Daniel FöstFDP - Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was ist das für ein Signal, das Sie von der GroKo hier senden? Damit meine ich nicht, dass sich Kollege Weinberg so sehr über seinen Anzug freut, sondern dass Sie eine 30‑minütige Debatte über die größte Reform des SGB VIII ansetzen. 30 Minuten Debatte über die Reform des SGB VIII! Erst am Donnerstagabend kamen 108 Seiten Änderungsanträge der GroKo.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Immerhin schon Donnerstag! Sonst kommen die immer erst dienstags!)
Jetzt wird das hier durchgepeitscht. Das wird dem Thema nicht gerecht, und es zeigt wieder mal, wie CDU/CSU und SPD die Debatten im Deutschen Bundestag wertschätzen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie lang geht denn heute der Tag, Herr Föst? Bis 3 Uhr nachts! – Sönke Rix [SPD]: Wann sind denn Ihre Änderungsanträge reingekommen?)
Werte Kolleginnen und Kollegen, verstehen Sie mich nicht falsch: Vieles an diesem Gesetzentwurf ist inhaltlich gut. Aber gut reicht manchmal einfach nicht aus.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, gern.
Bitte, Frau Kollegin. Bei den Mund-Nasen-Bedeckungen ist es so schwer, alle Kolleginnen und Kollegen zu erkennen. Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank. Mein Name ist Heike Baehrens. – Herr Kollege Föst, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben gerade die Koalitionsfraktionen dafür kritisiert, dass wir für ein so gewichtiges Thema nur eine 30-Minuten-Debatte haben. Darum möchte ich Sie gerne fragen, was Sie davon halten, dass die FDP-Fraktion für die heutige Kernzeit eine einstündige Debatte zum Thema „Digitaler Impfpass“ angesetzt hat. Wir fragen uns, warum man für ein solches Thema, wo doch bereits der europäische Impfpass auf dem Weg ist, eine einstündige Debatte in der Kernzeit ansetzt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Kollegin, jetzt bin ich konsterniert. Ich habe gedacht, Sie erklären mir jetzt, dass Sie das alles super gemacht haben bei dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz,
(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Haben wir ja auch!)
was de facto ja falsch ist. Aber Sie werfen uns jetzt vor, dass wir eine Debatte aufsetzen, die die Menschen da draußen bewegt, genauso wie diese Debatte die Menschen bewegt.
(Stephan Thomae [FDP]: Es ist zurzeit eines der wichtigsten Themen überhaupt!)
Fällt Ihnen das nicht auf, sehr geehrte SPD und CDU/CSU, dass wir im Kampf gegen Corona anfangen, die Menschen zu verlieren? Und wenn wir die Menschen im Kampf gegen Corona verlieren, verlieren wir den Kampf gegen Corona.
(Beifall bei der FDP)
Jetzt ich bin ich echt konsterniert: Uns vorzuwerfen, dass wir das, was Millionen Geimpfter, übrigens auch schon Millionen Genesener umtreibt, zur Debatte im Deutschen Bundestag machen!
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)
Da war ich jetzt konsterniert, überrascht, und ich teile Ihre Meinung in keiner Weise. Genau solche Themen müssen wir hier diskutieren.
(Beifall bei der FDP)
Aber kommen wir zum Gesetzentwurf zurück. Inhaltlich gut, aber gut reicht manchmal halt nicht aus.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es reicht doch, wenn Sie das feststellen, und dann ist es gut!)
Wir können ja davon ausgehen, dass es nach dieser Reform Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern wird, bis wir wieder darüber reden. Deswegen wäre es uns von der FDP lieber, dass wir es statt gut exzellent machen.
(Ulrike Bahr [SPD]: Sie wollten doch nicht! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es fällt Ihnen wirklich nicht viel ein, was Sie kritisieren können! Dafür reicht Ihre Redezeit doch!)
Es geht hier um viele Menschen. Es geht um viele Menschen, die in diesem Bereich arbeiten. Es geht vor allen Dingen aber um Kinder, Jugendliche und Familien. Da müssen wir insbesondere bei Änderungen beim Kinder- und Jugendschutz genau hinterfragen: Erreicht man das, was man in der Theorie will, auch in der Praxis? Einiges ist gut, aber es sind auch richtige Böcke drin – denn gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.
Wir haben einige Änderungsanträge eingebracht. Wir wollen, dass diese Reform nicht nur gut, sondern exzellent wird. Ich kann aufgrund dieser Turbodebatte nicht auf alle Änderungsanträge eingehen. Deswegen erwähne ich die Sachen, die uns am wichtigsten sind.
Erstens: der Hilfeplan des Jugendamtes. Bewährt und geschätzt in der Praxis, basierend auf Vertrauen. Wenn dieser Hilfeplan jetzt an das Familiengericht weitergegeben werden kann, dann wird seine Wirkung in der Praxis nachlassen, dann wird das Vertrauen in diesen Hilfeplan ausgehöhlt.
Zweitens: Ombudsstellen als Baustein im KJSG. Die Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien zu verbessern, ist ein sehr, sehr gutes Ziel. Aber diese Ombudsstellen müssen auch wirklich unabhängig und dezentral organisiert sein. Unserer Meinung nach darf eine Ombudsstelle niemals am Jugendamt angesiedelt sein, nicht mal im gleichen Gebäude sein.
Drittens: Modellregionen und ‑projekte. Die inklusive Umsetzung der Kinder- und Jugendhilfe ist absolut richtig – großes Ziel der SGB‑VIII-Reform, absolut richtig. Aber sie ist komplex, weil zwei unterschiedliche Systematiken zusammengeführt werden. Warum warten wir bis 2024 bzw. bis 2028? Es gibt genügend Kommunen und Träger, die jetzt schon Ideen und Pläne in der Schublade haben, die jetzt schon gern starten würden.
(Zurufe von der SPD)
Geben wir ihnen doch die Möglichkeit, mit Modellregionen und Modellprojekten bei der flächendeckenden Einführung voranzugehen! Diese Praxiserfahrung wird uns dann sehr, sehr helfen.
Liebe Kollegen, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Wir wollen aus gut exzellent werden lassen. Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu! Die Kinder- und Jugendhilfe hat es verdient.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wenn schon die Opposition meint, dass es gut ist, dann wird es schon richtig sein!)
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller, Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516648 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 224 |
Tagesordnungspunkt | Kinder- und Jugendstärkungsgesetz |