06.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 227 / Tagesordnungspunkt 4

Wieland SchinnenburgFDP - Bevölkerungsschutzgesetz - Normenkontrolle

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Brandner geredet hat, muss ich mir erst mal die Haare richten. Da wird so viel Wind gemacht. Aber Herr Brandner, Ihr Phrasenpropeller kann nicht davon ablenken, dass Sie hier einen völlig unqualifizierten Antrag vorgelegt haben.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: „Phrasenpropeller“ ist toll!)

Ich hatte Ihnen ja bei früherer Gelegenheit schon eine Lupe und einen Spiegel mitgebracht. Heute habe ich eine Ausgabe des Grundgesetzes dabei.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er liest es eh nicht!)

Ich werde gleich noch klären, wozu wir das Grundgesetz jetzt hier brauchen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an fünf Beispielen erläutern, wieso Ihr Antrag schlicht und ergreifend peinlich ist:

Erstens. Es fängt schon damit an, dass die Hälfte Ihres Antrages aus der Wiedergabe des Gesetzestextes besteht, den Sie angreifen wollen. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen: Die FDP-Fraktion hätte so etwas nicht nötig. Wir sind in der Lage, im Internet nachzuschauen, wie der Gesetzestext lautet. Es mag ja sein, dass man in Ihrer Fraktion nicht so weit ist. Vielen Dank, dass Sie die Rückständigkeit Ihrer Fraktion auf diese elegante Weise demonstrieren.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der AfD: Zum Thema!)

Zweitens. Herr Brandner fängt erneut an, den Verteidigungsfall mit dem Schutz gegen Coronamaßnahmen zu vergleichen. Sie vergleichen also Maßnahmen zum Schutz von Menschen mit der Maßnahme, die mehr als alles andere Menschenleben gefährdet. Ein solcher Vergleich ist nicht nur makaber, er ist auch juristisch schlicht und ergreifend unsinnig.

(Beifall bei der FDP)

Drittens. Herr Brandner verunglimpft unabhängige Richter in Deutschland. Er schreibt dort hinein, die Fachgerichte würden das verfassungsrechtlich ja gar nicht prüfen und das Bundesverfassungsgericht werde manches leichtfertig nicht zur Entscheidung annehmen. Herr Brandner, Sie zeigen erneut, was für ein gebrochenes Verhältnis zum Rechtsstaat Sie haben. Pfui kann ich da nur sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Viertens. Herr Brandner rügt eine angebliche Verletzung des Zitiergebotes bezüglich der Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz. Herr Brandner, das Bundesverfassungsgericht sagt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei diesen Artikeln eine Zitierung nicht notwendig ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die kennt er ja nicht, die ständige Rechtsprechung!)

Mein Vorschlag: Lesen Sie erst einmal die einschlägige Rechtsprechung, bevor Sie das Gericht anrufen! Das hilft ungemein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fünftens. Herr Brandner zeigt erneut, dass er nicht in der Lage ist, auch nur ein vernünftiges Petitum zu produzieren. Er möchte, dass wir begrüßen, dass Menschen sich gegen das Gesetz wenden. Das nützt Ihnen nichts. Sie benötigen einen brauchbaren Antrag und 178 Unterschriften. Ich prophezeie Ihnen: Sie werden beides nicht bekommen.

Meine Damen und Herren, Herr Brandner ist aus meiner Sicht ein hoffnungsloser Fall. Dennoch möchte ich einen letzten Versuch starten in der Hoffnung, dass Herr Brandner irgendwann mal einen brauchbaren Antrag vorlegt. Darum habe ich das Grundgesetz mitgebracht. Darin kann man nämlich nachlesen, wie das geht. Und, Herr Brandner, um Ihren Fähigkeiten entgegenzukommen, habe ich eine bebilderte Ausgabe des Grundgesetzes mitgebracht.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Das ist ähnlich wie bei Kinderbüchern: Wenn man den richtigen Zugang hat, geht es auch ein bisschen leichter.

(Zuruf von der AfD: Das ist eine Frechheit, was Sie hier machen!)

Im Übrigen: Die AfD-Fraktion produziert nicht nur unsinnige Anträge, sie tut auch sonst nichts gegen die Pandemie. Sie polemisieren gegen Impfen und tragen keine Masken. Aus diesem Grunde habe ich Ihrer ganzen Fraktion ein Geschenk mitgebracht – Herr Gauland, das kriegen Sie gleich –: wunderschöne FFP2-Masken, liebevoll verpackt in FDP-Farben. Ich biete Ihnen diese Masken gerne an und bitte Sie, sie aufzusetzen. Damit würden Sie viel mehr für die Volksgesundheit tun als mit solchen unsinnigen Anträgen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Letzte Bemerkung. Die FDP-Fraktion fordert seit Langem engagierte, produktive und kompetente Maßnahmen gegen die Pandemie.

