22.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 224 / Tagesordnungspunkt 27

Isabel Mackensen-GeisSPD - Klimastabiler Wald

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Lage im Wald ist dramatisch und gibt Anlass zu großer Sorge. Stürme, Dürre, Schädlinge und Waldbrände haben unseren Wäldern stark zugesetzt. Die Fachleute gehen derzeit von einer Schadholzmenge von 171 Millionen Kubikmetern aus. Wir stehen aktuell vor der Herausforderung, mehr als die Flächengröße des Saarlandes, nämlich circa 285 000 Hektar, wieder zu bewalden.

Ich komme aus Rheinland-Pfalz – ich bin Rheinland-Pfälzerin, wie die Ministerin –, aus dem waldreichsten Bundesland Deutschlands.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP])

42 Prozent der Landesfläche sind bewaldet. Zudem ist der Pfälzer Wald das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands. Allein bei uns beträgt das Schadholzaufkommen über 5 Millionen Kubikmeter, und es müssen über 14 300 Hektar aufgeforstet werden.

Wir stehen hier vor einer Jahrhundertaufgabe. Es wird sich nämlich frühestens in 50 Jahren zeigen, ob beim Waldumbau zu klimastabilen Mischwäldern die richtigen Entscheidungen getroffen wurden. Die dafür notwendigen Investitionen sind nicht nur Aufgabe der privaten Waldbesitzer, sondern im Wesentlichen auch der kommunalen Waldbesitzer und des Staates. Es gibt nämlich tatsächlich auch kommunale Waldbesitzer; darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Durch die Holzerlöse konnte die Aufforstung bisher ohne Probleme finanziert werden. Der Holzpreisverfall und der notwendige Wandel vom gewinnbringenden Nadelholz zu aktuell noch weniger nachgefragtem Laubholz lassen viele Waldbesitzende aber finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen. Viele tragen sich mit dem Gedanken, ihren Wald zu veräußern.

Ich kann das gut nachvollziehen. Ich bin Gemeinderätin in meinem Heimatort Niederkirchen. Wir haben 800 Hektar Wald, und wir haben die Abgabe an den Forstzweckverband im aktuellen Haushalt vervierfachen müssen. Früher haben wir 10 000 Euro gezahlt, jetzt haben wir eine Abgabe von 40 000 Euro. Das ist für so einen kleinen Ort schon eine Menge Holz – im wahrsten Sinne des Wortes. Deshalb kann ich sehr gut nachvollziehen, was das für die anderen Waldbesitzenden bedeutet.

Es stellt sich nun also die Frage, wie wir aus diesem Dilemma herauskommen können. Mit etwa 1,5 Milliarden Euro haben Bund und Länder über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ und die Konjunkturhilfen schnelle und direkte Unterstützung für den Wald zur Verfügung gestellt. In Anbetracht der zeitlichen Dimension dieser Jahrhundertaufgabe sind wir davon überzeugt, dass wir eine langfristige Lösung für diese Herausforderung brauchen und die Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes hierauf die richtige Antwort ist.

Was sind Ökosystemleistungen? Wir haben gerade schon von der Klimaschutzleistung gehört, nämlich der langfristigen Speicherung von CO

Vielen Dank an die Vertreter der AGDW, der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, mit denen ich mich gestern zusammen mit meinem Kollegen Dirk Wiese bei ihrer Aktion am Brandenburger Tor fachlich austauschen konnte und die auch noch mal deutlich gemacht haben, vor welcher Herausforderung wir hier stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Der Präsident der AGDW sitzt ja auch hier.

Die biologische Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten beeinflusst ökologische Funktionen, die wiederum Voraussetzung aller Ökosystemleistungen des Waldes sind. Der Trend der Biodiversität im Wald ist stabil, wenn nicht sogar positiv. Das gilt es zu erhalten. Zusätzlich leisten unsere Wälder einen wichtigen Beitrag für den Boden- und Wasserschutz.

Es wurde angesprochen: Gerade in der aktuellen Zeit, in der Coronapandemie, suchen viele Menschen Erholung in den Wäldern. Ich selbst komme aus der Nähe des Pfälzer Waldes, vom Haardtrand, und sehe immer wieder Menschen in Autos aus Heidelberg und Mannheim, die am Wochenende zu uns kommen, um mal durchzuatmen und im Wald spazieren zu gehen. Auch das ist eine wichtige, nicht zu unterschätzende Ökosystemleistung.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Kerosin im Pfälzer Wald!)

– Es wurde gerade „Kerosin“ reingerufen; das kann ja nicht jeder hören. Das ist ein anderes Thema; darüber können wir gerne noch mal sprechen.

Wald ist aber vor allem auch ein wichtiger Arbeitgeber. Im Bereich „Wald und Holz“ arbeiten rund 1,1 Millionen Menschen. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil es Arbeitsplätze im ländlichen Raum sind.

Diese Leistungen des Waldes stehen uns allen zur freien Verfügung. Das ist der entscheidende Punkt, warum Alois Gerig und ich uns auf den Weg gemacht haben, diesen Antrag zu formulieren und heute hier zur Abstimmung zu bringen. Ich bin sehr dankbar, dass wir das in dieser Legislatur noch geschafft haben. Deshalb reden wir auch beide; bitte sehen Sie es uns nach.

Mit unserem heutigen Antrag wollen wir ein dauerhaftes Honorierungssystem etablieren. Wir wollen den Ökosystemleistungen einen Wert geben und eine langfristige Perspektive – das ist das Entscheidende – für die nachhaltige Waldbewirtschaftung schaffen. Dabei sollte sich die Honorierung an der Klimaschutzleistung des Waldes orientieren. Eine mögliche Bezugsgröße wäre der aktuelle Preis der gehandelten CO

Definierte Standards sollen der Verbesserung von Ökosystemleistungen und der Anpassung der Waldökosysteme an den Klimawandel dienen. Uns ist wichtig, dass die notwendigen Standards, die aktuell noch nicht vorliegen, sowohl vom Landwirtschaftsministerium als auch vom Umweltministerium erarbeitet werden. Wir haben beide mit ins Boot genommen. Ich glaube, das ist eine sehr sinnvolle Sache.

(Beifall bei der SPD)

Es geht hier nicht um eine Beihilfe, wie das vielleicht bei manchen Beiträgen angeklungen sein könnte, sondern um die Honorierung tatsächlich erbrachter Leistungen. Das ist uns ganz wichtig, und das unterscheidet uns auch von dem Antrag der FDP, der heute auch vorliegt.

Die FDP fokussiert in ihrem Antrag nämlich nur die CO

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt keine Forderungen für Mindeststandards bei der Bewirtschaftung als Voraussetzung für die Honorierung. Damit verpasst es die FDP leider, die Lenkungswirkung zu nutzen, die der Bund und die Länder mit solch einem Honorierungssystem beeinflussen können.

(Zurufe von der FDP)

Der Antrag wird der Komplexität des Themas leider nicht gerecht, und deshalb lehnen wir den Antrag ab.

Für die SPD-Bundestagsfraktion steht ganz klar fest: Eine nachhaltige Bewirtschaftung und der Waldumbau zu naturnahen und klimastabilen Mischwäldern müssen die Voraussetzungen sein, um eine Honorierungsleistung zu erhalten, ganz nach dem Motto „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sprechen wir uns auch ganz klar gegen eine reine Flächenprämie aus. Ich bin dankbar, dass ich das hier, an dieser Stelle, jetzt auch noch mal deutlich sagen konnte.

Wichtig ist aber natürlich auch, dass wir als Regierung weiterhin die Waldstrategie 2050 in den Blick nehmen. Die Honorierung der Ökosystemleistungen ist ein wichtiger Bestandteil der Zukunftsfragen in der Forstwirtschaft, und deshalb brauchen wir auch eine Zukunftsstrategie.

Seit Monaten warten wir leider auf die Waldstrategie 2050 aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Vor über einem Jahr hat der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik die Stellungnahme „Eckpunkte der Waldstrategie 2050“ vorgelegt. Die Länder und Verbände wurde bereits angehört. Jetzt wäre es langsam an der Zeit; denn ein weiteres Aufschieben ist gerade in Anbetracht der dramatischen Lage nicht akzeptabel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es braucht ein kohärentes Bild der zukünftigen Forstwirtschaft und eine klare Zielvorstellung. Es gilt, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen. Wir müssen unseren Wald für zukünftige Generationen erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Karlheinz Busen [FDP]: Da nützen eure Umfragewerte auch nichts mehr!)

Wir brauchen anpassungsfähige und klimaresiliente Mischwälder, und wir müssen auf naturnahe und standortangepasste Baumarten setzen.

Es ist Zeit, zu handeln. Wir als SPD-Bundestagsfraktion werden alle Waldbesitzenden aktiv dabei unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollegin Mackensen. – Die Kollegin Dr. Tackmann und die Kollegen Busen, Krischer und Auernhammer sind so freundlich, ihre Reden zu Protokoll zu geben

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7517040
Wahlperiode 19
Sitzung 224
Tagesordnungspunkt Klimastabiler Wald
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