismuswirtschaft, in der viele fleißige Unternehmer und Angestellte schlicht und ergreifend am Ende sind, ist das Verhalten der Regierung ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Ich hätte gern Herrn Staatssekretär Bareiß – er ist zumindest Tourismusbeauftragter der Bundesregierung – persönlich angesprochen, aber er ist wieder einmal nicht hier;

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Er ist da! Er sitzt da hinten!)

es sei denn, er sitzt da hinten irgendwo. – Ach, Herr Bareiß, ich grüße Sie! Sie kennen doch die Situation der Branche. Es ist Ihre Aufgabe, dass die Bundesregierung sich für die Touristiker einsetzt. Vielleicht nehmen Sie heute ja extra da hinten Platz, weil Sie es hier vorne nicht mehr hinkriegen, Herr Bareiß.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist ein bescheidenes Argument!)

– Ja, aber anscheinend ein treffendes. Denn Herr Bareiß ist Teil der Regierung und sollte sich in der Regierung mal dafür einsetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das macht er!)

Aber anscheinend kriegt er das nicht ordentlich hin.

Kommen wir zum Gesetzentwurf zurück. Die Bemessungsgrenze von 3 Millionen Euro Umsatz, unter der man die Möglichkeit hat, aus der Zwangsmitgliedschaft des Fonds auszuscheiden und sich anderweitig abzusichern, halten viele Experten für deutlich zu tief gegriffen. Wir sollten endlich mal darüber diskutieren, ob wir da nicht auf 10 bis 15 Millionen Euro erhöhen könnten.

Aber die Hektik und die vielen offenen Fragen und vor allem auch das Ignorieren der Einwände der Experten liegt wohl daran, dass die Bundesregierung sehr lange nichts getan hat und jetzt plötzlich gemerkt hat, dass man dringend handeln muss, weil wir sonst Ende des Jahres ein riesiges Problem haben.

An mehreren anderen Stellen zeigt sich, dass der Gesetzentwurf mit der heißen Nadel gestrickt ist und jetzt schnell durchs Parlament gepeitscht werden soll. Die GmbH, die den Fonds betreiben soll, bleibt vage. Keiner weiß so ganz genau, wie die Ausgestaltung funktionieren wird. Hat der ominöse Beirat denn irgendeine Einflussmöglichkeit, oder wird dort der eine oder andere Grüßaugust installiert, der nur berät und letztendlich Geld kostet? Wieso übernimmt eigentlich das BMJV bzw. das Bundesamt für Justiz die Aufsicht? Und vor allem: Wieso rechnet man im Entwurf mit nur einer halben Stelle, die die Aufsicht über einen Fonds mit 750 Millionen Euro führen soll? Auch da bin ich sehr gespannt, wie Sie uns dieses Missverhältnis in den weiteren Beratungen erklären werden.

Insgesamt sehen Sie, meine Damen und Herren: Der Entwurf lässt wichtige Fragen offen, ignoriert wesentliche Einwände der betroffenen Touristiker und scheint mir noch nicht völlig durchdacht zu sein. Ich freue mich deshalb auf die weiteren Beratungen im Ausschuss und hoffe, dass Sie in Zukunft sinnvolle Anregungen in Ihre Arbeit einfließen lassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Steineke, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7515505
Wahlperiode 19
Sitzung 222
Tagesordnungspunkt Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds
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