21.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 223 / Tagesordnungspunkt 4

Benjamin StrasserFDP - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbstbestimmung in allen Lebenslagen, das ist nicht nur eine Lebenseinstellung, die ich als junger Mensch und Liberaler habe. Es ist ein Wert, auf den sich, glaube ich, ganz viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus verständigen können; denn Selbstbestimmung ist auch Ausfluss der Würde eines Menschen. Und trotzdem ist nicht alles im Leben planbar und auch nicht alles im Leben selbstbestimmt. Es gibt Situationen, die uns sprichwörtlich aus der Bahn werfen: Drogen, Schulden, Depressionen, eine schwere körperliche Erkrankung. Es sind diese Grenzsituationen im Leben, die oftmals mit einer als unerträglich empfundenen Lebenssituation und vor allem einer tiefen Hoffnungslosigkeit einhergehen. Hoffnungslosigkeit engt uns ein und führt vor allem zu einer Einschränkung unserer Selbstbestimmung.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Es gibt Menschen, die diese Situation als unerträglich empfinden und sich das Leben nehmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil den assistierten Suizid legalisiert, uns aber auch vor schwerwiegende Fragen gestellt, und diese Fragen diskutieren wir aus meiner Sicht noch zu wenig: Was bedeutet selbstbestimmtes Sterben denn konkret? Und wie sichern wir als Gesetzgeber auch in Grenzsituationen den freien Willen des Einzelnen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nicht dem Fehler unterliegen, Autonomie mit Autarkie zu verwechseln. Menschen sind keine autarken Wesen. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind eingebunden in eine Gemeinschaft. Wir alle werden beeinflusst von unseren Wahrnehmungen und unseren Mitmenschen, im Positiven wie im Negativen. Wer also selbstbestimmtes Sterben ernst nimmt, der muss Menschen gerade in diesen Grenzerfahrungen effektiv vor missbräuchlichem Druck durch Dritte oder eine unausgesprochene gesellschaftliche Erwartungshaltung schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Das muss für uns als Gesetzgeber der Anspruch sein.

Das Bundesverfassungsgericht selber erkennt in seiner Entscheidung an, dass von der Normalisierung des assistierten Suizids als Form einer Lebensbeendigung und dem Angebot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe eine Gefahr für die Selbstbestimmung des Einzelnen ausgeht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sollten deshalb aus meiner Sicht das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe weiter im Strafrecht regeln, um Missbrauch von Dritten bei der freien Entscheidung des Einzelnen effektiv zu unterbinden. Selbstbestimmtes Sterben ist ohne eine effektive Suizidprävention nicht denkbar. Den Betroffenen muss klar sein, welche Auswege es aus ihrer Hoffnungslosigkeit gibt. Der Zugang zu einem todbringenden Medikament darf nicht einfacher sein als derjenige zur Palliativversorgung oder zu anderen Angeboten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein einmaliges Beratungsgespräch, liebe Kollegen, ist keine Suizidprävention. Die bestehenden Angebote beispielsweise der Sucht- und Schuldnerberatung müssen effektiv ineinandergreifen und zeitnah zur Verfügung stehen. Und ja, zur Stärkung der Suizidprävention muss diese auch mit konkreten Maßnahmen unterlegt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nach dem Urteil handeln. Wir können die Menschen nicht im Ungewissen lassen.

Kommen Sie zum Schluss.

Aber echte Selbstbestimmung im Sterben zu gewährleisten, ist ohne ein wirksames Schutzkonzept, das vor Missbrauch schützt, nicht denkbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Strasser. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kathrin Vogler aus der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516523
Wahlperiode 19
Sitzung 223
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
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