23.04.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 225 / Zusatzpunkt 19

Ulla SchmidtSPD - Soloselbstständige in der Kultur und Medienbranche

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Renner, die Situation der Kulturschaffenden ist viel zu ernst für eine Rede, wie Sie sie hier gehalten haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen es nicht erst seit Corona. Viele Probleme, die in diesem Bereich während der Coronazeit deutlich wurden, haben viel tiefer gehende Ursachen und viel tiefer gehende Gründe. Es geht generell um die soziale Absicherung von Menschen, die in wechselnden Arbeitsverhältnissen sind, die mal soloselbstständig, mal abhängig beschäftigt, mal unständig beschäftigt, mal berufsmäßig unständig beschäftigt sind. Sie fallen immer wieder, wie wir jetzt sehen, durch die vielen Raster der sozialen Absicherung, die wir für die Menschen in unserem Land aufgebaut haben. Es geht um den berechtigten Anspruch auf eine Absicherung, die auf Rechtsansprüchen basiert – das steht ja auch in dem Antrag der Grünen, der andere Anträge, die sich in der Beratung befinden, ergänzt –: Wir müssen dafür sorgen, dass die, die Kultur schaffen, anständig dafür bezahlt werden, dass ihre Honorare nicht immer weiter gedrückt werden

(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Genau!)

und die Bedingungen nicht immer schlechter werden.

In der Krise haben wir gemerkt: Die Kulturschaffenden, die zum Teil als einzigen Ausweg die Grundsicherung haben, wollten sie nicht. Sie wollen sie nicht, weil sie selbst arbeiten wollen.

(Zuruf der Abg. Simone Barrientos [DIE LINKE])

Sie wollen ihr eigenes Geld verdienen; das wollen andere auch. Die Kulturschaffenden aber sagen: Wir wollen eine Absicherung, die uns Rechtsansprüche verschafft. – Ich glaube, das ist das Wichtigste, worüber wir uns hier in Zukunft unterhalten müssen, und dazu müssen wir auch Beschlüsse fassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieses Parlament muss Beschlüsse fassen, damit wir endlich auch zu einer besseren Absicherung der Kulturschaffenden kommen.

Die Rechtsabsicherung wird ja unterschiedlich bewertet – bei den Linken, bei der FDP oder bei den Grünen –; ich bin da ganz klar einer Meinung mit der SPD.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Jens Beeck [FDP]: Das ist überraschend! Bravo!)

– Ja, mit der gesamten Fraktion; die ist immer mit mir einer Meinung. – Wir sind einer Meinung: Wenn Absicherung, dann Pflichtversicherung. Alles andere, auch das, was teilweise in den Anträgen gefordert wird, ist Rosinenpickerei nach dem Motto: Wenn ich das Gefühl habe, ich könnte arbeitslos werden, versichere ich mich, sonst nicht. – Das würde eine solche Versicherung sprengen. Nur eine breite solidarische Basis ist dazu angetan, dass wir eine Versicherung bekommen, die Rechtsansprüche garantiert und für die Einzahlenden trotzdem bezahlbar bleibt.

(Simone Barrientos [DIE LINKE]: Da müssen aber alle einzahlen!)

Wenn wir das im Bereich der Arbeitslosenversicherung machen, dann müssen wir wirklich sagen: Die jetzigen Bedingungen sind nicht ohne Weiteres übertragbar; denn wir haben es bei Kulturschaffenden und Soloselbstständigen nicht einfach nur mit Arbeitslosigkeit tun. Wir haben da einkommenslose Zeiten, wir haben Zeiten, in denen es viele Aufträge gibt, und Zeiten, in denen es weniger Aufträge gibt. Wir müssen uns intensiv damit befassen. Ich glaube, es ist sehr gut, wenn wir jetzt zumindest den Konsens haben, dass hier endlich etwas geschehen muss, dass wir die Soloselbstständigen absichern müssen. Das muss aber zu Bedingungen geschehen, die ihrer Arbeit und ihrer Schaffenskraft entsprechen.

Der zweite Punkt ist: Es geht nicht nur um die Soloselbstständigen, wir haben auch die abhängig Beschäftigten. Der Herr Kollege Grundl hat es richtigerweise gesagt: Es geht nicht nur um die, die auf der Bühne stehen, die wir immer sehen, sondern auch um die, die hinter der Bühne sind. Auch hier herrschen Bedingungen, die einfach nicht gehen. Wir haben einen zu großen Teil derer, die nicht durch die Arbeitslosenversicherung abgesichert sind, obwohl sie abhängig beschäftigt sind. Es wird Zeit, dass wir eine Regelung finden, die dafür sorgt, dass alle Menschen, die abhängig beschäftigt sind, den gleichen Sozialversicherungspflichten unterliegen. Es wird Zeit, dass wir damit aufhören, diese Gruppe zu unterteilen in kurzfristig Beschäftigte, fest Beschäftigte, unständig Beschäftigte, berufsmäßig unständig Beschäftigte.

Und es muss Schluss damit sein, dass die berufsmäßig unständig Beschäftigten nicht mal in der Arbeitslosenversicherung landen. Diese Zeiten sind vorbei! Damit können wir nicht weitermachen. Deshalb bitte ich alle, einen Weg zu finden. Das Wort „berufsmäßig“ können wir noch in dieser Legislaturperiode ganz einfach streichen. Dann sind zumindest die unständig Beschäftigten alle versichert.

Zudem müssen wir die Versicherung endlich auch auf eine Monatsbasis stellen. Wenn ich eine Beschäftigung, ein Engagement für drei Tage habe, dann muss das Einkommen genauso gelten, als hätte ich einen Monat gearbeitet. Kulturschaffende haben keinen Fünf-mal-sieben-Stunden-Arbeitstag, sondern sogenannte Schattentage und Schaffenstage. Das muss alles gleich bewertet werden. Wenn wir dahin kämen, wären wir wirklich einen Schritt weiter.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Ulla Schmidt. – Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Hartmut Ebbing.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7517217
Wahlperiode 19
Sitzung 225
Tagesordnungspunkt Soloselbstständige in der Kultur und Medienbranche
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