23.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 225 / Tagesordnungspunkt 39

Thomas HackerFDP - Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist der Brexit ernüchternde Realität in unserem vereinten Europa. Seit 112 Tagen spüren wir die klaffende Lücke, die der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union hinterlassen hat. An diese neue Realität in Europa müssen wir uns erst noch gewöhnen, und – anders als bei den Kollegen der AfD – uns fällt dies schwer.

Zäheste Verhandlungen, unzählige Abstimmungen und das notorische Überschreiten von Deadlines haben allzu oft Zweifel daran geweckt, ob der politische Wille zu diesem Abkommen auf der britischen Seite überhaupt vorhanden ist. Mit einer Last-Minute-Entscheidung pünktlich zum Heiligen Abend konnte das Schlimmste vielleicht noch verhindert werden. Das war die gute Nachricht am Ende des letzten Jahres. Trotzdem: Solche Brechstangenentscheidungen dürfen sich auf keinen Fall wiederholen.

Wir Freie Demokraten, liebe Mitglieder der Großen Koalition, missbilligen ausdrücklich die durch die Verhandlungsführung von Boris Johnson immer wieder erfolgte Brüskierung des Europäischen Parlaments.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Markus Töns [SPD])

Jedem war doch klar, dass eine sorgfältige Prüfung und Befassung eines so folgenschweren 1 246 Seiten langen Vertrages durch das Europäische Parlament an den sieben Tagen zwischen Heiligabend und Silvester nicht möglich ist. Diese Klarstellung vermissen wir aber im Antrag der Koalition.

Die Anhörung im Europaausschuss hat die großen Defizite des Vertrags offengelegt. Das Fazit der Verfassungsrechtler? Fatal. Das Fazit der Wirtschaft: Naja, der Vertrag ist besser als gar kein Vertrag. – Ja, es gibt keine tarifären Hemmnisse beim Handel zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich und das Level Playing Field bleibt gewahrt. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten des Kanals bleibt durch die Kooperation im Bereich der inneren Sicherheit gewährleistet. Die 2019 beschlossene Einigung zum Austrittsabkommen garantiert die Freiheiten und Sicherheiten der Menschen, die sich vor dem Brexit darauf verlassen haben. Aber: Das Abkommen entspricht mehr einer Minimallösung. Zu viel ist offengeblieben: Wie sieht es mit der zukünftigen Zusammenarbeit in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aus? Binationale Lösungen, die Herr Maas verhandelt, können die intensive Zusammenarbeit von EU und VK nicht ersetzen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dass solche Verhandlungen offenbar schon begonnen hatten, als Michel Barnier noch für die gesamte EU verhandelt hat, empfinden wir als Skandal.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absolut!)

Kaum hat das Vereinigte Königreich die EU verlassen, wallen die Spannungen in Nordirland wieder auf. Wir müssen alles tun, damit wir diesen, wenn auch fragilen Frieden wahren können und vernünftige Lösungen für Nordirland finden.

Und: Wie wollen wir auf beiden Seiten des Ärmelkanals im generationenübergreifenden Dialog bleiben, wenn die junge Generation von Britinnen und Briten durch den Austritt aus Erasmus+ zu den größten Verlierern des Brexit gehört?

(Beifall bei der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr wahr!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem in den letzten Jahren in unseren Beziehungen zu Großbritannien vor allem das Trennende betont wurde, müssen wir in den nächsten Jahren das Verbindende herausarbeiten, das Gemeinsame herausstellen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschen zueinander finden, dass die junge Generation den Wert des geeinten Europas erfährt und erkennt. Wenn uns das gelingt – letzter Satz, Frau Präsidentin –, können wir vielleicht eines fernen Tages wieder über das sprechen, was sich die meisten zumindest von uns wünschen: eine erneute Annährung des Vereinigten Königreichs an die Europäische Union, vielleicht auch über einen Beitritt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Dr. Diether Dehm für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7517169
Wahlperiode 19
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien
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