Thomas ErndlCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier im Haus regelmäßig über Russland. Leider geht es dabei zumeist um eine weitere Abkühlung unserer Beziehungen. Mittlerweile herrscht Eiszeit. Anders als die Weltverklärer und Russland-Romantiker links und rechts hier fantasieren, liegt das weder an Berlin, Brüssel oder Kiew noch an der NATO, sondern einzig und allein am Mann im Kreml.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Natürlich! Es ist immer nur einer schuld!)
Wer hier die gestrige Märchenstunde von Putin fortsetzt und Sprechpunkte vom Kreml übernimmt, trägt nicht zur Deeskalation bei.
Der große Teil dieses Hauses steht solidarisch zur Ukraine. Der massive Truppenaufmarsch an der russisch-ukrainischen Grenze ist nichts anderes als eine absolut inakzeptable und gefährliche Provokation.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gefährlich ist sie, weil auch nur ein einziger Schuss eine Spirale der Gewalt auslösen kann. Diese Eskalation muss um jeden Preis verhindert werden. Deshalb muss Russland seine Truppen an der ukrainischen Grenze abziehen. Die Meldungen von heute glauben wir natürlich erst, wenn das tatsächlich geschieht; denn Desinformation aus Moskau kennen wir zur Genüge.
Dieser Aufmarsch offenbart die perverse Logik des Systems Putins. Er legt das Messer an die Brust Kiews und rechnet damit, durch militärischen Druck die Grenzen und die politischen Realitäten in der Ukraine verändern zu können. Aber das, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht zulassen. Die Einheit der Ukraine muss gewahrt bleiben. Unser Ziel bleiben die Vereinbarungen aus dem Minsker Abkommen. Ich fände es außerordentlich wichtig, wenn sich die Staats- und Regierungschefs möglichst bald im Normandie-Format treffen und endlich neuer Schwung in den Minsker Prozess kommt.
Eines muss uns allen hier endlich klar sein: Putin ist niemand, den Solidaritätsbekundungen stark beeindrucken. Wir Europäer müssen Moskau geschlossen deutlich machen, welchen Preis es zu zahlen hat, wenn das aggressive Verhalten kein Ende nimmt. Moskau eskaliert an allen möglichen Orten, auch mitten in Europa, auch bei uns. Wir haben das hier gesehen, wir haben das zuletzt auch in Tschechien wahrgenommen. Den tschechischen Nachbarn gilt meine volle Solidarität.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Wirksame europäische Sanktionen müssen jetzt eine noch stärkere Rolle spielen. Nur geschlossen und entschieden können wir unsere ukrainischen Partner ernsthaft unterstützen. Worte allein werden hier nicht weiterhelfen. Wir müssen endlich Schritte in die Wege leiten, die dem Kreml wehtun und hier auch bei unserer Abhängigkeit von Öl und Gas ansetzen. Wir sollten neben der Reduktion des Bedarfs durch gute Klimapolitik für den Übergang verstärkt auch andere Gasbezugsquellen in den Blick nehmen.
Meine Damen und Herren, Putin bricht aber nicht nur an der russisch-ukrainischen Grenze internationales Recht, sondern erneut auch im Fall Nawalny. Es ist ganz klar: Alexej Nawalny muss in dieser dringenden medizinischen Notlage einen Vertrauensarzt sehen können. Da fordere ich auch die Bundesregierung auf, dass der Druck hier deutlich erhöht wird. Wir dürfen uns nichts vormachen: Wer Nawalny vergiftet, ist auch bereit, ihn verhungern oder krank sterben zu lassen. Es braucht unsere entschiedene Hilfe, und zwar jetzt, bevor es zu spät ist. Ich möchte an dieser Stelle auch den Tausenden Demonstranten, die gegen diese Ungerechtigkeiten auf die Straße gehen, meinen großen Respekt und meine Solidarität ausdrücken.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Meine Damen und Herren, Russland und Europa, das ist eine jahrhundertealte Beziehungsgeschichte zwischen Konflikten und Kooperation, zwischen Faszination und leider auch Konfrontation. Eines muss klar sein: Bei Klimaschutz und Zukunftstechnologien wird Russland in Zukunft auch unsere Innovationskraft und Technik benötigen, denn das Zeitalter von Öl und Gas wird zu Ende gehen. Es ist Zeit, dass diese Erkenntnis auch in Moskau einsetzt. Es ist Zeit, dass die destruktive und aggressive Politik endlich beendet wird und wir gemeinsam an einer Zukunftsagenda arbeiten können. Unsere Tür steht dazu offen.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516742 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 224 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Wachsende Gefahr einer Eskalation in der Ostukraine |