Michael BrandCDU/CSU - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte wurde erforderlich, weil die Reform zur Sicherung der Selbstbestimmung von Sterbewilligen, die wir im Jahr 2015 mit überwältigender Mehrheit fraktionsübergreifend hier und nach einer langen gesellschaftlichen Debatte beschlossen hatten, vom Bundesverfassungsgericht in einem sehr ungewöhnlichen Urteil verworfen wurde.
Dabei wurde nicht nur das unbestrittene wie ja existierende Recht auf Assistenz beim Suizid weit ausgedehnt; es wurde zudem ein Schutzkonzept verlangt, das Menschen in vulnerablen Lebenslagen vor Druck schützen soll und das teils im klaren Widerspruch zum Urteil steht.
Das fundamentale Urteil, mit all seinen Widersprüchen, ist gesprochen – und die wurden dem Parlament zur Lösung überlassen. Hier wird nichts weniger verlangt als die Quadratur des Kreises.
Es bleibt unsere Aufgabe, Autonomie und Selbstbestimmung nicht nur formal, sondern real zu schützen. Denn niemand von uns könnte sich der Verantwortung entziehen, falls ein zu schwacher Schutz gegen Missbrauch dazu führt, dass wegen der Ausweitung selbst auch der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe nun Menschen dem Druck nachgeben und getötet werden, selbst gegen den eigenen Willen.
Wir haben also – und das ist die Büchse der Pandora, die das Urteil geöffnet hat –, diese neue Qualität der Bedrohung des Lebens von Menschen in schwerer Notlage. Während die Reform von 2015 zuallererst den Schutz und die Selbstbestimmung von vulnerablen Personen im Blick hatte, haben andere vor allem diejenigen im Blick, die ohne weitere Auflagen ihrem Leben aus freier Selbstbestimmung ein Ende setzen wollen, ohne dass es die Antwort gibt, wie die „Freiverantwortlichkeit“, die „Dauerhaftigkeit des Suizidgedankens“ eigentlich konkret festgestellt werden können. Das ist nicht weniger als ein echter Paradigmenwechsel.
Die Schwachen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind zumeist auch die Stillen, die Stummen. Denen eine Stimme zu geben, sie nicht schutzlos dem Druck leicht verfügbarer, sprichwörtlich tödlicher Angebote auszuliefern, das bleibt vor unserer Geschichte und unserer Verfassung unsere wichtigste Aufgabe. Niemand darf – auch nicht versehentlich – Säulen wegräumen, die die gesamte Statik des Grundrechts auf Selbstbestimmung auch am Lebensende zusammenbrechen lassen können.
Unsere Verantwortung bleibt: Wir müssen die Schwachen vor allem schützen, weil wir eine Gesellschaft mit menschlicher Qualität bleiben wollen. An Fragen wie diesen entscheidet sich auch katalytisch, weit über die Einzelfrage hinaus, in welche Richtung eine Gesellschaft auf Dauer geht. Zwischen diesem fundamentalen Urteil und dem Grundrecht auf Leben die richtige Antwort zu finden, das ist tatsächlich die Quadratur des Kreises. Und umso mehr müssen wir jedes Detail, jeden Grundsatz sehr sorgfältig daraufhin überprüfen, dass wir nicht einen einzigen Menschen unfreiwillig in den Tod getrieben sehen. Das sind wir diesen Menschen und auch uns selbst schuldig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Vielen Dank, Herr Kollege Brand. – Nächster Redner ist der Kollege Thomas Seitz aus der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516534 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 223 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe |