23.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 225 / Zusatzpunkt 17

Peter WeißCDU/CSU - Arbeitsmarkt Ost

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Frage beantworten will, wenn die Regierungszeit von Angela Merkel im Herbst dieses Jahres zu Ende geht, was sich denn in unserem wiedervereinigten Land verändert hat, dann schlage ich vor, doch einfach darauf zu schauen: Wie reagieren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger?

(Zuruf von der AfD: Das konnten Sie am Mittwoch sehen!)

Das ist die entscheidende Frage, nicht irgendwelche Zahlen.

Und der Punkt ist: Seit der Wiedervereinigung haben wir erlebt, dass eine große Zahl von Mitbürgerinnen und Mitbürgern aus den neuen Bundesländern in die westlichen Bundesländer abgewandert ist, auch wegen guter Löhne und guter Arbeit.

Die jüngste Nachricht ist: Diese Wanderungsbewegung ist zum Stillstand gekommen. Ja, in den Jahren 2017 bis 2019 hatten erstmals die östlichen Bundesländer sogar einen Wanderungsgewinn. Es sind also mehr Bürgerinnen und Bürger aus dem Westen Richtung Osten als aus Richtung Osten nach Westen gewandert. Ich finde, es gibt keinen besseren Beweis dafür, dass die neuen Bundesländer attraktive Bundesländer sind. Die Menschen stimmen mit den Füßen ab, und sie zeigen: Abwanderung von Ost nach West gibt es nicht mehr. Nein, vielmehr ist es mittlerweile umgekehrt, eher geht es von West nach Ost.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Das sind Rentner, die zurückkehren! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Die Rentner kommen zurück!)

Und vor allem beobachte ich es auch bei jungen Leuten. Ich kann es nur aus dem persönlichen Umfeld sagen: Für viele junge Leute ist Studieren an einer der Universitäten und Hochschulen der neuen Bundesländer attraktiver als im Westen. Auch das ist ein toller Ausweis für den hohen Stand der Wissenschaft in den neuen Bundesländern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Nun beschäftigen uns in diesen Tagen ganz besonders die Herausforderungen durch die Coronapandemie und die Auswirkungen der starken Einschnitte, die wir vornehmen mussten, um diese Pandemie einzudämmen. Ein Thema, das mich besonders beschäftigt, ist: Werden wir es schaffen, dass die jungen Leute, die in diesem Jahr einen Schulabschluss machen, tatsächlich im Herbst dieses Jahres in einer Ausbildung landen? Ein schwieriges Thema.

Leider beobachten wir, dass das Angebot an Ausbildungsplätzen coronabedingt bundesweit zurückgeht. Es gibt zwei Bundesländer, die eine Ausnahme bilden. Diese beiden Bundesländer heißen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort steigt das Angebot an Ausbildungsplätzen – also nicht im Westen, sondern, in alter Sprache, im Osten.

Wenn man danach fragt, ob sich eigentlich ein ostdeutsches Bundesland unter den Ländern mit dem höchsten Rückgang an Ausbildungsplätzen befindet, stellt man fest, dass man darunter nur westdeutsche Bundesländer und kein einziges ostdeutsches findet. Auch das ist ein untrügliches Zeichen: Ja, die Coronapandemie macht uns zu schaffen; aber offensichtlich gibt es Bundesländer wie Brandenburg und Sachsen-Anhalt, wo es umgekehrt läuft.

Ein weiteres Thema ist die Kurzarbeit, die wir Gott sei Dank einsetzen können. Wir haben den höchsten Stand an Kurzarbeit in den beiden Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Wir haben den geringsten Stand an Kurzarbeit wiederum in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Auch bei der Nutzung von Kurzarbeit sieht man: Nicht im Osten,

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Es ist ja keine Industrie da!)

sondern im Westen gibt es gravierende Auswirkungen. Es ist so. Deswegen muss ich es Ihnen vortragen. Man muss alle Zahlen angucken.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Wo keine Industrie ist, gibt es auch keine Kurzarbeit!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arbeitslosigkeit war für die neuen Bundesländer lange ein Topthema wegen des Strukturwandels und der Veränderungen.

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Darum geht es doch gar nicht! Wir regieren da doch teilweise! Es geht um Löhne gerade!)

Welches sind heute die fünf Arbeitsamtsbezirke mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Deutschland? Ich lese sie Ihnen vor:

(Zuruf von der LINKEN: Gucken Sie mal nach der Langzeitarbeitslosigkeit!)

Es sind Gelsenkirchen, Bremerhaven, Duisburg, Wilhelmshaven und Hagen. Das sind die fünf.

