Paul LehriederCDU/CSU - Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir verkaufen Träume – so haben uns die Reisebüros, die Reiseveranstalter bei vielen Demonstrationen im letzten Jahr hier am Brandenburger Tor ihre Aufgaben beschrieben. Wir verkaufen Träume!
Und ja – von den Vorrednern wurde bereits darauf hingewiesen –, die etwa 3 Millionen Beschäftigte in der Tourismusbranche, die Reiseveranstalter, die Reisebüros, die Gastronomie, die Hotels, die Busreisen, die Veranstaltungsbranche, die Caterer, die Freizeitparks, um nur einen Teil aus dem ganzen breiten Segment des Tourismus zu benennen, freuen sich natürlich darauf, wenn nach der Pandemie das Geschäftsleben wieder losgeht.
Gleichwohl, lange vor der Pandemie wurde durch die Insolvenz eines großen Reiseveranstalters die Notwendigkeit einer besseren Insolvenzabsicherung offenbar. Im letzten Jahr, während der Pandemie, musste das Justizministerium die noch nicht ausgeglichenen Anzahlungen zurückleisten.
Ich bin der Frau Justizministerin ausdrücklich dankbar für den jetzt vorliegenden Entwurf. Aber wir haben eine Deadline. Unsere Lebensabschnittspartnerschaft endet – das wissen Sie – im Sommer. Und wir wissen noch nicht, mit wem wir uns nach dem 26. September verbrüdern wollen und können. Das heißt, wir haben nicht mehr sehr viel Zeit. Wir wissen, dass wir in den nächsten Wochen Nägel mit Köpfen machen müssen. Ich bin dankbar, dass Sie den Entwurf jetzt vorlegen.
Ich bin auch dankbar, dass es uns zusammen mit dem Wirtschaftsministerium, mit Staatssekretär Thomas Bareiß und Peter Altmaier, bisher gelungen ist, die Branche in dieser Zeit über Wasser zu halten. Wir haben in diesem Segment im letzten Jahr erstaunlicherweise nicht sehr viele Insolvenzen festgestellt. Ja, wir haben die Insolvenzanmeldungspflicht mehrfach ausgesetzt, aber wir brauchen für den Endspurt unseres Marathonlaufs in den nächsten drei, vier Monaten noch ein bisschen Ausdauer, also über den Sommer hinweg, bis wir geimpft sind, bis wir wieder Reisen buchen können.
Mit dem Gesetzentwurf wird jetzt nach langer Unsicherheit für Urlauber und Reiseveranstalter endlich ein besserer Insolvenzschutz bei Pauschalreisen auf den Weg gebracht. Die Kunden werden künftig vor allem durch einen sogenannten Reisesicherungsfonds umfassend gegen die Insolvenz eines Reiseveranstalters geschützt. Die Thomas-Cook-Pleite im September 2019 hat die unzureichende Wirksamkeit der bisherigen Regelungen gezeigt; alle Vorredner haben darauf hingewiesen. Ich kann meine Rede daher etwas abkürzen und etwas Zeit sparen.
Die Versicherungswirtschaft muss entsprechende Angebote zu akzeptablen Konditionen für die Veranstalter bereitstellen. Die Rahmenbedingungen hierfür sollten sehr genau auf den Markt abgestimmt werden.
Ja, wir haben am kommenden Mittwoch eine Anhörung dazu, wo Verbesserungsvorschläge zu diesem Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Ja, wir müssen schauen, dass wir in der aktuell angespannten finanziellen Lage der Branche die Branche nicht überfordern. Die Frage ist, ob die Funktionsfähigkeit des Fonds tatsächlich beeinträchtigt wird, wenn wir bei der Jahresumsatzgrenze von 3 auf 10 Millionen Euro gehen, Herr Kollege Brunner. Ich würde die von Ihnen vorgeschlagene Grenze von 5 Millionen Euro gerne überschreiten. Der Bundesrat sagt, wir sollten 20 Millionen Euro in Erwägung ziehen. Lassen Sie uns darüber nachdenken.
