Wiebke EsdarSPD - Familienpolitik
Ich muss mich bei einer Vorrede in der Form von der AfD immer schütteln.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Guter Anfang!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Mit ihrem Antrag zum Familiensplitting und so, wie er eingebracht wurde, nimmt uns die AfD eigentlich mit auf Zeitreise. Sie versetzt uns um mehr als 60 Jahre zurück in eine Zeit, als Frauen und Männer noch nicht gleichberechtigt waren. Dass wir uns aber im Jahr 2021 befinden und das Bild der Frau hinterm Herd nicht mehr das aktuelle Bild in der Gesellschaft ist, hat die AfD entweder verpasst oder sie wünscht es sich anders.
(Beifall bei der SPD)
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, heißt es dank zweier Sozialdemokratinnen seit 1949 in unserem Grundgesetz. Eine der vier Mütter des Grundgesetzes war Frieda Nadig, eine meiner Vorgängerinnen im damaligen Wahlkreis Bielefeld-Stadt. Ich kann ehrlich sagen: Ich bin stolz darauf, dass sich die SPD seit jeher für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt.
(Beifall bei der SPD)
Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe. Darum muss sie auch in der Finanzpolitik Berücksichtigung finden. Das geltende Steuerrecht bildet die gesellschaftliche Realität in dieser Hinsicht leider immer noch nicht ganz ab, sondern hinkt hinterher. Wir als SPD wollen dem männlichen, ungerechten, aber auch volkswirtschaftlich nachteiligen Einverdienermodell den Rücken kehren und machen uns darum stark für eine progressive Steuerpolitik mit einem Familientarif, der eine steuerliche Besserstellung für die allermeisten Familien garantiert, aber eben ohne alte Rollenbilder zu verfestigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Die AfD hingegen – das sehen wir in den Reden, das finden wir auf der Homepage, das sehen wir in diesen Anträgen – zeigt wieder einmal, dass sie ausgrenzende, diskriminierende und frauenfeindliche Politik machen will mit ebendiesem längst überholten Familienbild. Sie vertritt einen veralteten und diskriminierenden Familienbegriff. Auf der Homepage beispielsweise fordern Sie dazu auf, dass sich die Familienpolitik am Bild der Vater-Mutter-Kind-Konstellation orientieren soll. Diese Forderung schließt nicht nur Ihre eigene Fraktionsvorsitzende aus, sondern diskriminiert auch mehr als 50 000 Menschen, die allein 2019 in einer gleichgeschlechtlichen Ehe gelebt haben.
(Martin Reichardt [AfD]: Unsinn! Ist doch alles Quatsch!)
Ihre Politik ist darum auch an dieser Stelle hochgradig diskriminierend.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Was zudem unbeachtet bleibt, ist der Zugang von Frauen zur sozialen Absicherung. Nach Ihrer Vorstellung sollen die Frauen den Tag über zu Hause bleiben, sich um die Kinder kümmern, am Herd bleiben, und der Mann verdient das große Geld.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wer sagt denn das? Niemand! – Martin Reichardt [AfD]: Können Sie mal etwas anderes wiederholen als Ihre Phrasen?)
Laut dem Bild in Ihren Köpfen stand in den 1950er-Jahren ein Großteil der Frauen stumm in der Küche, aber ich muss Sie enttäuschen: Unsere Stimmen sind laut. Wir Frauen haben uns die Gleichberechtigung erkämpft und werden kein einziges winziges Stück davon wieder abgeben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Meine Frau arbeitet auch!)
Beim altmodischen Familienbild der AfD und auch beim Familiensplitting, wie Sie es vorschlagen, fehlt die partnerschaftliche Arbeitsteilung auf ganzer Linie. Die SPD aber steht für ein auf Partnerschaftlichkeit ausgerichtetes Steuerrecht. Familie ist dort – das haben zum Glück auch einige Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt –, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Wir wollen einen Familientarif für neu geschlossene Ehen einführen. Wir wollen damit ermöglichen, dass es einen Übertrag von Einkommensanteilen an die Ehepartner untereinander gibt. Durch die Kindergrundsicherung werden die Familien wesentlich besser gestellt.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Der SPD sind die Familien egal!)
Für bereits geschlossene Ehen wollen wir die Wahl zwischen der derzeitigen Regelung und dem neuen System ermöglichen. Es ist an der Zeit, es ist notwendig, das Ehegattensplitting abzulösen, damit wir zu einer gleichberechtigten Familienpolitik kommen, damit wir eine zeitgemäße, progressive Steuerpolitik haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich möchte mich aber auch bei Madita Lachetta bedanken, die gerade bei mir ein FSJ absolviert und die mich tatkräftig bei der Vorbereitung dieser Rede unterstützt hat. Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren: Wir haben junge starke Frauen, die uns nachfolgen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Haben wir auch!)
Darum müssen wir überhaupt nicht bangen, dass dieser Schwachsinn, der von der AfD kommt, irgendwann umgesetzt wird.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Esdar. – Als Nächster ergreift das Wort der Kollege Grigorios Aggelidis, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7517113 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Familienpolitik |