Peter SteinCDU/CSU - Maritime Wirtschaft
Einen schönen guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist es nun soweit: Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir den Antrag zum Umgang mit den Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee im Paket mit dem sehr umfangreichen Koalitionsantrag zur Nationalen Maritimen Konferenz in meiner Heimatstadt Rostock einbringen können. Das hebt die Bedeutung dieses Themas aus meiner Sicht sehr klar hervor. Ausgehend von zwei Resolutionen im Ostseeparlament habe ich in den letzten zwei Jahren einige dicke Bretter dazu bohren müssen. Herr Reinhold, die FDP hat in den letzten Jahrzehnten eher die Bretter gestapelt als den Bohrer geführt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Was ist denn das für eine dämliche Aussage vor dem Hintergrund der Situation in Deutschland?)
Ich bin meinen Kollegen im Wirtschaftsausschuss, aber auch denjenigen im Umwelt- und im Haushaltsausschuss und auch dem Koalitionspartner von der SPD sehr dankbar, dass wir jetzt einen Weg zur Lösung dieses Problems finden. Ich danke auch dem Generalsekretär der BSPC, Bodo Bahr, und unseren Kollegen aus dem Europaparlament. Unser Antrag ist in einigen Vorschlägen und Forderungen sehr detailliert; er greift Aspekte auf, die bislang fast gänzlich unberücksichtigt geblieben sind. Er knüpft an meinen Zwischenbericht für die Ostseeparlamentarierkonferenz im letzten Jahr an.
Aufgrund der großen Dimension der vor uns stehenden Aufgaben und der Vielzahl an beteiligten Akteuren, national und international, waren sehr viele Gespräche und sehr komplexe Diskussionen nötig. Es herrscht nun große Einigkeit darüber, dass jetzt gehandelt werden muss, und wir werden vorankommen. Und ja, es wird Geld kosten. Natürlich muss eine faire Lasten- und Aufgabenverteilung gefunden werden. Wir reden über eine europäische Aufgabe in Nord- und Ostsee, die nur schwer abschließend zu beziffern ist, aber wir reden sicherlich über einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag in einem Zeitraum von maximal 20 Jahren; mehr Zeit haben wir nach Expertenmeinung nämlich nicht mehr.
Es ist vollkommen unstrittig, dass das Geld dafür bereitstehen muss und dass die Bundesländer dafür alleine nicht verantwortlich sein können. Angesichts der internationalen Dimension hinsichtlich Verortung der Munition und einer sehr komplexen historischen Verantwortung ist es zwingend, dass die Europäische Union mit ins Boot gehört. Ich freue mich daher über die beinahe einstimmig verabschiedete Resolution des Europaparlaments am 26. April dieses Jahres und die unterstützenden Aussagen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Es geht nicht nur um die unmittelbaren Gefahren beim Bau von Infrastruktur, in der Schifffahrt, in der Fischerei oder im Tourismus, und nicht nur in Nord- und Ostsee. Es ist mittlerweile wissenschaftlich belegt, dass es auch um die langfristigen Gefahren in der Nahrungskette geht. Giftstoffe im Meer verändern das Erbgut von Fisch- und Muschelbrut. Das ist eine stille, aber eine sehr offensichtliche Gefahr für uns alle.
Was schlagen wir also nun vor? Ein ganz zentraler Punkt ist der Bau einer mobilen Plattform zur Behandlung von Kampfstoffen jeglicher Art auf hoher See. Das ist technisch umsetzbar, und wir stoßen diese Realisierung mit dem Antrag an. Diese Plattform kann in der Praxis zeigen, wie eine effiziente Räumung und Vernichtung von Kampfmitteln ohne Gefahr für Mensch und Ökosystem möglich ist.
Dieses Pilotprojekt kann nur der Anfang sein; denn schnellstmöglich muss eine maritim-industrielle Hochskalierung folgen, um Kosten zu senken und natürlich auch um schneller voranzukommen. Nach meiner Einschätzung brauchen wir zukünftig ein Dutzend dieser Plattformen, um das Problem in den 20 Jahren gelöst zu bekommen.
Wir leiten heute neue Schritte im Umgang mit den gefährlichen Kampfstoffen ein. Ohne die Unterstützung des Bundes und auch der EU wären wir jedoch nicht in dieser Situation. Zahlreiche Forschungsprojekte wurden und werden gefördert. Wir müssen das Wissen und die Daten international standardisieren, um effektiver zu werden; auch das fordert unser Antrag.
Einen gewaltigen Schub hat dabei die Entwicklung in der maritimen Wirtschaft und der Industrie ausgelöst. Deutschland ist hier technologisch führend. Diesen technologischen Vorsprung wollen wir in Wertschöpfung bringen und für den Schutz von Mensch und Natur nutzen. Das ist meiner Meinung nach der beste Ansatz, und wir können auf diesem Wege mehr internationale Kooperation organisieren. Das Bergen und das umweltschonende Unschädlichmachen von Kampfstoffen ist eine wertvolle Fähigkeit, die weltweite Nachfrage finden wird.
Die Kommissionspräsidentin hat sich nicht nur unterstützend geäußert, sondern angeregt, dass sich insbesondere die Ostseeanrainer als Pilotregion generieren sollten. Wir gehen also mit dieser Initiative aus dem Ostseeparlament und nun auch aus dem Deutschen Bundestag europaweit deutlich voran, und das erfüllt mich mit Stolz, aber auch mit Respekt vor dieser Aufgabe.
Und abschließend. Wir dürfen nicht warten, bis alle Rechtsfragen geklärt sind. Wir haben nicht die Zeit, bis alle Zuständigkeiten national oder international harmonisiert wurden. Wir müssen uns auch finanziell nicht nach der Decke strecken. Deshalb fordert unser Antrag auch den Weg in einen internationalen freiwilligen Geberfonds, der nach meiner Auffassung mit mindestens 500 Millionen Euro starten sollte. Wir brauchen eine Expertengruppe, die nach Gefahrenabschätzung priorisiert, die passende, wirksame Maßnahmen vorschlägt, die die zuständigen Stellen berät und die internationalen Ausschreibungen vorbereiten kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident, das Trauma zweier Weltkriege und ein gemeinsamer Friedens- und Wohlstandswille führten zur Bildung der Europäischen Union. Europa ist auch hier ein Teil der Lösung.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Uwe Schmidt, SPD.
(Beifall bei der SPD – Desinfektion des Rednerpultes)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519442 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 227 |
Tagesordnungspunkt | Maritime Wirtschaft |