Axel MüllerCDU/CSU - Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht als Auslöser der heutigen Debatte hat § 217 StGB für nichtig erklärt, weil er das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck der persönlichen Autonomie und die Möglichkeiten, dafür bei Dritten Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen, zu sehr einschränke. Es gilt gegenwärtig der Rechtszustand, der zum Kern der Juristenausbildung gehört: Beihilfe zum Selbstmord ist nicht strafbar, Tötung auf Verlangen aber sehr wohl.
Dennoch können wir uns damit nicht zufriedengeben. Wir spüren alle das Bedürfnis nach ergänzenden Regelungen. Allen Initiativen, die heute vorliegen, zolle ich wirklich größten Respekt. Sie sind geprägt von einem verantwortungsvollen Ringen um eine gute Lösung, beweisen Gestaltungswillen und haben juristische Qualität.
Ich will ein paar allgemeine Gedanken in die Diskussion einbringen, die mich ganz persönlich bewegen, die mir aber auch viele Menschen, mit denen ich in Gesprächen war oder mich in Diskussionen befand, mitgeteilt haben und von denen ich mir wünschen würde, sie würden bei der weiteren Debatte Berücksichtigung finden.
Auffallend ist bei einzelnen Initiativen, dass sich anscheinend die Überzeugung durchgesetzt hat, der Staat müsse Strukturen schaffen oder zumindest unterstützen, die es dem Selbsttötungswilligen ermöglichen, seinen Willen in die Tat umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings nur untersagt, die Umsetzung des autonom gefassten Willens zur Selbsttötung zu unterbinden. Eine Verpflichtung, ein Verfahren zu entwickeln, das diese Möglichkeit bis ins kleinste Detail regelt, das diesen innersten Prozess eines Menschen auf normenbasierten Regeln weiter ausgestaltet, hat es nicht explizit ausgesprochen. Hier scheint mir doch Zurückhaltung angesagt.
Zu den höchsten Aufgaben eines Staates gehört es, das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen; das geht hinein bis in den pränatalen Bereich, wo wir Verfahren haben, in denen das staatliche Wächteramt, wie beim Schwangerschaftsabbruch beispielsweise, greift.
Kritisch sehe ich daher, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung die Menschenwürde mit der persönlichen Autonomie des Individuums auf eine Stufe gestellt hat und dabei den Menschen als sozial verfasstes Wesen aus meiner Sicht etwas aus dem Blick verloren hat. Hier sollte der Horizont des Gesetzgebers, also der unsrige, etwas weiter gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für mich verträgt sich das nicht mit dem biblischen Grundsatz – dem Inbegriff menschlicher Solidarität – „Einer trage des andern Last“. Die Initiativen beziehen auch die Berufsgruppe der Ärzte mit ein, die sich bislang eher zurückhaltend zur assistierten Suizidhilfe geäußert haben; ihre Aufgabe ist es, Kranke zu heilen und deren Leiden zu lindern. Hier sehe ich auch noch Diskussionsbedarf mit dieser Berufsgruppe.
Ich möchte noch einmal zurückkommen auf den einleitenden Satz unseres Grundgesetzes. „ Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ sind die einleitenden Worte des Grundgesetzes. Nach meinem christlichen Verständnis ist Leben ein Geschenk Gottes, das man weder ablehnen noch zurückgeben kann. Sterben ist ein Teil des Lebens; daher muss es klare Restriktionen geben.
Ich wünsche uns weiterhin eine von solch hohem Respekt geprägte Debatte, wie ich sie heute erleben durfte.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE])
Vielen Dank, Axel Müller. – Der nächste Redner: der Kollege Philipp Amthor, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516552 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 223 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte - Suizidhilfe |