Katrin BuddeSPD - Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 1983 mit 18 Jahren zum ersten Mal wählen durfte, war Helmut Kohl Bundeskanzler. Und nein, ich hätte ihn nicht wählen können; denn ich bin ja Ostdeutsche.
(Heiterkeit der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Zur Ehrlichkeit gehört natürlich: Ich hätte ihn auch nicht gewählt, wenn ich hätte wählen können.
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)
Ich bin ja nicht ohne Grund 1989 in die SPD eingetreten.
(Beifall bei der SPD)
Aber egal, ob man Helmut Kohl nun mag oder nicht und ob man alles an ihm mag oder nur Teile seines politischen Wirkens, es dürfte völlig unstrittig sein: Helmut Kohl war ein Kanzler, der die Bundesrepublik geprägt hat.
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] und Otto Fricke [FDP])
Er war ein überzeugter Europäer. Er hat viel zur deutsch-französischen Aussöhnung und Freundschaft beigetragen. Selbst wir kannten die Bilder – wir konnten ja Westfernsehen gucken –, wie er 1984 mit François Mitterrand Verdun besuchte und beide dort Hand in Hand standen. Das sind Bilder, die um die Welt gingen, wie auch der Kniefall von Willy Brandt in Warschau, die etwas ganz besonderes ausdrücken. Auch aus meiner Wahrnehmung war das eine ganz neue Qualität. So wurde ein neues Kapitel in der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft aufgeschlagen. Das ist eine große und herausragende Leistung.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Helmut Kohl hat auch nie Zweifel daran gelassen, dass er zunächst die Bundesrepublik und später dann auch das wiedervereinte Deutschland in ein geeintes Europa führen will. Sowohl die Stärkung der transatlantischen Partnerschaft als auch das Vorantreiben der Osterweiterung der Europäischen Union sind seine Verdienste.
Und, ja, Frau Connemann, natürlich war er der Kanzler, der im Amt war, als die Chance bestand, Deutschland wieder zu vereinen, und er hat diese Chance auch genutzt – unbenommen. Aber sehen Sie es mir nach, wenn ich diesen Teil der Geschichte etwas differenzierter sehe. Ich glaube, dass auch aufseiten der Bundesrepublik die Gespräche auf dem Weg in die deutsche Einheit ein Gemeinschaftswerk waren und dass viele Politikerinnen und Politiker dieser Zeit ihren Anteil daran hatten.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] und Gitta Connemann [CDU/CSU])
Ich glaube im Übrigen, dass das ein sehr langer Weg war und dass auch die Entspannungspolitik und die Ostpolitik zu anderen Zeiten Bausteine auf dem Weg zur deutschen Einheit waren. Es war ein großer Prozess, es war ein nationaler, ein europäischer, ein osteuropäischer und internationaler Prozess. Und Helmut Kohl hat in diesem Prozess sehr stark gewirkt – unwidersprochen. Trotzdem gestatten Sie mir den Satz: Zuallererst waren es die Ostdeutschen mit ihrer Friedlichen Revolution,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
die überhaupt die Möglichkeit geschaffen haben, dass es eine deutsche Wiedervereinigung gab. Deshalb habe ich mit der markanten Bezeichnung „Kanzler der Einheit“ ganz persönlich ein Problem, ohne die Verdienste schmälern zu wollen.
Es geht aber nicht nur um die Person Helmut Kohl. Sie haben es gesagt: Es geht bei einer solchen Stiftung auch um das Wirken und die Zeit, in der man politisch tätig war, in der man gelebt und gestaltet hat, und aus jeder dieser Zeiten kann man etwas lernen. Die Helmut-Kohl-Stiftung ist wie die anderen Bundeskanzlerstiftungen nach dem Namen des Kanzlers benannt. Aber die Stiftungen machen ja weit mehr: Sie machen politische Bildungsarbeit, vergeben wissenschaftliche Aufträge. Die Zeit wird aufgearbeitet: Was ist warum in welcher Zeit entstanden, und was kann man daraus für heute und für die Zukunft lernen? – Das ist das Wichtige. Mit jeder dieser Stiftungen werden die Füße der politischen Bildungsarbeit verbreitert. Das ist wichtig, und das brauchen wir für jede Zeit.
Alle demokratisch gewählten Kanzler und nun auch eine Kanzlerin haben diese Bundesrepublik geprägt; das ist unwidersprochen. Sie waren und sind Menschen mit ganz besonderen Lebenswegen. Wir unterstützen den vorliegenden Gesetzentwurf und finden es richtig, dass er heute eingebracht wird. Wir freuen uns, dass damit der politische Diskurs und auch der kultivierte politische Streit über die eine oder andere Sichtweise dieser Zeit weitergeführt werden kann und auf breitere Füße gestellt wird.
Ich bitte um Überweisung an den Ausschuss.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Budde. – Der nächste Redner: der Abgeordnete Otto Fricke, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516748 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 224 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung |