21.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 223 / Tagesordnungspunkt 4

Katrin Helling-PlahrFDP - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „ Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen“ und „hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen“, so hat es das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr formuliert. Einen gegen die Autonomie gerichteten Lebensschutz, so das Gericht, darf es nicht geben.

Ich finde, wir sollten einen selbstbestimmten Sterbewunsch nicht nur respektieren, wir sollten uns als Gesetzgeber an die Seite der Menschen stellen, die selbstbestimmt sterben möchten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben. Es gebietet die Menschlichkeit, dass selbstbestimmt handelnde Betroffene auch Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung erhalten und nicht länger entweder ins Ausland gehen oder auf unsichere und schmerzhaftere Möglichkeiten zur Selbsttötung verwiesen werden.

Wir sollten deshalb noch in dieser Wahlperiode tätig werden. Lassen Sie uns ein verständliches und umfassendes Suizidhilfegesetz auf den Weg bringen, das die folgenden fünf Gedanken beherzigt: Wir brauchen ein Gesetz, das ein flächendeckendes, niederschwelliges, hochwertiges, umfassendes und bevormundungsfreies Beratungsangebot für jedermann etabliert; das es jedem, der sich aus autonom gebildetem freien Willen heraus entschließt, zu sterben, ermöglicht, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen; das es im Grundsatz erlaubt, Menschen, die selbstbestimmt gehen möchten, zu helfen; das klarstellt, dass jeder – auch ein Arzt – Suizidhilfe leisten darf, und das die Möglichkeit der ärztlichen Verschreibung von Mitteln zur Selbsttötung für selbstbestimmt Handelnde vorsieht. Dass wir uns innerhalb der verfassungsrechtlichen Leitplanken bewegen müssen, sollte selbstverständlich sein.

Lassen Sie uns auch deshalb die folgenden fünf Dinge nicht machen: Lassen Sie uns gedanklich nicht an die verfassungswidrige Norm des § 217 Strafgesetzbuch anknüpfen. Schaffen wir nicht wieder ein grundsätzliches Verbot jeglicher Hilfe, und lassen wir die Finger vom Strafrecht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie uns nicht an materielle Kriterien wie Erkrankungen anknüpfen; das hat uns das Bundesverfassungsgericht explizit untersagt. Lassen Sie uns die Entscheidung über den Zugang zu einem Medikament zur Selbsttötung nicht zu einer Behördenentscheidung machen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Schließlich: Lassen Sie uns die Zahl erforderlicher Gutachten und zwischengeschalteter Entscheidungsprozesse und die Länge abzuwartender Fristen nicht so gestalten, dass das Recht auf einen selbstbestimmten Tod de facto wieder leerläuft.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen Sicherungsmaßnahmen ergreifen; aber wir dürfen unsere eigenen Moralvorstellungen nicht über die individuelle Selbstbestimmung stellen. Betroffene brauchen keine Bevormundung, nicht den erhobenen Zeigefinger, sie brauchen unser Verständnis.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Helling-Plahr. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Sitte aus der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516515
Wahlperiode 19
Sitzung 223
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
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