Der Marktanteil der Veranstalter, die sich dann zwingend über den Fonds absichern müssten, würde dann nur geringfügig sinken, von bisher 94 Prozent auf zukünftig dann skandalöse 93 Prozent. Das heißt, wenn wir die kleinen und mittleren Veranstaltungsunternehmen hier besser schützen und ihnen die Opt-out-Regelung einer versicherungstechnischen Lösung anbieten, würden wir für die Branche viel tun, ohne den Fonds tatsächlich in nennenswerter Weise zu schwächen.
Ebenfalls ist es wichtig, zu überlegen: Schaffen wir das mit dem Entgelt von 1 Prozent des Umsatzes in den nächsten Jahren? Oder können wir uns vorstellen, liebe Frau Ministerin, die Bürgschaft des Bundes nicht nur bis 2026, sondern vielleicht sogar bis 2027 oder 2028 zu verlängern, um gerade dieser massiv gebeutelten Branche die nächsten Jahre etwas mehr Luft zu geben, hier eben eine vernünftige Ansparphase zu erreichen?
Es ist einiges zu tun. Allein die 22 größten Unternehmen in der Branche erwirtschafteten circa 86 Prozent des Gesamtumsatzes. Die großen Elefanten werden auf jeden Fall im Fonds bleiben; da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Aber wir sollten versuchen, die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit einer Opt-out-Regelung fairer und gerechter zu behandeln. Da haben wir etwas zu tun.
Es gilt das Struck’sche Prinzip. Ihr Kollege Struck hat ja mal gesagt: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es reingekommen ist. – Lassen Sie uns die bisher vorgelegten guten Entwürfe von der Frau Justizministerin noch etwas besser machen. Ich hoffe, dass wir das hinbekommen.
Wer sich wie bisher über eine Versicherung oder ein Kreditinstitut absichern kann, der sollte das auch in Zukunft weitgehend dürfen. Die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass dies bis zum Jahresumsatz von 10 Millionen Euro weiterhin möglich sein sollte.
Ja, momentan haben wir das Problem, dass die Versicherungen bis zum 30. Juni laufen. Vom 1. Juli bis 1. November haben wir einen unbestimmten Übergangszeitraum. Wir müssen uns überlegen, wie wir diese Phase überbrücken. Ich gehe aber davon aus, dass ab 1. Juli bei dem absehbaren Risiko, wenn nur eine entsprechende Unternehmensgröße mit einem Umsatz von 10 oder 20 Millionen Euro im Raum steht, die Versicherungswirtschaft eine ganz andere Bereitschaft zeigen wird, dieses Risiko abzusichern. Da sind wir in konstruktiven Gesprächen.
Wir haben noch ein paar ganz spannende intensive Monate vor uns. Wir sind zum Erfolg verdammt. Wie gesagt, wir müssen schauen, dass wir bis zum Sommer tatsächlich eine vernünftige Lösung hinbekommen. Ich bitte alle, in dem Fall sogar ausnahmsweise auch die Opposition, hier konstruktiv mitzuarbeiten –
(Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Machen wir immer!)
– ja –, dass wir es bis zum Sommer vernünftig hinbekommen. Die Branche hat es verdient.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.
(Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Du wolltest uns noch Zeit schenken!)
– Nein. – Darf ich fertigmachen, Herr Präsident?
Nein, an sich nicht. Sie haben jetzt 30 Sekunden überzogen, Herr Kollege Lehrieder. Angesichts der Tatsache, dass Sie erklärt haben, Sie wollten auf einen wesentlichen Teil Ihrer Rede verzichten, fragen wir uns hier, auf was Sie verzichten wollten.
(Heiterkeit)
Herr Präsident, ich habe das am Schluss angehängt. Aber, wie gesagt, von den 30 Sekunden haben Sie 20 Sekunden gesprochen.
Ja, Sie dürfen noch.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Herzlichen Dank.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)
Ich wünsche auch Ihnen ein schönes Wochenende.
Damit schließen wir die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7515512 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 222 |
Tagesordnungspunkt | Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds |