Christian SchmidtCDU/CSU - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Höchstpersönliche Entscheidungen und Wege zu kategorisieren, zu objektivieren, das ist eine gesetzgeberisch allerhöchste Herausforderung, der wir uns nun zuwenden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Mittelpunkt seines Urteils den freien Willen jedes einzelnen Menschen gestellt. Komme er zu einer autonomen Entscheidung, sei seine Entscheidung – auch zum Suizid – zu respektieren. Fördern muss der Staat dies allerdings nicht; unmöglich machen darf er es aber auch nicht.
Auf diese grundsätzlichen Erwägungen muss man aber auch in einem größeren Werterahmen, denke ich, antworten. Wir können und dürfen nicht unsere gesetzgeberische Aufgabe nur darin sehen, sozusagen ein Suizidbegleitgesetz dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachzusenden. Wir haben bei allem Respekt vor der freien Entscheidung des Einzelnen die gemeinsame Aufgabe, ein schützendes Konzept hin zum Leben zu schaffen und diese schwerste aller Entscheidungen, die denkbar sind, nicht noch gesellschaftlich zu befördern.
Davon zu unterscheiden ist die Aufgabe, wie der Rahmen für nicht geschäftsmäßige Unterstützung eines Suizidwilligen zu setzen ist; wir hatten das ja bei der Neufassung des § 217 StGB im Jahre 2015 durchaus im Blick gehabt. Es gibt also keinen Anspruch auf quasi staatliche Unterstützung, aber auch keine Erlaubnis zur Verunmöglichung solch einer Entscheidung. Das heißt, dass Ärzte und lebenserfahrene Menschen schon auch mit dem Suizidwilligen prüfen dürfen und müssen, ob dieser Wille wirklich frei gebildet ist. Wir haben gerade bei Kollegin Kotting-Uhl verstanden und wieder gesehen, wie schwierig dies ist. Dem Menschen als Zoon politikon wohnt eine gewisse Ambivalenz inne: Er lebt eben nicht alleine aus sich heraus, sondern ist immer Einflüssen ausgesetzt. Es geht darum, zu unterscheiden, ob die Entscheidung dem eigenen, freien Willen entspringt oder Zwängen von außen unterliegt und von einem entsprechenden soziokulturellen Mainstream mit einer Vorstellung des Zur-Last-Fallens oder von einem anderen unangemessenen Druck befördert wird. Das muss herausgefunden werden; das ist außerordentlich schwer. Ich glaube, wir werden hierauf besonders viel Energie verwenden müssen.
Wir müssen uns allerdings auch völlig klar sein, dass ein Schutzkonzept keine suizidermutigende Umwelt zulassen sollte, sozusagen kein Werther-Syndrom, aber auch kein Enke-Syndrom. Hier sind die Interdependenzen außerordentlich intensiv und groß.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Benjamin Strasser [FDP])
Gesellschaftlich allgemein und für vulnerable Gruppen insbesondere müssen sozusagen spezial-, generalpräventive und assistierende Konzepte entwickelt werden. Die Prävention ist die Schwester einer gesetzgeberischen Regelung, die Suizid in einem gewissen Rahmen bei freier Entscheidung dann auch ermöglicht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und der Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD] und Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Robby Schlund aus der AfD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516540 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 223 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe |