05.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 226 / Zusatzpunkt 1

Roy KühneCDU/CSU - Aktuelle Stunde – Entlassungen beim Klinik-Konzern Sana

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Korte, ich bin ein bisschen überrascht, mit welcher Emotionalität Sie in Ihrer Rede de facto ein sozialistisches Gesundheitssystem beschrieben haben.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, genau!)

Mit einem solchen System bin ich groß geworden und kann genau beurteilen, was man machen musste, um nach einer Sportverletzung oder nach einem Alltagsunfall zeitnah einen Arzttermin oder einen Röntgentermin beim Hausarzt oder beim Facharzt zu bekommen. Glauben Sie mir: Das möchte ich nicht noch mal erleben.

(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Ich wehre mich – das sage ich Ihnen auch ganz offen – im Namen vieler Leistungserbringer in diesem wirklich funktionierenden, durchaus an der einen oder anderen Stelle besser zu machenden Gesundheitssystem gegen den Generalverdacht, dass es einfach immer nur um Gewinnmaximierung geht. Ich kenne viele, viele Leistungsanbieter, auch Krankenhäuser, Pflegedienste, niedergelassene Ärzte,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist denn dann der Sinn, warum Sana es macht?)

die gut zahlen, die gute Arbeitsbedingungen bieten und sich respektvoll um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern. Ich kann nicht verstehen, dass Sie immer dieses Pauschalurteil aussprechen. Das sind Menschen; diese Menschen schaffen Umsatz; sie sind da; sie schaffen Zukunft, und sie schaffen Perspektive.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Die Beschäftigten machen das! Nicht die Konzernbosse!)

Ich lehne Ihren Generalverdacht ab; das sage ich ganz offen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und ich kann Ihnen Weiteres sagen, Herr Korte. In meinem Wahlkreis hat es die Möglichkeit gegeben, ein Krankenhaus zu rekommunalisieren. Ich habe mit dem Landrat und mit Politikern vor Ort darüber geredet. Ich sage Ihnen ganz offen: Die Antwort war: Nein, das wollen wir nicht.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, warum?)

– Weil die Bedingungen so sind, wie sie sind. Weil man teilweise auch unter Druck steht

(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)

und es gar nicht so einfach ist, einen solchen Betrieb am Laufen zu halten.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Weil die Bedingungen so sind! Genau!)

Da kommen Sie mit dem Schönreden nicht weiter.

Das war übrigens nicht ein Parteigenosse von mir, sondern einer von Ihnen, der sagte: Nein, Roy,

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

das ist unternehmerisches Tun. Damit will ich nichts zu tun haben.

(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Und ich sage Ihnen: Ich bin dankbar, dass wir Menschen in diesem Staat haben, die Verantwortung übernehmen, auch unternehmerische Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kommen wir doch mal zum Punkt.

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Was Sie wollen, ist ja, dass wir uns hier generell mit den Bedingungen auseinandersetzen sollen. Sie fordern eine Aktuelle Stunde, und wir reden über Leistungsanreize. Der Kollege hat es vorhin gesagt: Was wollen Sie einem Unternehmer im Gesundheitssystem, der eine Leistung erbringt, an Gewinn zubilligen, damit er Risiko eingehen kann,

(Jan Korte [DIE LINKE]: Ich will keine Unternehmer im Gesundheitssystem!)

damit er Rücklagen bilden kann, damit er vielleicht sogar investieren kann? Was billigen Sie ihm zu, damit er mit seinem Arbeitsplatz nicht nur seine Familie ernähren kann, sondern auch die seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen kann? Ich glaube, auch diese Diskussion müssen wir zulassen und über Leistungsanreize reden. Sicherlich, es gibt auch Diskussionen über Fehlanreize;

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

daraus machen wir auch gar keinen Hehl. Ich möchte nur nicht, dass das auf dem Rücken von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Sana ausgetragen wird. Ich glaube, wir alle in diesem Raum sind uns einig, dass das, was Sana momentan macht, auf Kosten der Menschen geht. Ich sage Ihnen ganz offen: Das lehne auch ich ab.

Wir haben sicherlich – das ist die Frage, die man stellen muss – in den letzten anderthalb Jahren viel für die Stärkung der Krankenhäuser getan, gerade um diese Coronakrise zu überwinden. Ich äußere hier auch ganz klar mein Unverständnis darüber: erst Geld zu kassieren von Bund und Land und jetzt mit einer Umstrukturierung zu beginnen, bei der man – das sage ich auch ganz offen – völlig unsensibel mit dem Thema umgeht.

Umstrukturierungen in Firmen sind ganz normal, um neue Wege zu gehen. Es wurde auch gesagt: Die Mitarbeiter müssen einbezogen werden. Wir sind ja noch gar nicht in dem Prozess, um sagen zu können, wie es weitergeht. Vielmehr müssen wir gucken: Wie kann ein Betrieb so funktionieren, dass die Arbeitsplätze nachhaltig erhalten bleiben? Ich missbillige ganz klar, was Sana dort aktuell tut. Aber ich billige, dass Firmen in Deutschland in und nach einer Krise überlegen: Wie geht es weiter? Wir wollen sie danach weiterhin als Arbeitgeber haben mit fleißigen Arbeitnehmern und Leuten vor Ort, die den Betrieb aufrechterhalten. Letztendlich – muss man ganz klar sagen –: Auch aus meiner Sicht kein Verständnis für das Verhalten von Sana.

Ich hinterfrage auch ganz bewusst die Personalentwicklung; denn wir haben ja im Pflegestärkungsgesetz dafür gesorgt, dass 100 Prozent Refinanzierung erfolgt. Deshalb gibt es aus meiner Sicht dafür Unverständnis, dass Sana in der Richtung jetzt so arbeitet, wie sie arbeiten.

Noch einmal, um die Sache zum Schluss auf den Punkt zu bringen. Das ist für mich kein Thema von Wahlkampf oder Nicht-Wahlkampf, sondern es geht darum – das wurde hier mehrfach gesagt, auch von den Grünen –, zu hinterfragen: Welchen Systemregeln wollen wir folgen? Was wollen wir? Wir wollen eine Gesundheitsversorgung vor Ort. Wir wollen motivierte Kräfte, angefangen von der Pflegekraft bis zum Arzt, die mit Freude jeden Morgen zur Arbeit gehen und sagen: Jawohl, wir arbeiten in einer ganz bestimmten Arbeitszeit,

(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

ab und zu auch mal mit Überstunden – das gehört zum Alltag dazu –,

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Aber auch mit guter Bezahlung!)

aber wir fühlen uns wohl.

Letztendlich müssen wir die Diskussion zulassen – das ist für die kommende Legislatur wichtig –: Welche Anreize setzen wir? Denn wir haben auch Leistungserbringer – das müssen Sie auch ganz klar zugeben – in mehreren Bereichen – da rede ich aber nicht über den Bereich Krankenhaus –, die momentan den Betrieb aufgeben, die sagen: Es lohnt sich nicht, im Gesundheitssystem tätig zu werden.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Warum? Warum ist das denn so?)

Das darf nicht passieren. Das sind wertvolle Menschen, die für die Versorgung gerade auch in ländlichen Regionen wichtig sind.

Deshalb meine Bitte – ich bin gleich fertig, Herr Präsident –, meine Forderung an Sana: Redet mit den Menschen! Denn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt entlassen werden sollen, haben in den letzten 15 Monaten ihrem Betrieb wirklich den Rücken freigehalten, es sind loyale Mitarbeiter, und sie haben Respekt und mehr Anerkennung verdient.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Roy Kühne. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7518373
Wahlperiode 19
Sitzung 226
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Entlassungen beim Klinik-Konzern Sana
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