Michael Roth - Bundeswehreinsatz EUTM Mali
Frau Präsidentin! Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit wir zuletzt im Mai vergangenen Jahres im Deutschen Bundestag über die Ausbildungsmission EUTM Mali debattiert haben, sind die Instabilität in der Sahelregion und die davon ausgehenden Bedrohungen für die Region und für Europa zu Recht noch mehr ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit gerückt. Die Staaten der Region und ihre internationalen Partnerinnen und Partner, die sich in der Sahel-Koalition zusammengeschlossen haben, haben in der Folge die Strukturen ihrer Zusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt und entsprechend angepasst.
Wir sind uns mit unseren Partnerinnen und Partnern einig: Die Krisen und Konflikte in der Region können nur dann nachhaltig bewältigt werden, wenn wir mithilfe zivilen Engagements die tiefer liegenden Konfliktursachen gezielt angehen. Im Kreis der Sahel-Koalition ist vereinbart, mit großer Kraft einen zivilen Schub zu bewirken.
(Beifall bei der SPD)
So wollen wir die staatliche Präsenz und die Daseinsvorsorge in der Fläche stärken sowie wirtschaftliche und soziale Perspektiven für die Bevölkerung schaffen. Worum geht es? Ganz einfach: um Jobs, Wohnungen, sauberes Wasser, Gesundheitsversorgung. Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieses Leitbild zum Maßstab für das internationale Engagement im Sahel gemacht wird. Der zivile Schub ist deshalb ein zentraler Leitgedanke der neuen EU-Sahel-Strategie, die am Montag durch die Außenministerinnen und Außenminister der EU verabschiedet wurde. Und er ist selbstverständlich auch ein Leitmotiv des Strategiepapiers der Bundesregierung, das die vielfältigen zivilen Elemente unseres Engagements in der Sahelregion ausführlich darstellt. Menschen schützen, Staaten stärken und so vor Ort eine Entwicklungsperspektive für die Bevölkerung schaffen, das sind die Ziele unseres Engagements im Sahel.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir ziemlich sicher, dass das wahrscheinlich von sehr vielen Fraktionen geteilt wird. Jetzt wird es schwieriger; jetzt kommen wir zu dem Punkt, in dem wir vermutlich nicht mehr übereinstimmen, der Frage des Einsatzes des Militärs. Entwicklung braucht Sicherheit. Ohne ein hinreichendes Maß an Sicherheit sind zivile Projekte gar nicht erst möglich. Militärisches und ziviles Engagement sind eben keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])
Und genau deshalb wird die Bundeswehr in der Sahelregion weiterhin gebraucht.
Die Zahlen und die Ereignisse, gerade des vergangenen Jahres, sprechen leider für sich. Im vergangenen Jahr haben durch Überfälle und gewaltsame Angriffe von Dschihadisten und lokalen Milizen rund 2 400 Zivilisten im Sahel ihr Leben verloren. Ihre Staaten konnten sie nicht ausreichend schützen. Deshalb ist es nun wichtig, kompetente, gut ausgebildete lokale Sicherheitskräfte aufzubauen. Diese müssen politischer Kontrolle unterliegen, Menschenrechte und Demokratie achten und von der Bevölkerung anerkannt werden. Dabei spielt EUTM Mali eine entscheidende Rolle, damit die Sahel-Staaten mittelfristig wieder Sicherheit aus eigener Kraft schaffen können. Es geht hier sozusagen um Hilfe zur Selbsthilfe.
Seit 2013 wurden im Rahmen der Ausbildungsmission inzwischen über 14 000 malische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet und militärisch beraten. Diese Mission ist nun im vergangenen Jahr angepasst worden, damit sie noch effektiver, noch nachhaltiger und sicherlich auch noch sicherer wird. Sie ist seither darauf ausgerichtet, einsatznäher auszubilden und neben Mali auch in den Nachbarstaaten Niger und Burkina Faso tätig zu sein. Mit der einsatznäheren Ausbildung können die erzielten Fortschritte – auch im Bereich der Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts – besser nachverfolgt werden. Die Ausweitung der Mission auf benachbarte Staaten stellt sicher, dass grenzüberschreitenden Bedrohungen auch grenzüberschreitend begegnet wird.
Das vergangene Jahr – das wissen wir nun alle – war besonders schwierig, nicht nur für uns in Deutschland und in Europa, sondern vor allem auch für den afrikanischen Kontinent und für diese so geschundene Region. Die Covid-19-Pandemie und der Militärputsch in Mali im August vergangenen Jahres: Diese beiden dramatischen Ereignisse haben die Umsetzung der geplanten Projekte zunächst verzögert; das muss man unumwunden zugeben. Der Putsch war eine tiefe Zäsur. Zusammen mit der internationalen Gemeinschaft, besonders aber mit der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS haben wir ihn klar verurteilt. Wir haben unsere militärische Unterstützung ausgesetzt, bis eine Übergangsregierung unter ziviler Führung eingesetzt war.
Jüngst hat die Übergangsregierung die Perspektive für eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung aufgezeigt. Am 15. April hat sie einen Fahrplan vorgestellt – endlich! – mit einem Verfassungsreferendum im Oktober 2021 sowie Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Februar und im März nächsten Jahres. Damit zeigt sie, dass sie gewillt ist, wesentliche Forderungen der ECOWAS und der internationalen Gemeinschaft weiter zu erfüllen. Genau vor diesem Hintergrund unterstützen wir auch weiter die Übergangsregierung, besonders bei den sehr wichtigen, auch schmerzhaften Reformen, die nun vor ihr liegen.
Im kommenden Mandatszeitraum wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland bei EUTM Mali besondere Verantwortung übernehmen: mit der Leitung der Mission ab Juli 2021, der Integration der deutschen Spezialkräfteausbildungsmission Gazelle in Niger in EUTM Mali und mit der Planung und Begleitung des Aufbaus eines EU-Ausbildungszentrums im zentralmalischen Sévaré. Vor diesem Hintergrund werden wir die personelle Obergrenze von 450 auf 600 deutsche Soldatinnen und Soldaten ausweiten. Darüber hat es ja auch mit den Fraktionen Diskussionen gegeben; ich finde das mehr als legitim, da wir dies immer auch prüfen müssen. Es geht um Soldatinnen und Soldaten, es geht um riskante Einsätze, und ich finde, dass wir alle – Regierung und Parlament – der Verantwortung hier auch gerecht werden müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit unserem Beitrag zu EUTM Mali senden wir auch ein wichtiges Signal an unsere europäischen Partnerinnen und Partner – denn es ist eine europäische Mission –: an Frankreich, das ich hier deutlich hervorheben möchte, das mit 5 000 Soldatinnen und Soldaten militärisch die größte Last in der Region schultert,
(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Zivilisten bombardiert!)
aber auch an andere aktive Partnerinnen und Partnern wie Spanien, Schweden und Tschechien. Auch in der Sahelregion erleben wir also gelebte europäische Teamarbeit.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sagen Sie einmal etwas zu der französischen Bombardierung!)
An der Seite unserer europäischen Partner leisten wir einen in der Region hochgeschätzten Beitrag zur Stabilisierung der Sahelregion und schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass die Ursachen von Konflikten nachhaltig und gezielt angegangen werden können. Hierfür bittet die Bundesregierung um Ihre Unterstützung.
Ein schönes Wochenende!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollege Roth. – Das Wort geht an Professor Dr. Lothar Maier von der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7517192 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 225 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUTM Mali |