Torbjörn KartesCDU/CSU - Tarifbindung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute in dieser durchaus besonderen Woche, in der wir das Infektionsschutzgesetz geändert haben und in der wir auch weiter mit aller Kraft an der Bekämpfung dieser Pandemie arbeiten, auch zur Stärkung der Tarifbindung in Deutschland. Ich möchte eines vorwegschicken: Unser Ziel in dieser Krise ist auch weiterhin: Wir wollen möglichst viele Arbeitsplätze erhalten, tarifgebundene und auch nicht tarifgebundene. Dem gilt unsere volle Aufmerksamkeit; das unterstützen wir insbesondere mit umfassenden Regelungen zur Kurzarbeit. Daran, meine Damen und Herren, werden wir jetzt fokussiert und mit aller Kraft weiter arbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dennoch ist es wichtig, glaube ich, dass wir auch andere Themen in den Blick nehmen. Ich möchte es auch heute ganz deutlich sagen: Ich habe über 15 Jahre in einem tarifgebundenen Unternehmen gearbeitet, und ich weiß sehr wohl um die Vorteile von Tarifverträgen. Dort, wo Tariflöhne gelten, sind Löhne und Arbeitsbedingungen in aller Regel besser, die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist eine der zentralen Errungenschaften in der sozialen Marktwirtschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb – das sage ich auch ganz klar – finden Sie uns auch an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Tarifbindung zu stärken.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch einfach mal was!)
Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Ich glaube aber, dass wir uns in der Frage, wie man das am besten macht, unterscheiden, und über diese Unterschiede sprechen wir heute ja auch.
Ich möchte das sehr gerne anhand der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen erläutern, die heute auch schon angesprochen worden ist. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann nach dem Tarifvertragsgesetz einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifparteien für allgemeinverbindlich erklären. Das bewirkt dann, dass auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Regelungen eines Tarifvertrags – zumindest innerhalb des sachlichen und räumlichen Geltungsbereichs – verbindlich werden.
Diese Regelung wollen Sie jetzt ändern. Davon soll nun abgewichen werden, in dem die Allgemeinverbindlichkeit erleichtert wird; auch darüber kann man sprechen. Aber nach Ihren Vorstellungen soll ein entsprechender Antrag zukünftig alleine von einer Tarifvertragspartei gestellt und im Tarifausschuss dann nur noch mit einer Mehrheit abgelehnt werden können. Das würde bedeuten, dass am Ende eine Tarifpartei allein die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags durchsetzen könnte. Das ist, glaube ich, nicht der richtige Weg, und das ist insbesondere mit der Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Absatz 3 unseres Grundgesetzes auch nicht vereinbar. Das ist immer noch in erster Linie ein Freiheitsrecht, und wir wollen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst und eigenverantwortlich über ihre Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bestimmen können, immer basierend auf einem Konsens. Das ist oft auch ein Kompromiss, um den hart gestritten wird. Das ist alles richtig. Aber es kann nicht sein, dass das Ganze einseitig erfolgen kann.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch ein Bundestariftreuegesetz!)
Deswegen glaube ich, dass das hier nicht der richtige Weg sein kann.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Vorschläge, die heute auf dem Tisch liegen, die aufzeigen, wie wir mit Vorschriften und immer komplexer werdenden Regelwerken Unternehmen dazu zwingen wollen, dass sie keine Tarifflucht mehr begehen. Ich sage Ihnen: Unser Ansatz dazu muss ein anderer sein. Ich glaube, dass man das, was Sie vorhaben, zwar versuchen kann, dass man das am Ende aber nicht erzwingen kann.
Wir müssen solche Debatten in Deutschland anders führen. Wir müssen unseren Unternehmerinnen und Unternehmern auch mal etwas zutrauen. Wir müssen ihnen vertrauen und daran glauben, dass sie das Beste für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen.
(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also einfach nur zuschauen! Mehr ist es nicht!)
In diesem Geist sollte man Politik machen.
Deswegen – ich sage das ganz deutlich – muss man einfach darüber nachdenken, wie man Tarifverträge attraktiver macht. Dazu lese ich heute übrigens nichts. Der richtige Weg, glaube ich, um Sozialpartnerschaft zu stärken, wäre,
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn Ihre Vorschläge?)
tarifgebundenen Unternehmen zusätzliche Kompetenzen und Möglichkeiten einzuräumen. Ich möchte nur ein Beispiel nennen: das Arbeitszeitgesetz. Es ist immer noch ein sehr gutes Gesetz, aber durchaus in die Jahre gekommen.
(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es ist dringend erforderlich, dass wir das behutsam anfassen. Natürlich kann man in dem Rahmen zu der Auffassung kommen, dass gewisse Flexibilisierungen zunächst nur für tarifgebundene Unternehmen gelten sollen.
(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das wäre etwas, was Tarifverträge für beide Seiten, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wirklich attraktiver macht, sodass sie sagen: Das ist der richtige Weg. Das wollen wir auch für unser Unternehmen.
Wir sollten also Unternehmern viel mehr vertrauen und Tarifverträge attraktiver machen, weil beide Seiten davon Vorteile haben, statt immer zu meinen, dass man das Ganze durch neue Regelwerke erzwingen kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Torbjörn Kartes.
(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Kurzintervention)
– Nein, tut mir leid. Ich will einfach noch mal sagen: Wir sind heute sehr stark in Zeitverzug.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist aber eine wichtige Debatte!)
– Ja, das kann schon sein, dass das wichtig ist. Das bestreite ich ja nicht.
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jürgen Pohl.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7516789 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 224 |
Tagesordnungspunkt | Tarifbindung |