22.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 224 / Tagesordnungspunkt 24

Konstantin KuhleFDP - Schutz der Bundestagswahl 2021

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Schutz der Bundestagswahl 2021 vor Desinformation und Cyberangriffen. Wenn die heutige Debatte nur den Effekt hat, dass die an der Wahlvorbereitung beteiligten Akteure diese Gefahren besser auf dem Schirm haben, dann hat sich der heutige Abend schon gelohnt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für die FDP!)

Was passiert denn konkret? Autoritäre Regierungen nutzen das Internet als Kommunikationsplattform, aber auch als Plattform für Cyberangriffe. Sie nutzen die sozialen Medien, sie nutzen verdeckte Finanzierungen, sie nutzen andere Wege, um die Willensbildung in demokratischen Staaten Europas auf ganz unterschiedlichen Kanälen zu beeinflussen.

Warum tun sie das, meine Damen und Herren? Sie tun das aus folgendem Grund: Je mehr Menschen an der Handlungsfähigkeit staatlicher Organisationen und Institutionen zweifeln, umso leichter können sich Putin und Erdogan als starke Führungspersönlichkeiten inszenieren. Je mehr Menschen Angst vor Zuwanderung und sexueller Selbstbestimmung haben, umso eher können sich autoritäre Typen als Retter des Abendlandes und der Familie gerieren. Je mehr Menschen in Deutschland glauben, wir lebten in einer Coronadiktatur oder in einer Meinungsdiktatur, umso einfacher ist es für die wahren Diktatoren, ihre Menschenrechtsverletzungen und ihre Wahlmanipulationen unter den Teppich zu kehren. Und je stärker radikale Parteien bei Wahlen werden, umso schwieriger ist es für eine Regierungsbildung aus der Mitte des demokratischen Parteienspektrums.

Genau das ist von autoritären Regimen gewollt. Genau diese Instabilität, genau diese Krisen sind von autoritären Regimen gewollt. Wir erleben deswegen, dass die Wehrhaftigkeit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dass die Offenheit unserer Gesellschaft in Gefahr ist – von außen und von innen –, und es ist gut, dass wir heute darüber sprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])

Was passiert konkret, und was muss geschehen?

Erstens. Wir erfahren in diesen Tagen, dass in den letzten Wochen und Monaten mindestens sieben Bundestagsabgeordnete zum Ziel, zu Opfern von Phishing-Angriffen geworden sind. Da wird versucht, Passwörter auszuforschen, mit denen man sich in die Social-Media-Präsenzen von Abgeordneten einloggen kann, um dort Desinformation zu verbreiten. Was lernen wir daraus? Wir müssen nicht nur an der IT-Sicherheit der Exekutive arbeiten, sondern auch an der IT-Sicherheit der Legislative, auch bei den Kandidatinnen und Kandidaten, bei den Parteien, bei den Landespolitikern, bei den Kommunalpolitikern. Wir brauchen Schulungen, Seminare, konkrete Hilfsangebote, übrigens auch für Erstwähler, die sich zum ersten Mal ein Bild machen sollen, um eine informierte Wahlentscheidung treffen zu können.

Zweitens. Es gibt Untersuchungen des Europäischen Auswärtigen Dienstes, die ganz klar benennen, dass es kein Land in der Europäischen Union gibt, das so stark im Fokus von Desinformation steht wie die Bundesrepublik Deutschland. Russia Today bemüht sich um eine Rundfunklizenz in Deutschland. TRT aus der Türkei baut sein Angebot aus. Das sind Sprachrohre autoritärer Regime, und Menschen müssen das in Deutschland erkennen.

Was bedeutet das ganz konkret? Das ist nicht nur eine Sache des Innenministeriums. Es braucht eine gemeinsame Plattform mit den Nachrichtendiensten, mit dem BMVg, mit dem Auswärtigen Amt, mit den Wahlleitern auf allen Ebenen, mit dem BSI, die daran arbeiten, wie man die Resilienz demokratischer Willensbildungsprozesse in Deutschland und der EU erhöhen kann.

Wir sollten auch als Demokratien voneinander lernen. Wir brauchen so etwas wie eine digitale Wahlbeobachtung in der Europäischen Union, beim Europarat, bei der OSZE, damit wir voneinander lernen können.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])

Drittes und letztes Thema. Wir haben bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz gesehen, wie stark die Briefwahl nach oben geht: über 60 Prozent. Es hat nur wenige Stunden, wenige Tage gedauert, bis genau dieselben Lügengeschichten im Internet aufgetaucht sind, wie sie auch über die Präsidentschaftswahl in den USA erzählt worden sind: alles Fake, alles gefälscht. – Das sind Erzählungen aus autoritären Regimen mit rechtsextremen Claqueuren in Deutschland.

Was lernen wir daraus? Wir müssen über Briefwahl informieren. Wir müssen die Social-Media-Plattformen an einen Tisch bekommen, und wir dürfen es uns mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und als offene Gesellschaft nicht gefallen lassen, dass wir unterwandert werden, mit dem Ziel, diese Errungenschaften abzuschaffen. Schützen wir gemeinsam die Bundestagswahlen 2021! Ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuhle. – Nächster Redner ist der Kollege Christoph Bernstiel, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516824
Wahlperiode 19
Sitzung 224
Tagesordnungspunkt Schutz der Bundestagswahl 2021
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