Aydan ÖzoğuzSPD - Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht nur vorweg: Der größte Teil dieses Hauses beschäftigt sich mit jedem Extremismus in diesem Land und findet auch jeden Extremismus furchtbar und auch verfolgenswert. Aber solange die AfD es nicht schafft, über Rechtsextremismus zu sprechen, bleibt sie unglaubwürdig – auch wieder bei dieser Rede, Herr Braun.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit dem Bericht, der vorgelegt wurde, schauen wir erneut auf den weltweiten Zustand des Grundrechts Religionsfreiheit. Es geht um das Recht jedes Individuums, selbst zu entscheiden, einer Religion oder einer Weltanschauung zu folgen oder eben auch nicht und – besonders wichtig; dies wird in diesem Bericht ja auch untersucht – einer Religion nicht mehr zugehörig sein zu wollen oder einer anderen zu folgen, ohne dadurch Unterdrückung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Auch das gehört eben zum Recht Religionsfreiheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])
Laut Bericht fühlen sich rund 6 Milliarden Menschen auf dieser Welt offenbar einer Religion zugehörig; das ist eine hohe Zahl. Bei der Anhörung im Menschenrechtsausschuss letzte Woche beschrieb der Pfarrer und Kirchenrechtler Dr. Patrick Roger Schnabel zu Recht, dass der Religionsfreiheit historisch eine Schlüsselstellung für die Entwicklung von Grund- und Menschenrechten zukomme. Bis heute sei sie ein – Zitat – „Gradmesser für die Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit eines Gemeinwesens“.
(Beifall des Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU])
Aber – und das macht diesen Bericht und die Arbeit von Herrn Grübel und auch unserer Menschenrechtsbeauftragten Frau Kofler so wichtig –: Ein großer Teil der Menschen, die sich einer Religion oder Weltanschauung zugehörig fühlen, ist im Recht auf freie Religionswahl oder ‑ausübung eingeschränkt. Ein Beispiel ist eben – das hat Herr Gröhe angesprochen –, dass der Bericht untersucht, dass es Blasphemie- und Antikonversionsgesetze gibt, die eine freie Religionswahl oder ‑ausübung gar nicht erst möglich machen. Sich mit diesen zu befassen, ist ein wichtiger Bestandteil der Menschenrechtspolitik.
Gesetze, die eine Abkehr von Religion unter Strafe stellen, bewirken ja hauptsächlich eins: dass Menschen so tun müssen, als wären sie Teil einer Religionsgemeinschaft, der sie sich faktisch aber gar nicht zugehörig fühlen. Deshalb möchte ich hier unterstreichen: Zwang im Glauben oder Zwang zum Glauben widerspricht dem Recht auf Religionsfreiheit in höchstem Maße.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Zaklin Nastic [DIE LINKE])
Eine Kritik, die von mehreren Experten in der Anhörung genannt wurde und die ich teile, möchte ich hier auch nennen: Es wäre wichtig, die Religionsfreiheit auch bei uns in Deutschland und in europäischen Ländern zu betrachten und zu beschreiben. Denn zwei Themen, die im Bericht exemplarisch behandelt werden, dürften ja mittlerweile auch bei uns durchaus eine größere Rolle spielen, und zwar religions- und gruppenbezogene Onlinehassrede in sozialen Medien und die Diskussion um staatliche Bildungssektoren, wobei es sowohl um den Zugang als auch die Qualität und Inhalte von Bildungsangeboten geht.
Beim Punkt der antireligiösen Hassrede im Netz sollte jeder und jede, die mal einen Fuß in diese politischen Bereiche sozialer Medien gesetzt hat, die Relevanz für Deutschland eigentlich auch nachvollziehen können. Das dürfte wohl auch für unsere europäischen Nachbarländer gelten. Besonders häufig scheint dies Frauen zu treffen, die Einwanderungsgeschichten haben, mit Bezug eben zu solchen Ländern, die mehrheitlich mit dem Islam assoziiert werden. Unabhängig davon, wie religiös sie selbst überhaupt sind oder sein wollen, werden ihnen alle möglichen vulgären Ausdrücke und frauenverachtenden Begriffe in Kombination mit Verweisen auf ihre vermeintliche Religion zugeschickt. Das wird insbesondere damit gerechtfertigt, dass Muslime anderswo auf der Welt schließlich auch brutal mit Gläubigen anderer Religionen umgingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht überhaupt nicht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Hier wird das Recht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit sehr perfide unterlaufen. Denn es wird eine Unterteilung zwischen per se guten und bösen Religionen konstruiert, und es werden dem Einzelnen alle Missbräuche und Taten anderer zugeschrieben, die sich ebenfalls als Anhänger dieser Religion ausgeben.
Ich möchte hier nicht missverstanden werden: Jede Religion kann kritisiert werden, kann abgelehnt werden; das ist ja selbstverständlich. Aber es darf eben keine Sippenhaft geben für Morde, Gräueltaten oder sonstige Taten eines anderen Individuums mit der vermeintlich gleichen Religion. Genau das ist das Recht, für sich selbst eine Religion auszuwählen, die man friedlich und im Einklang mit dem Grundgesetz leben möchte.
(Beifall bei der SPD)
Und es ist ein wichtiges Menschenrecht, eben nicht dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn andere im Namen einer Religion gegen Gesetze verstoßen oder Gräueltaten begehen. Das ist nun leider in vielen Ländern – und auch zunehmend bei uns – vor allem in sozialen Netzwerken inzwischen keine Selbstverständlichkeit.
Damit komme ich noch mal zu einem Land, das uns große Sorgen machen muss und das wir meines Erachtens leider gar nicht überschätzen können in seiner Bereitschaft, Menschenrechte komplett zu ignorieren. Die Entwicklungen in China sind dramatisch. Nicht ohne Grund haben wir diesem Beispiel auch in unserer Entschließung sehr viel Raum eingeräumt. Es geht um mannigfaltige Formen religiöser Diskriminierung und Verfolgung, darunter übrigens auch 80 Millionen Christen gegenüber, die in China leben. Wir haben furchtbare, erschütternde Berichte über die dramatische Situation der Uiguren im Menschenrechtsausschuss gehört und werden uns in Kürze auch in Form einer Anhörung damit befassen. Umerziehungslager im 21. Jahrhundert für Minderheitengruppen, deren Religion man keinen Raum lassen möchte, sind eine dramatische menschenfeindliche Entwicklung und sollten eine größere Beachtung erhalten, als dies zurzeit der Fall ist.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Zu guter Letzt noch ein letzter Satz: Mit den deutlichen Worten, die unsere Entschließung zum Bericht beinhaltet, hoffe ich, dass Veränderungen auch in der Außenpolitik und in der Menschenrechtspolitik erzielt werden können. Jeder noch so schwierige Fall von Verletzung der Religionsfreiheit ist es wert, beachtet, benannt und, wenn irgendwie möglich, auch behoben zu werden. Der Bericht der Bundesregierung liefert hierfür einen wichtigen Beitrag. Herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Aydan Özoğuz. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Peter Heidt.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7517093 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit |