23.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 35

Michael SchrodiSPD - Familienpolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zum Familiensplitting vorzulegen. Die AfD ist also nicht einmal selbst in der Lage, den Quatsch, den sie fordert, in einem Gesetzentwurf niederzuschreiben. – So viel zur Inkompetenz der AfD-Fraktion an dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie wollen zurück zu einer überkommenen völkischen Gesellschaftsordnung aus dem letzten Jahrtausend.

(Widerspruch bei der AfD)

Das sieht man auch in Ihrem Grundsatzprogramm, in dem Sie von einer „Schrumpfung unserer angestammten Bevölkerung“ und einem „Trend zur Selbstabschaffung“ Deutschlands fabulieren. Deshalb sei, so steht es bei Ihnen, der „Erhalt des eigenen Staatsvolks … vorrangige Aufgabe der Politik“.

(Martin Reichardt [AfD]: Richtig! Ganz genau richtig!)

Es geht Ihnen also nicht um Familienpolitik, um das Wohl der Kinder; es geht Ihnen um Ihre krude Ideologie, um Ihre krude Bevölkerungspolitik. Deshalb lehnen wir die Anträge natürlich ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Darin geht auch um die Rolle der Frau. Sie soll möglichst viele Kinder kriegen und so für hohe Reproduktionszahlen sorgen. Es fehlt nur noch die Forderung nach dem Mutterkreuz. Vor diesem Ihrem ideologischen Hintergrund sind die Anträge zu betrachten.

Die Anträge bedeuten übrigens auch eine massive Umverteilung von unten nach oben. Sie schreiben, Sie wollen das Ehegattensplitting beibehalten, und fordern eine Erweiterung um ein Familiensplitting. Der Effekt bleibt gleich: Gefördert wird die Rollenverteilung mit der Frau, die als Mutter zu Hause bleibt, und dem Vater als Alleinverdiener.

(Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch totaler Quatsch!)

Das führt zu einer Verstärkung der Ungleichheit, schafft falsche Anreize, bedeutet beispielsweise auch geringere Nettoansprüche für die Frauen in der Rente. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden wir natürlich nicht mitmachen. Wir brauchen dieses Familiensplitting nicht, und wir müssen natürlich auch an das Ehegattensplitting in der jetzigen Form ran.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer profitiert eigentlich von Ihren Plänen? Sie schreiben und haben vorhin gesagt, sie wollen die Mittelschicht entlasten. Das ist falsch, das tun Sie nicht. Sie schreiben, dass „Familien ab dem dritten Kind bis zu einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro keine oder nur noch eine geringe Einkommensteuer zahlen“ sollen. Wenn man Ihrem Familienmodell folgt, bleibt die Frau zu Hause und verdient nichts, und der Vater geht zur Arbeit.

(Martin Reichardt [AfD]: Das hat überhaupt niemand gesagt, dass die Frau zu Hause bleibt! Das steht da überhaupt nicht!)

Sie nennen ein Jahreseinkommen von 100 000 Euro. Das heißt, Sie wollen die absoluten Spitzenverdiener, die 5 Prozent mit dem höchsten Einkommen in unserem Land, vollständig von der Einkommensteuer entlasten, während Sie die 20 Prozent Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den niedrigsten Einkommen überhaupt nicht entlasten; denn die zahlen gar keine Steuern. Das ist eine massive Umverteilung von unten nach oben. Sie haben ein großes Herz für Spitzenverdiener, aber nicht für die Mitte der Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Das ist alles Quatsch!)

Diese Umverteilung würde – das steht in der Begründung des Antrags, Frau Tillmann – sogar bis zu 67 Milliarden Euro jährlich kosten. Das ist ein hoher Anteil eines Bundeshaushalts in normalen Zeiten, 15 bis 20 Prozent davon, allein für diese Maßnahme.

(Martin Reichardt [AfD]: Was kostet denn der Klimaschutz? Für den haben Sie alles Geld der Welt!)

Was gibt es an Vorschlägen zur Gegenfinanzierung? Nichts! Im Gegenteil: Sie stellen sich hier noch hin und fordern, dass wir dies und jenes auch noch abschaffen müssen, zum Beispiel den Soli für alle. 10 Milliarden Euro noch mal für die absoluten Spitzenverdiener! Auch das zeigt deutlich, auf wessen Seite Sie tatsächlich stehen.

Bei allen Ihren Streichorgien und bei allen Kosten, die Sie verursachen, beantworten Sie übrigens keine der Fragen, wer dann die Kindergärten zahlt, die Schulen, Straße und Schiene, Krankenhäuser, bezahlbare Wohnungen. Darauf geben Sie keine Antwort. Sie sind politische Geisterfahrer und mit den Forderungen, die Sie hier stellen, nicht ernst zu nehmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wie sieht dann gute, moderne, gerechte Familienpolitik aus? Ziel unserer Politik ist es, allen Menschen ein freies, ein gutes, ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, auch den Familien in ihrer Vielfalt ein gutes Leben zu ermöglichen. Dazu haben wir einiges auf den Weg gebracht, das Gute-KiTa-Gesetz zum Beispiel, das gute, kostenlose Kitaplätze vorsieht, die die Familien brauchen. Wir brauchen auch für die Menschen mehr Tarifbindung und ordentliche Löhne. Das brauchen wir für Familien.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen auch das Kindergeld, und das haben wir erhöht.

(Martin Reichardt [AfD]: Um 5 Euro!)

Wir haben übrigens jetzt zweimal in der Pandemie einen Kinderbonus auf den Weg gebracht, von dem genau bei den Bezieher der unteren und mittleren Einkommen am meisten ankommt.

Aber wir brauchen auch – das sage ich deutlich, und das wollen wir auch – eine Kindergrundsicherung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Denn bisher ist es so, dass über den Kinderfreibetrag diejenigen mit den höchsten Einkommen bis zu 100 Euro mehr im Monat zur Verfügung haben als diejenigen, die nur Kindergeld erhalten. Wir wollen das umdrehen.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Wir wollen, dass das Geld bei denen ankommt, die es wirklich brauchen: bei den Beziehern der unteren und mittleren Einkommen. Das ist über den Kinderfreibetrag nicht gewährleistet, –

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

– sondern nur über eine Kindergrundsicherung. Die wollen wir in der nächsten Legislaturperiode. Das ist gute Familienpolitik, und die werden wir auch in Zukunft machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schrodi. – Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7517108
Wahlperiode 19
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Familienpolitik
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