Herr Kollege Dr. Schinnenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

(Jan Korte [DIE LINKE]: Muss nicht sein!)

Aber bitte schön.

Danke schön, Herr Kollege, dass Sie nicht nur über mich reden, sondern mich auch zu Wort kommen lassen. Ich hoffe, Sie haben jetzt Ihre parlamentarische Wundertüte ausgepackt. Wir sind ganz gespannt, was noch alles in diesem kleinen Beutel steckt. Bisher war das alles sehr interessant.

Meine Frage ist folgende: Sie gehen so gut wie gar nicht auf unseren Antrag ein.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Natürlich!)

Im Kern geht es ja darum, dass wir als AfD-Fraktion gemeinsam mit der FDP-Fraktion der Meinung sind, dass das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz verfassungswidrig ist. Wenn Sie nicht der Meinung wären, hätten Sie und sämtliche Abgeordnete Ihrer Fraktion ja keine Verfassungsbeschwerde erhoben. Jetzt erklären Sie mir doch mal in einfachen Worten – Sie können es auch gerne vortanzen, damit ich es begreife, Herr Schinnenburg –, warum Sie nicht den Weg der Normenkontrollklage gegangen sind. Warum das stumpfe Schwert der Verfassungsbeschwerde, das Ihnen gestern Abend das Bundesverfassungsgericht um die Ohren gehauen hat? Warum nicht eine Normenkontrollklage gemeinsam mit der AfD, den Linken und Teilen der CDU/CSU-Fraktion?

(Beifall bei der AfD)

Ich verstehe gar nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass eine Verfassungsbeschwerde ein stumpfes Schwert ist. Sie ist eines der schärfsten Schwerter, die Bürger in diesem Lande haben, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie haben ganz offensichtlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von gestern Abend nicht verstanden. Es ist keineswegs vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden, dass das Gesetz verfassungskonform ist oder dass wir nicht recht haben. Das Verfassungsgericht – Tipp von mir: Lesen Sie noch mal nach, wie Rechtsprechung in Karlsruhe geht! – hat also nur im Eilverfahren entschieden, nicht einmal über unseren Antrag, sondern über andere Anträge.

Im Eilverfahren prüft das Bundesverfassungsgericht im ersten Schritt, ob die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist. Das tut es außerordentlich selten, dass es das feststellt. Warum? Weil es ein Eingriff in die Gewaltenteilung wäre. Das macht das Verfassungsgericht nur in ganz großen Ausnahmefällen. Das war auch nicht zu erwarten.

Das Zweite, was das Verfassungsgericht macht, ist eine Folgenabschätzung: Was passiert, wenn ich das Gesetz aufhebe und für nichtig erkläre? Und was passiert, wenn ich es nicht mache? Bei dieser Folgenabwägung ist das Verfassungsgericht zum Ergebnis gekommen: Nein, die Folgen wären eher schlimmer, wenn wir das Gesetz aufheben würden. – Das ist nur eine Entscheidung im Eilverfahren. Ich bin sehr optimistisch, dass der auch von mir gestellte Antrag –

(Zuruf von der AfD)

– Sie haben nichts gemacht –, also die Verfassungsbeschwerde, im Hauptsacheverfahren Erfolg haben wird.

Das Problem ist: Wir haben längst gehandelt. Sie wollen etwas begrüßen. Wir begrüßen Ihre Entscheidungen sowieso nicht. Wir würden es nur begrüßen, wenn Sie dem Bundestag bald nicht mehr angehören. Das würden wir begrüßen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich war gerade bei dem, was die FDP-Fraktion vorschlägt, abgesehen von einer Verfassungsbeschwerde, die wir eingereicht haben und bei der wir nach wie vor optimistisch sind: erstens testen, um Menschen zu finden, die noch zu einer Infektionskette führen können. Zweitens impfen, und zwar alle vorhandenen Impfstoffe sofort verimpfen; denn Impfstoffe nützen im Kühlschrank nichts. Sie nützen nur dann was, wenn sie im Körper des Patienten sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Und der dritte Punkt: sofort lückenlose Ausstattung aller deutschen Gesundheitsämter mit den Programmen DEMIS und SORMAS und deren Nutzung, um die Kontaktnachverfolgung zu verbessern.

Diese drei Maßnahmen bringen hundertmal mehr als das, was Sie irgendwann mal produziert haben. Im Übrigen wollen wir endlich Freiheit für Genesene und Geimpfte.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP] begibt sich zur AfD und will ein Präsent übergeben – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Können Sie gleich wieder mitnehmen! – Gegenruf des Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP]: Wollen Sie nicht? – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein, bestimmt nicht! Von Ihnen nicht!)

Hygienevorschriften, Hygienevorschriften, Herr Kollege Dr. Schinnenburg. – Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Edgar Franke, SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7519644
Wahlperiode 19
Sitzung 227
Tagesordnungspunkt Bevölkerungsschutzgesetz - Normenkontrolle
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta