Axel MüllerCDU/CSU - Strafrecht – kriminelle Handelsplattformen
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute diesen Gesetzentwurf in der ersten Lesung, um eine wirklich drückende Strafbarkeitslücke zu schließen. Es geht um – die Justizministerin hat es bereits erläutert – kriminelle Handelsplattformen im Internet, deren Zweck es ist, eine Plattform zu bieten, auf der gehandelt werden kann, und um die dafür notwendige Infrastruktur in Form von Servern. Dieses sogenannte Darknet ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl separater Netzwerke, die untereinander nicht vernetzt sind und so die Anonymität gewährleisten.
Um es ganz klarzumachen: Darknet ist nicht nur ein Ort der Kriminalität. Es gibt beispielsweise Journalisten, Oppositionellen und Regimekritikern in Diktaturen die Möglichkeit, sich auszutauschen, ohne ausgespäht zu werden. Wir wollen aber mit diesem Gesetzentwurf nicht diese Gruppe, sondern gerade eine andere Gruppe treffen, deren einziges Ziel es ist, die Anonymität des Darknets für kriminelle Handlungen zu nutzen, und das tun wir auch – entgegen den Ausführungen des Vorredners.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es darf keine rechtsfreien Räume geben, auch nicht im Darknet. Deshalb möchte ich Ihnen die Notwendigkeit der Umsetzung unseres Vorhabens an zwei Beispielen erläutern, die das deutlich machen:
Erstens. Über das Darknet wurde in einer Handelsplattform mit dem Namen „Wall Street Market“ von drei Männern ein Drogenhandel betrieben – sie stammten aus Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen –, bei dem sie unbemerkt 75 Kilo Kokain, 11 Kilo Heroin, 2,4 Tonnen Cannabis, 460 000 Ecstasy-Pillen, 240 000 Portionen LSD im Gesamtverkaufswert von 36 Millionen Euro über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren gehandelt hatten. Der Betreiber der Plattform bezog aus diesen Geschäften 2 bis 3 Prozent Provision, insgesamt eine Dreiviertelmillion Euro.
(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Inzwischen ist die Plattform aufgelöst. Es gab dort 1 150 000 Kundenkonten, 5 400 Verkäufer und 63 000 Verkaufsangebote – wohlgemerkt: alles im kriminellen Bereich. Die Bezahlungen bieten oftmals keinen Ansatzpunkt für Ermittlungen; denn oftmals erfolgen sie über Kryptowährungen wie Bitcoin.
Das zweite Beispiel wurde bereits von der Ministerin genannt: dieser schreckliche Amoklauf von München, dem neun Menschen zum Opfer fielen und bei dem fünf schwer verletzt wurden. Es war dem Täter gelungen, über das Darknet eine Schusswaffe und 567 Schuss Munition zu erwerben. Der Verkäufer konnte ausfindig gemacht werden. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung, aber nicht wegen Beihilfe zum Mord verurteilt. Der Betreiber der Plattform blieb am Ende straflos.
Der Grund dafür ist, dass es eine Strafbarkeitslücke in unserem Strafrecht in seiner jetzigen Form gibt; die Ministerin hat es bereits deutlich gemacht. Es gelingt uns deshalb nicht, diejenigen zu sanktionieren, die entweder eine solche Plattform zu kommerziellen Zwecken betreiben oder die Infrastruktur kommerzieller Art zur Verfügung stellen. Sie waschen ihre Hände in Unschuld wegen angeblicher Unkenntnis der Straftaten, die darauf begangen werden.
Jetzt ein kleiner Exkurs für den Kollegen Peterka, was das Strafrecht anbelangt. Strafrecht, Herr Kollege, ist ein Täterstrafrecht. Der Haupttäter, der gewissermaßen selbst Hand anlegt, und sein Teilnehmer der Haupttat, der ihn beispielsweise unterstützt – ein Gehilfe –, können sich strafbar machen und auch verfolgt werden. Für den Gehilfen oder Helfer und Helfershelfer gilt das aber nur, wenn er weiß, welche Haupttat der Haupttäter begehen will, und ihn in Kenntnis dessen unterstützen möchte.
Das ist genau die Strafbarkeitslücke, um die es hier geht; denn die Plattformbetreiber oder die Zurverfügungsteller der Infrastruktur können ja immer für sich in Anspruch nehmen, dass sie nicht gewusst haben, was darauf passiert. Versuche, diesen Personenkreis mit anderen Mitteln unseres Strafrechts einzubeziehen, sind gescheitert. Sie sind keine Bandenmitglieder, weil sie nicht an der Absprache dieser Straftaten beteiligt sind, und sie sind auch keine Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, weil diese eine gewisse Organisation und einen gewissen Abstimmungsgrad erfordert. Dass dieser Zustand insgesamt unerträglich ist, das dürfte, denke ich, Konsens sein.
Deshalb brauchen wir den neuen § 127 StGB, der einen Katalog von Straftaten nennt, wegen derer man sich strafbar machen kann, wenn man eine solche Plattform betreibt und diese Straftaten zulässt oder gar unterstützt und fördert, und der Strafen bis zu zehn Jahren Höchststrafe vorsieht. Die entsprechenden Handhaben für die Ermittlungsbehörden wurden auch bereits genannt. Wir haben noch etwas draufgesattelt bei der Telefonüberwachung und der Onlinedurchsuchung.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Ja!)
Alles in allem ist das, glaube ich, mit der Einbringung dieses Gesetzentwurfs heute der Anfang, um diesem Treiben ein Ende zu bereiten, und damit ein guter Tag für das Strafrecht und die Strafverfolgung und ein schlechter Tag für das Verbrechen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kollege Müller. – Das Wort geht an die FDP-Fraktion mit Dr. Jürgen Martens.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7515527 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 222 |
Tagesordnungspunkt | Strafrecht – kriminelle Handelsplattformen |