(René Springer [AfD]: Dank Ihrer Zuwanderungspolitik!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Erdkundeunterricht in der Schule ist schon lange her, das gebe ich gerne zu. Aber meines Erachtens liegen diese fünf Arbeitsamtsbezirke nicht in den neuen Bundesländern, sondern irgendwo anders. Das zeigt: Das Thema Arbeitslosigkeit ist heute kein Ost-West-Thema mehr; es ist ein Thema, das uns überall in Deutschland beschäftigt. Leider liegen alle fünf Topbezirke bei der Arbeitslosigkeit im Westen und nicht im Osten.

(Zuruf von der LINKEN)

Das zeigt, was sich in unserem Land verändert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollege Weiß, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Zimmermann?

Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Weiß, dass Sie die Frage zulassen. Zuerst einmal muss ich Ihnen Folgendes erklären: Wenn wir im industriellen Bereich Kurzarbeit und eine hohe Zahl an Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeitern haben, dann zeigt das, dass wir in den Regionen ein hohes industrielles Potenzial haben. Für die Regionen, wo keine Kurzarbeit stattfindet, kann man schon ableiten, dass dort kein hohes industrielles Potenzial ist.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wenn Sie das an der Arbeitslosigkeit festmachen, dann schauen Sie sich bitte die Zahlen zur Langzeitarbeitslosigkeit an! Die Langzeitarbeitslosigkeit ist im Osten doppelt so hoch wie im Westen. Das ist ein Indiz dafür, dass dort viele Menschen schon Jahrzehnte langzeitarbeitslos sind. Das haben Sie in den letzten Jahren komplett ignoriert.

Verehrte Frau Kollegin Zimmermann, es ist natürlich richtig, dass im industriellen Bereich Kurzarbeit stärker genutzt wird als im Dienstleistungsgewerbe. Es ist nur in dieser Krise anders. Die Hauptbetroffenen von Kurzarbeit sind derzeit der Einzelhandel und die Gastronomie

(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Das stimmt!)

und nicht das produzierende Gewerbe; das haben Sie leider übersehen. Das ist so.

(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Der gewerbliche Bereich!)

Frau Zimmermann, nicht mit alten Thesen kommen, sondern sich die Realität heute anschauen! Das würde ich Ihnen dringend raten.

Jetzt zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit. Ja, wir haben leider immer noch einen hohen Bestand an Langzeitarbeitslosen. Deswegen hat diese Koalition mit Milliarden, die wir zusätzlich in den Haushalt eingestellt haben, mit den beiden Instrumenten in §§ 16i und 16e SGB II, also mit längerfristigen, mehrere Jahre laufenden Lohnkostenzuschüssen für Langzeitarbeitslose, begonnen, deren Chancen auf Arbeitsmarktintegration zu erhöhen. Ich freue mich, dass die Jobcenter in den neuen Bundesländern diese Möglichkeit auch intensiv nutzen. Ja, wir haben endlich mal angefangen, auch für die, die sehr lange Zeit arbeitslos sind, Instrumentarien zu entwickeln, die helfen. Gott sei Dank helfen sie. Ich freue mich, wenn wir im Osten wie in allen Bundesländern Langzeitarbeitslosen eine neue Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man sich die Entwicklungen in unserem Land anschaut, dann kann man, glaube ich, Folgendes sagen. Wir haben heute nicht mehr das Thema „Bist du Ost oder West?“, sondern wir haben unterschiedliche Auswirkungen der wirtschaftlichen Entwicklung und des Strukturwandels in unterschiedlichen Regionen unseres Landes. Diejenigen, die den Strukturwandel durch Innovation, durch neue Technologien und dadurch, dass sie auch die Digitalisierung nutzen, nach vorne bringen, werden die Gewinner der Zukunft sein.

Deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die eigentlich zentrale Frage, vor der wir politisch stehen: Wie wollen wir aus dem wirtschaftlichen Einbruch infolge der Coronapandemie herauskommen? Das geht nur durch eine gemeinsame Politik in Ost und West, in Nord und Süd in unserem Land, die auf wirtschaftlichen Wiederaufschwung setzt, die dafür sorgt, dass die neuen Technologien, die neuen Möglichkeiten der Arbeitswelt für die Zukunft genutzt werden, damit die Mitbürgerinnen und Mitbürger, damit vor allen Dingen junge Leute überall in Deutschland eine berufliche Zukunft und eine Chance haben. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen uns: Ja, diese Möglichkeit haben wir. – Wir müssen sie nur zielgerichtet nutzen, statt Reden aus alten Zeiten zu halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Abgeordnete René Springer für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7517147
Wahlperiode 19
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Arbeitsmarkt Ost
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