16.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 222 / Tagesordnungspunkt 34

Volker UllrichCDU/CSU - Strafrecht – kriminelle Handelsplattformen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat so, dass Handelsplattformen, vor allen Dingen im Darknet, auch die tiefsten und abscheulichsten Seiten menschlicher Verhaltensformen zutage treten lassen. Dort werden nicht nur Drogen und psychedelische Stoffe gehandelt. Es werden Waffen feilgeboten, die schlimmsten Fälle von Kinderpornografie sind dort zu finden, und – mehr noch – es soll auch Plattformen geben, auf denen Auftragsmord zum Alltag gehört.

Der Rechtsstaat muss gegen diese Plattformen mit aller Kraft und Konsequenz vorgehen. Dort, wo es im Strafrecht noch Regelungslücken gibt, müssen wir nachsteuern. Das tun wir heute. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir ein offenes strafrechtliches Problem lösen, damit wir diesen Plattformen den Riegel vorschieben, meine Damen und Herren.

Worum geht es?

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Movassat?

Ich habe ja noch gar nichts erklärt, aber wenn er meint – gerne.

Dann bitte.

Danke, dass Sie die Frage zulassen. Ich habe in dieser Debatte jetzt viel über Strafbarkeitslücken gehört. Ich habe aber bis jetzt kein einziges konkretes Beispiel gehört, wo Ihr Gesetz ein Handeln strafbar stellt, das nach jetziger Gesetzeslage, etwa über den Beihilfetatbestand, nicht strafbar ist. Deshalb würde ich mich sehr für ein praktisches Beispiel interessieren, wo Sie sagen: Das ist eine Strafbarkeitslücke, die vorher noch nicht über die jetzige Rechtslage im Strafgesetzbuch erfasst war und die wir jetzt erfassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Movassat. Sie haben genau das gefragt, was ich jetzt ohnehin erklären wollte; aber dann kann ich es noch mal deutlich machen. Bei einer Plattform, die beispielsweise Drogen verkauft, muss sich der Vorsatz des Betreibers für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe auf das ganz konkrete Geschäft beziehen, weil die Beihilfe als Teilnahme an einer Straftat einen Gehilfenvorsatz braucht. Der Vorsatz muss sich zudem auch auf die Haupttat beziehen. Das heißt, Sie brauchen den Vorsatz zweimal: in Bezug auf die Haupttat und auf die Gehilfenleistung.

Wenn aber beispielsweise auf einer Plattform mehrere Dinge gehandelt werden, vielleicht sogar typischerweise strafbare und nicht strafbare Sachen, dann kann sich der Betreiber einer Plattform immer herausreden und sagen: Wissen Sie, ich habe eine Plattform, auf der handle ich mit Dingen, die nicht strafbar sind, und solchen, die strafbar sind. Damit würde natürlich der ganz konkrete Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Haupttat ins Leere gehen. Das ist das strafrechtliche Problem, und dieses strafrechtliche Problem lösen wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf. Sie brauchen nun nämlich nicht mehr den Gehilfenvorsatz, § 27 StGB, sondern das Betreiben der kriminellen Plattform alleine genügt für die Strafbarkeit. Das ist ein wesentlicher dogmatischer Fortschritt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Schraps [SPD])

Zudem gibt es noch ein Phänomen, das man berücksichtigen muss. Sie können mittlerweile durch Instrumente der künstlichen Intelligenz Plattformen auch autonom, selbstgesteuert aufbauen und organisieren. Und wenn eine Plattform selbst autonom organisiert ist, haben Sie, Herr Kollege Movassat, gar keinen Zugriff mehr auf die ganz konkreten Handelsvorgänge. Trotzdem ist das eine kriminelle Plattform. Wenn Sie aber gar nicht genau wissen, was auf Ihrer Plattform gehandelt wird, dann fehlt Ihnen in der Konsequenz der Gehilfenvorsatz, und Sie können keine Beihilfe konstruieren. Und wenn Sie keine Beihilfe konstruieren können, liegt keine Strafbarkeit vor. Das heißt, gerade im Hinblick auf die Nutzung künstlicher Intelligenz werden wir diese Strafbarkeitslücke mit dem Gesetz schließen. Ich meine, das ist nur fair und angemessen; denn es geht darum, dass wir die kriminellen Handlungen, die diesen Plattformen zugrunde liegen, ganz konsequent unterbinden.

Deswegen brauchen wir übrigens auch die korrespondierenden Vorschriften in der Strafprozessordnung; denn wenn es um Internetplattformen geht, müssen die Ermittlungsbehörden auch die Möglichkeit haben, diese Internetplattformen gemäß den entsprechenden Vorschriften der Strafprozessordnung aufzuspüren und den Hintermännern gegebenenfalls auch mit strafprozessualen Mitteln auf die Schliche zu kommen. Es nützt nämlich nichts, wenn Sie die entsprechenden strafrechtlichen Vorschriften haben, aber die Verfolgung dieser Taten mangels Befugnissen in der Strafprozessordnung ein stumpfes Schwert bleibt. Wir wollen, dass der Rechtsstaat bei der Verfolgung von Plattformen, die Waffenhandel, Drogenkriminalität und Kinderpornografie zum Inhalt haben, klar und deutlich handeln kann, meine Damen und Herren.

Deswegen bitte ich Sie, dass wir diese dogmatischen Feinheiten bei aller Debatte auch beachten. Das bedeutet nicht, Herr Kollege Movassat, dass bislang alles straflos war. Es geht darum, dass wir die entsprechenden Strafbarkeitslücken schließen, weil wir doch das gemeinsame Ziel haben, dass es diese Plattformen in dieser Form nicht mehr geben darf. Vor diesem Hintergrund lade ich Sie zu einer konstruktiven Debatte ein, und ich hoffe, dass wir dieses wichtige Gesetz bald verabschieden können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollege Ullrich. – Damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7515533
Wahlperiode 19
Sitzung 222
Tagesordnungspunkt Strafrecht – kriminelle Handelsplattformen
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