22.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 224 / Zusatzpunkt 4

Johann SaathoffSPD - Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation entlang der Ostgrenze der Ukraine sowie auch der Krim macht uns alle, ja, macht auch mir Sorgen. Zehntausende russische Soldaten befinden sich in Grenznähe zur Ukraine sowie auf der ukrainischen Krim, wofür es lange Zeit überhaupt keine plausible Erklärung von russischer Seite gab. In den vergangenen Tagen erreichten uns Berichte über Manöver russischer Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge im Schwarzen Meer, verbunden mit Sperrungen von See- und Luftgebieten.

Diese Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist gefährlich. Sie birgt das Risiko, dass auch durch unbeabsichtigte Eskalation, durch Missverständnisse die militärische Eskalationsspirale in Gang gerät. Klar ist daher das Gebot der Stunde. Es heißt Zurückhaltung, Deeskalation, vertrauensbildende Maßnahmen, da, wo das möglich ist; oder auf Ostfriesisch: Ik raa Di, bedahr Di.

Die Ukraine hat in dieser Hinsicht sehr früh wichtige Signale der Deeskalation gesetzt. Die Regierung in Kiew wie auch die militärische Führung bekennen sich weiterhin klar dazu, dass der Donbass-Konflikt allein auf diplomatischem und politischem Weg gelöst wird; Staatsminister Roth hat darauf eindrucksvoll verwiesen. Russland hat gesagt, es handle sich dabei um eine Übung. Es ist grundsätzlich aber gut, dass ein baldiges Ende dieser Übung angekündigt wurde. Daran, dass diese Ankündigung auch tatsächlich umgesetzt wird, daran wird sich Russland messen lassen müssen.

In dieser Situation ist es wichtig, Solidarität mit der Ukraine zu zeigen und sie zu unterstützen und zugleich in allseitigem Interesse Deeskalation und Transparenz zu erreichen. Es ist daher richtig, dass Deutschland die Unabhängigkeit, die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine fest unterstützt und sich darin mit seinen Partnern in der EU, in der NATO und der G 7 einig weiß.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist ebenso richtig und wichtig, Russland auch dazu aufzurufen, in Wort und Tat zu deeskalieren. Ein Schritt dazu muss sein, Transparenz über die Truppenbewegungen herzustellen. Das ist eine internationale Verpflichtung, die Moskau im Rahmen der OSZE eingegangen ist. Eben in diesem Rahmen der OSZE hat die Ukraine Russland auf der Grundlage des Wiener Dokuments dazu aufgefordert, die unangekündigten umfangreichen Truppenbewegungen in Grenznähe sowie auf der ukrainischen Krim zu erklären. Genau dies – Deeskalation, Vertrauensbildung, Sicherheit für alle – ist ja Sinn und Zweck und Geist dieses Wiener Dokuments, zu dem sich auch Russland bekannt hat.

Bislang sind Russlands Reaktionen leider nicht sehr konstruktiv. Moskau bleibt aufgerufen, zur Kooperation zu finden. Es muss auch der russischen Führung klar sein, dass eine Eskalation nicht im russischen Interesse sein kann. Im Jahr 2014 waren es nicht zuletzt die Bemühungen der Bundesregierung, die eine weitere Eskalation verhindert und einen Weg zu einer diplomatischen Lösung aufgezeigt haben.

Es muss auch heute allen Akteuren klar sein: Der Konflikt im Donbass kann nur politisch und diplomatisch gelöst werden, und zwar durch die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarung. Das Angebot Deutschlands und Frankreichs steht: das Normandie-Format zu nutzen, um Deeskalation und Fortschritt in der Sache zu erreichen. Schließlich hielt seit Juli 2020 ein Waffenstillstand im Donbass, auch dank einer mutigen Initiative von Präsident Selenskyj. Seit Wochen wird dieser Waffenstillstand immer brüchiger. Immer wieder behindern insbesondere die Separatisten die Arbeit der so wichtigen OSZE-Beobachtermission.

Ich möchte hier betonen: Dieser Konflikt schwelt nicht an den Grenzen Europas, sondern mitten auf unserem Kontinent. Die Ukraine hat eine begeisternde Zivilgesellschaft, die ihr Land nach europäischem Vorbild gestalten will. Auch in Russland gibt es das Bedürfnis, weiterhin ein Teil dieses Europas zu sein, der für seine kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften respektiert wird. Russland gehörte seit eh und je zu diesem Europa. Das findet seinen Ausdruck auch darin, dass Russland Mitglied des Europarats und der Europäischen Menschenrechtskonvention ist und sich so zu Verpflichtungen zu bekennen hat, die sich aus diesen beiden Mitgliedschaften ergeben. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, erwarten wir zu Recht, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg in Moskau auch beachtet und umgesetzt werden.

Mit Blick auf die Situation entlang der russischen Grenze zur Ukraine, auf der ukrainischen Krim und dem Schwarzen Meer lautet unser Appell an Russland und das russische Volk: Pflegt keine Feindbilder und sucht Respekt nicht durch militärische Macht! Respekt und Vertrauen gewinnt man durch Zusammenarbeit, und es gibt so viele Felder der Zusammenarbeit: Medizin, Klima, Umweltschutz, Energietechnik usw. usf. Der Konflikt mit der Ukraine ist bereits eine europäische Tragödie. Diese darf nicht noch größer werden.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb finde ich es richtig, dass wir nicht sagen: „Ihr müsst das machen, oder ihr müsst das machen“, sondern dass wir uns fragen: Was müssen wir eigentlich machen? Wir in Deutschland müssen vermitteln, wo immer dies möglich ist, trotz aller Ratschläge; denn wir tragen Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir tragen Verantwortung für den Frieden in Europa.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Roland Hartwig für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516736
Wahlperiode 19
Sitzung 224
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine
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