21.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 223 / Tagesordnungspunkt 4

Wieland SchinnenburgFDP - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Eid des Hippokrates hieß es ganz unmissverständlich:

Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten.

2 000 Jahre später heißt es beim Präsidenten der Bundesärztekammer: Sterbehilfe ist keine ärztliche Aufgabe. – Dann denkt man darüber nach, was denn ärztliche Aufgaben sind. Schauen wir dazu in die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer. Dort heißt es:

Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist es …, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten …

Also auch die Bundesärztekammer sagt: Beim Sterben darf der Arzt nicht abseitsstehen.

Meine Damen und Herren, Sterben ist etwas Endgültiges und auch etwas Unvermeidliches. Wir alle haben den Tod vor Augen, unseren Tod vor Augen. Wir alle sehnen uns danach, im Zeitpunkt des Sterbens nicht allein zu sein. Wir sehnen uns danach, unsere Liebsten bei uns zu haben. Aber wir sehnen uns auch danach, einen Arzt bei uns zu haben, und zwar nicht nur deshalb, weil er uns Schmerzen nehmen soll, sondern weil er uns taktvoll, aber auch ehrlich sagen soll, wie es um uns steht. Das, meine Damen und Herren, ist die Aufgabe des Arztes – des ehrlichen, verschwiegenen und professionellen Helfers.

Und diese Rolle muss der Arzt immer ausüben, vom ersten bis zum letzten Atemzug seines Patienten. Dazu gehört, schwerste Entscheidungen mit dem Patienten zusammen zu treffen, ihn zu beraten, wenn es darum geht, gefährliche Operationen vornehmen zu lassen, wenn es darum geht, sehr gefährliche Medikamente mit gravierenden Nebenwirkungen einzunehmen. Wie kann man nur meinen, dass ein Arzt das machen und dem Patienten auch schlimmste Diagnosen mitteilen soll, dass er aber abseitsstehen soll, wenn es um den Freitod geht? Meine Damen und Herren, das kann ich, ehrlich gesagt, nicht verstehen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Edgar Franke [SPD] und Thomas Seitz [AfD])

Ich bin der Meinung, ein Arzt sollte immer bei seinem Patienten sein und nicht nur immer ein offenes Ohr haben, sondern auch immer für ihn da sein. Und wenn der Patient wohlüberlegt seinen Freitod wünscht, dann darf es dem Arzt auf keinen Fall verboten sein, diese letzte barmherzige Hilfe zu leisten, meine Damen und Herren.

Das Arzt-Patienten-Verhältnis ist – ich weiß es als Medizinrechtler – davon geprägt, dass der Wille des Patienten das Entscheidende ist. Das gilt überall. Wieso sollte es denn nun ausgerechnet hier gerade nicht gelten, meine Damen und Herren?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Staat greift schon oft genug in das Arzt-Patienten-Verhältnis ein. Ich möchte nicht, dass der Staat auch noch Ärzten verbietet, diese letzte barmherzige Hilfe zu leisten. In diese Richtung sollten wir denken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Seitz [AfD])

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schinnenburg. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch aus der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516531
Wahlperiode 19
Sitzung 223
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
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