21.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 223 / Tagesordnungspunkt 4

Nina ScheerSPD - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt schon vielfach erwähnt worden: Es handelt sich um eine Zäsur, die wir letztes Jahr im Februar durch ein Verfassungsgerichtsurteil erlebt haben. Ich möchte noch mal konkretisieren: Es ist nicht nur das Recht auf selbstbestimmtes Sterben festgestellt worden, sondern es wurde ein Grundrecht formuliert: ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben.

Frau Kollegin Künast hatte gerade schon davon gesprochen: Was ist zumutbar? Wenn ich davon ausgehe, dass ich ein Grundrecht habe, und dann hinzunehme, dass es zumutbar sein muss, in einem Staat, von der Gemeinschaft so behandelt zu werden, dass ich das Recht auf einen Suizid eben nicht in unzumutbarer Weise verwirklichen muss, dann bedeutet das schlechterdings, dass hierbei Hilfe gegeben werden muss. Sonst ist es im Verborgenen, und sonst findet es in unwürdigen Situationen statt, dass Menschen – unentdeckt von der Allgemeinheit und von der Gesellschaft – im Verborgenen sich das Leben nehmen. Das ist für mich ein Ausdruck von Unwürdigkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Auch das Bundesverwaltungsgericht hatte schon Fälle zu entscheiden, in denen das so offenkundig ist. Damit sind ja Hilfeschreie verbunden von schwer kranken und unheilbar erkrankten Menschen. Es liegen auch viele Anträge beim Bundesministerium vor mit dem Wunsch, Hilfe zu bekommen in Form des heute medizinisch Möglichen, in Form von Betäubungsmitteln. Das sind Hilferufe von vielen Menschen, die genau in dieser Situation sind.

Wenn da schon das Verwaltungsgericht gesagt hat, man muss im Grunde genommen in diesen Situationen den Weg eröffnen, ist damit schon eingegrenzt, wie diese Zumutbarkeit zu fassen ist. Letztendlich hat das Bundesverfassungsgericht uns jetzt klar aufgezeigt, dass wirklich ein Handlungsbedarf besteht.

Wir können uns diesem Handlungsbedarf nicht länger widersetzen und wir sollten es auch nicht; denn auch aus der lebensbejahenden Warte heraus muss es doch unser aller Interesse sein, dass die Menschen sich mit ihren Nöten an die Gemeinschaft wenden. Wenn man ein Beratungsnetzwerk aufbaut, was eigentlich die logische Konsequenz sein muss – mit Begutachtungsverfahren –, dann haben wir damit einen Andockpunkt für alle Menschen, die in einer solchen Lebenssituation sind, die sich mit solchen Gedanken beschäftigen. Nur so können wir gemeinsam nach Lösungen suchen und die Menschen, die wieder den Willen zum Leben haben, die wieder auf den Weg des Lebens zurückwollen, und zwar nach den Kriterien selbstbestimmt, also autonom, dauerhaft und ernsthaft, erfassen. Andersherum, wenn wir ihnen den Weg versperren, wenn wir sagen: „Wir haben keinen Handlungsbedarf, wir werden hier nichts tun“, riskieren wir, dass diese Menschen, alleingelassen, ihrem Leben ein Ende setzen.

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Ich denke, nicht zu handeln, würde bedeuten, dass wir unter dem Strich mehr Selbstmorde haben. Und das will ich auf jeden Fall vermeiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Personen

Dokumente

Automatisch erkannte Entitäten beta

Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516522
Wahlperiode 19
Sitzung 223
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta