Klaus MindrupSPD - Bundesweiter Mietendeckel
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, vorsichtig ausgesprochen, bedauerlich, wenn eine Landesregierung ein Gesetz erlässt, an dessen Verfassungsmäßigkeit bereits vor der Verabschiedung erhebliche Zweifel bestanden. Aber noch bedauerlicher ist es, wenn eine Landesregierung dies als einzigen Ausweg aus einer wohnungspolitischen Situation sieht, die von einem außer Rand und Band geratenen und von Spekulationen geprägten Mietwohnungsmarkt geprägt ist. Diese Notwehr war verständlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel Föst [FDP]: Hamburg macht es anders!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe wesentliche Aspekte der Berliner Gesetzgebung durchaus kritisch gesehen. Ich bin aktiv in einer Mietergenossenschaft, und von dort gab es auch viel Kritik an diesem Vorhaben.
(Daniel Föst [FDP]: Zu Recht!)
Ich sehe jetzt die Chance, dass man sich in Berlin wieder mit den Genossenschaften zusammentut, dass man einen Neuanfang wagt und – das ist durchaus richtig – dass man in Teilen den Weg von Hamburg mit dem „Bündnis für das Wohnen“ verfolgt. Das ist vollkommen klar.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das fordert die CDU schon ziemlich lange!)
Ich sehe es aber auch als notwendig an, dass Berlin sich damit beschäftigt, wie es eigentlich in diese Lage gekommen ist. Wir brauchen dafür eine kritische Bestandsaufnahme. Das darf man nicht vergessen.
Berlin hat Fehler gemacht:
(Beifall des Abg. Hagen Reinhold [FDP])
der Ausstieg aus der sozialen Wohnraumförderung vor 20 Jahren, das Verscherbeln öffentlichen Vermögens 2004, 65 000 städtische Wohnungen der GSW mit einem Schlag weg, nicht mehr rückholbar. Also, da kann man eigentlich nur eine Entschuldigung verlangen. Hauptverantwortlicher war Herr Sarrazin, der schon in dieser Frage keine Weitsicht gezeigt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Es ist noch schlimmer: Vor zehn Jahren sollte noch die damalige Berliner Immobilien Holding verschenkt werden – „verschenkt“, sage ich. Die CDU war dafür, Die Linke war dafür, die FDP war, glaube ich, auch dafür, die SPD-Führung war in Teilen dafür. Raed Saleh, Torsten Schneider und in besonders starkem Maße ich haben das damals verhindert. Heute wissen wir: Wir haben 2 Milliarden Euro für den Berliner Landeshaushalt gespart; das können Sie an der Bilanz der Nachfolgegesellschaft sehen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Es ist schon gesagt worden, dass wir im Bundestag ein paar Sachen auf den Weg gebracht haben. – Wo ist der Herr Kollege Dr. Luczak? – Ich kann Ihnen sagen: Alles – das wissen Sie aus den Verhandlungen – ist hart von uns als SPD erkämpft worden. Tatsächlich ist es so, dass die Mietpreisbremse deutlich verbessert worden ist und dass wir die Luxusmodernisierungen durch die Einführung der Kappungsgrenze weitgehend gestoppt haben. Das hat eindeutig funktioniert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Das Herausmodernisieren haben wir damit beendet.
Aber wir haben auf Bundesebene trotzdem noch viel zu tun. Wir haben die Aufgabe, gute Vermieterinnen und Vermieter zu fördern. Die haben aber auf den Grundstücksmärkten gegen Spekulanten keine Chance. Deswegen brauchen wir eine andere Bodenpolitik und einen Umwandlungsschutz. Ich hoffe, dass wir dies in den nächsten Wochen gemeinsam miteinander hinbekommen.
(Beifall bei der SPD)
Weiterhin gehe ich davon aus, dass Bund und Länder mittelfristig die Förderung des sozialen Wohnungsbaus deutlich aufstocken müssen. Ohne Neubau geht es nicht. Wenn hier ein Gegensatz zum Klimaschutz aufgebaut wird, kann ich nur sagen: Schauen Sie sich das Konzept des Bauhauses der Erde an, das heute von Professor Schellnhuber vorgestellt wurde – beides geht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?
Ja.
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Kollege Mindrup, dass Sie die Frage zulassen.
Ja, klar.
Ich bin ein bisschen überrascht über Ihren Redebeitrag. Sie sind ja auch Mitglied der Berliner SPD, und mein Kenntnisstand ist, dass wir in Berlin eine rot-rot-grüne Koalition haben
(Daniel Föst [FDP]: Das ist ja das Schlimme!)
und das Projekt des Berliner Mietendeckels dort auch gemeinsam verabredet haben. Sie haben sich jetzt da sehr kritisch geäußert.
Meine Frage, jetzt anknüpfend an die Position, die beispielsweise auch Ihre Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, eine gewisse Frau Giffey, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geäußert hat, die sich für einen bundesweiten Mietendeckel ausspricht: Teilen Sie diese Position? Ist die SPD für einen bundesweiten Mietendeckel nach dem Vorbild des Berliner Mietendeckels, ja oder nein?
Ich fände, das wäre mal ein gutes Projekt, mit dem wir auch zeigen könnten, dass Rot-Rot-Grün einen Unterschied machen kann. Aber da muss dann die SPD auch Farbe bekennen –
Herr Kollege, kurz und präzise.
– und nicht dann, wenn es schwierig wird, sich verdrücken.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil Sie meine Redezeit etwas verlängern. Ich wäre zu diesem Punkt noch gekommen.
Wir haben als SPD-Bundestagsfraktion schon vor Jahren ein solches Konzept ausgearbeitet. Wir haben die gesetzmäßige Kompetenz. Es gibt im Augenblick die Möglichkeit, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens die Miete um 20 oder 30 Prozent in drei Jahren erhöht werden kann. Das liegt natürlich weit über der Einkommensentwicklung. Mit der sogenannten Kappungsgrenze haben wir im Bund die Möglichkeit, das rechtlich zu verändern. Es gibt meines Erachtens keine Möglichkeit, dass das verfassungsrechtlich nicht funktioniert.
Wir wollen als SPD ganz klar – und das haben wir schon vor Jahren vereinbart; das steht auch bei uns im Wahlprogramm – einen Mietenstopp, der sich an der Inflationsrate orientiert. Denn das ist rechtssicher, und das sollte in angespannten Wohnungsmärkten funktionieren.
(Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut!)
Das wäre als Nächstes in meiner Rede gekommen. Sie haben mir jetzt die Möglichkeit gegeben, das noch weiter auszuformulieren.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Aber das muss natürlich an andere Maßnahmen gekoppelt sein, und dazu komme ich jetzt noch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Also, ich habe es schon gesagt: Wir müssen an das Mietrecht ran. Das Instrumentarium ist da. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu nicht geäußert. Wir müssen die Entkopplung der Einkommensentwicklung von der Mietentwicklung stoppen. Das bedeutet eindeutig, dass wir unsere gesetzgeberischen Kompetenzen hier nutzen müssen. Wir können das als SPD sofort machen, falls unser Koalitionspartner sich dazu bereit erklärt.
Es gibt aber noch ein weiteres Thema, das wichtig ist, nämlich das Problem der sogenannten Eigenbedarfskündigung. Wir haben über 100 000 Wohnungen in Berlin, die in den letzten zehn Jahren von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, und in den Fällen ist es sehr, sehr leicht, den Mietern zu kündigen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der FDP)
Es kann nicht sein, dass Mietern gekündigt wird, weil Familien Au-pair-Kräfte in ihrer Zweitwohnung unterbringen wollen, und Familien aus angespannten Wohnlagen somit verdrängt werden. Hier muss dringend etwas passieren. Das ist auch Teil unseres Programms: Klare Regelungen der Eigenbedarfskündigung, Einschränkung der Umwandlungs- und der Umgehungsmöglichkeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie machen den Leuten Angst, Herr Mindrup! Das ist unredlich!)
Ich möchte es so zusammenfassen: Starker Schutz für Mieterinnen und Mieter geht nur mit der SPD. Wir verbinden beides: Mieterschutz und Investitionen in neue und bezahlbare Wohnungen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Mit der Angst der Menschen Wahlkampf machen! Mannomann!)
Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Daniel Föst.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516572 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 223 |
Tagesordnungspunkt | Bundesweiter Mietendeckel |