22.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 224 / Tagesordnungspunkt 26

Mahmut ÖzdemirSPD - Reform des Wahlrechts und der Parlamentsarbeit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit habe ich jetzt auch nicht gerechnet, dass die CDU/CSU-Kollegen sich bei diesem Thema davonstehlen und nicht reden.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Hätte ich auch gemacht an deren Stelle! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde auch gehen! Einfach wieder gehen!)

Ich glaube, Seneca hätte den Ausspruch „Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen“ genau auf die Unionsfraktion gemünzt. Das Zeitelement ist auch in dem Gesetzentwurf berücksichtigt. Dort steht drin: „unverzüglich“. Aber die Union hat das ganze Thema mit einer stoischen Ruhe seit Oktober in die Verhandlungen mit uns gebracht.

Ich möchte hier zunächst mein Bedauern und teilweise auch mein Befremden darüber äußern, dass wir alle Bevollmächtigten von unseren Fraktionen im Rahmen unserer Fraktionsbeschlüsse in die Verhandlungen geschickt haben und – es ist traurig – dass ein moderner, ein guter, ein überparteilicher, geeinter Beschluss, der gefasst worden ist und den wir seit Mitte Dezember auf dem Tisch liegen hatten, nun nicht umgesetzt wird. Er sah einen sehr guten Einsetzungsbeschluss vor und hatte unsere Parlamentsarbeit gut repräsentiert und hatte alle aufgegriffenen Themen, von der Größe des Deutschen Bundestages über Parität, also gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern, und das Wahlalter 16, gut abgebildet.

(Jörn König [AfD]: Und Diversen!)

Ich finde das sehr schade.

Ich möchte mich bei den beiden Kollegen Heveling – ich weiß nicht, wo er jetzt ist – und Frieser ausdrücklich für die sehr gute, für die sehr konstruktive inhaltliche Arbeit bedanken, noch viel mehr für den sehr guten Einsetzungsbeschluss. Umso größer ist das Befremden darüber, dass ein solcher überparteilicher Beschluss in der Unionsfraktion keine Mehrheit gefunden hat.

(Leni Breymaier [SPD]: Hört! Hört!)

„Ratschläge sind immer auch Schläge“, hat Johannes Rau mal gesagt. Herr Brinkhaus ist heute nicht da, was ich ihm nicht verüble; ein Fraktionsvorsitzender – das meine ich ehrlich – hat auch andere Dinge zu tun. Aber ich gebe ihm einen Ratschlag zu Protokoll: Hören Sie mal auf den Kollegen Heveling und den Kollegen Frieser. – Ich weiß jetzt nicht, ob ihnen das zum Nachteil gereicht. Aber der Einsetzungsbeschluss, den wir über Parteigrenzen hinweg verhandelt haben, war exzellent. Dem hätte man heute hier im Deutschen Bundestag zustimmen können, wenn die Unionsfraktion die Chuzpe und den Mut gehabt hätte, in ihrer Fraktion das auch durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die SPD hat auch nichts gemacht bei dem Thema!)

Wer vor anderthalb Jahren gedacht hätte, dass die wichtigsten Themen sein würden, die Größe des Deutschen Bundestages anzupassen, das Wahlalter auf 16 abzusenken, die Dauer der Wahlperiode und der Amtszeit des Kanzlers/der Kanzlerin zu verändern und die Parlamentsarbeit zu modernisieren, ist in den letzten 13 Monaten eines Besseren belehrt worden. Insofern ist ein weiteres Thema, das sich an das Gesetzesvorhaben bzw. an die Einsetzung der Reformkommission anknüpft, das Thema der Herabsetzung der erforderlichen Unterschriftenquoren für die Teilnahme an der Bundestagswahl.

Die Zahl der erforderlichen Unterschriften beträgt bei Wahlkreislisten 200 Unterschriften und bei Landeslisten bis zu 2 000 Unterschriften, bzw. dort sind sie bei Landeslisten auch gekappt. Die SPD setzt sich für die Vielfalt der Parteienlandschaft und die Chancengleichheit ein. Wir haben uns bei diesem Thema großzügig dahin gehend beraten lassen, dass wir gemeinsam mit allen Parteien die Quoren herabsenken.

Ich gebe allerdings zu bedenken, dass es hier auch um die Gleichbehandlung und die Chancengleichheit von Parteien geht. Diejenigen, die es bisher nicht geschafft haben, genügend Unterschriften zu sammeln, werfen uns in diesem Punkt Nichthandeln vor. Diejenigen Parteien, die allerdings schon die Unterschriften beisammenhaben und das Quorum erreicht haben, werfen uns hingegen – zu Recht, wie ich finde – Ungleichbehandlung vor. Ich finde, wer Zeit hat, zum Anwalt zu gehen und über Monate Klagen vorzubereiten, der hätte auch genauso viel Zeit gehabt, Unterschriften zu sammeln.

In meinem Wahlkreis gibt es eine Parteivertreterin, eine Parteikollegin von mir, die im Kommunalparlament tätig ist. Sie hat es trotz der Pandemie geschafft, für eine Weihnachtsbeleuchtung Tausende Türen abzuklappern; sie hat es mit ihren Kolleginnen und Kollegen geschafft, für ein Freibad Hunderte und Tausende Unterschriften zu sammeln.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine tolle Kollegin!)

Deshalb haben wir hier unser Bedenken und unser Befremden angemeldet; aber wir sind für eine Vielfältigkeit der Parteienlandschaft und wollen keiner Partei die Chance nehmen, bei der Bundestagswahl mit uns in den Wettbewerb zu treten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Özdemir.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, das haben wir schon mal geschafft! – Gegenruf des Abg. Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Ich hab’s gehört!)

– Ja, ich auch.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich meine, wo sie recht hat, hat sie recht! Sie hat doch nur gesagt: „Das haben wir schon mal geschafft!“)

– Entschuldigung, Frau Kollegin Haßelmann, ich kann Sie bedauerlicherweise nicht verstehen. Nein, falsch, andersrum: Ich kann Sie verstehen, aber nicht hören.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles gut!)

Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7516850
Wahlperiode 19
Sitzung 224
Tagesordnungspunkt Reform des Wahlrechts und der Parlamentsarbeit
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