06.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 227 / Tagesordnungspunkt 4

Carsten MüllerCDU/CSU - Bevölkerungsschutzgesetz - Normenkontrolle

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verdachtsfall der Verfassungsfeindlichkeit, genannt AfD, will hier vorgeblich eine abstrakte Normenkontrolle ankurbeln. Zum wiederholten Male kommt hier ein vollkommen absurd formulierter Antrag zur Beratung – zum wiederholten Male. Sie haben ähnlichen Unsinn praktisch gleichlautend schon sechsmal hier vorgebracht. Sie machen das halbe Dutzend voll; das bekräftigt Ihre Unfähigkeit.

Mal wieder soll der Bundestag mit Mehrheit beschließen, ein mit Bundestagsmehrheit vor zwei Wochen beschlossenes Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen und – das ist der Schwerpunkt Ihres dürren Antrages – dieses Vorgehen irgendwie zu begrüßen. Ich nenne das mal die absurde Begrüßungspolitik der AfD.

Meine Damen und Herren, genauso absurd und widersprüchlich, wie Sie hier heute Ihr parlamentarisches Scheitern wiederholt nachweisen, agieren Sie im Übrigen auch außerhalb des Parlaments. Schauen wir uns die Fraktionsvorsitzenden der AfD-Fraktion an.

Im Februar und März vergangenen Jahres tritt Frau Weidel an die Öffentlichkeit. Sie fordert verpflichtende Tests für Risikopatienten und sagt, dass besonders Gefährdete und Ältere spüren müssten, dass sie ihren Anteil an der Bekämpfung der Pandemie leisten. Sie fordert im März 2020, alle Veranstaltungen sofort einzustellen. Sie fordert eine komplette Einstellung des öffentlichen Lebens.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, auf jeden Fall nicht Karneval feiern! Da haben Sie doch alle gepennt!)

Und dann passiert Merkwürdiges: Es tritt der „Wandel der Weidel“ ein. Mitte April 2020 fordert dieselbe Person: Sofort alles aufmachen; Pandemie vorbei. – Meine Damen und Herren, das ist grotesk!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie merken gar nichts mehr, Herr Müller!)

– Im Gegensatz zu Ihnen merke ich allerdings noch alles, vor allen Dingen Ihre Widersprüchlichkeit.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ihnen fehlt die Ernsthaftigkeit bei dem Thema! Das merkt man!)

Meine Damen und Herren, wir schauen auf den Kollegen von Frau Weidel, Herrn Gauland. Er tritt hier vor uns und sagt wörtlich, man müsse in der Pandemie abwägen, „auch um den Preis, dass Menschen sterben“. Das ist übrigens derselbe Herr Gauland, der – was ich im Grundsatz sehr begrüße – sich impfen lässt. Kolleginnen und Kollegen seiner Fraktion hält das allerdings nicht davon ab, die Impfkampagne zu diskreditieren – das letzte Mal am Montag dieser Woche im Rechtsausschuss. In einem rechtlich und medizinisch wirren Vortrag gibt der Kollege Maier zum Besten, dass er wisse, dass die Impfsubstanzen in einem, wie er sagte, „Hula-Hoop-Verfahren“ zugelassen worden seien. Herr Maier alleine weiß, was ein „Hula-Hoop-Verfahren“ sein soll. Am Ende der Debatte im Rechtsausschuss wusste er auch gar nicht mehr, wie er zu seiner Meinung gekommen ist. Jedenfalls schwieg er; das war der beste Teil seiner Beiträge.

Meine Damen und Herren, ich finde es unverantwortlich, in einer Phase der Forschungserfolge diese Impfkampagne zu diskreditieren. Ich will auf das Gesetz, das heute hier in Rede steht, kurz eingehen. Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Es geht um den Schutz von Leben und Gesundheit. Wir haben das auch in der Unionsfraktion intensiv diskutiert. Vor welchem Hintergrund? Vor allen Dingen vor dem Hintergrund der Überlastung des Gesundheitssystems. Das würdigt auch das Bundesverfassungsgericht. Das höchste Gericht hat über die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen noch nicht in der Hauptsache entschieden. Aber in den aktuell veröffentlichten Beschlüssen zu den Eilanträgen hat das Gericht die Abwägungsleistung des Gesetzgebers erkannt und anerkannt, und es hat anerkannt, dass wir wissenschaftliche Untersuchungen herangezogen haben. Es sagt: Leben und Gesundheit zu schützen sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sicherzustellen, sind wichtige Ziele.

Meine Damen und Herren, das machen wir, und deswegen diskutieren wir heute auch noch darüber, wie wir Geimpften und Genesenen Entlastung von Grundrechtseinschränkungen, die wir haben vornehmen müssen, zuteilwerden lassen können. Dafür gibt es zwei gute Gründe, nämlich die rückläufigen Inzidenzwerte und eine leichte Entspannung auf den intensivmedizinischen Stationen.

Meine Damen und Herren, ich will die rasante Beschleunigung der Impfkampagne ausdrücklich würdigen. Wir haben hierüber vor fünf, sechs Wochen in diesem Haus noch mit einem ganz anderen Toneinschlag diskutiert. Auch ich persönlich habe das hier angemahnt, und ich bin froh darüber, dass man zu dieser erheblichen Beschleunigung gekommen ist. Wir müssen allerdings – und deswegen werden wir diesem Antrag keinesfalls zustimmen können – weiterhin Umsicht walten lassen. Es darf uns nicht passieren, dass wir Impferfolge, Erfolge beim Brechen der dritten Welle leichtfertig verspielen. Sonst ergeht es uns so, wie wir es in Chile sehen.

Meine Damen und Herren, die Zeiten sind zu ernst für absurde und ignorante Anträge der AfD. Man kann ihnen, wenn man noch ein bisschen Verantwortungsgefühl in sich trägt, schlechterdings niemals zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Helge Lindh [SPD])

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Bevor ich dem letzten Redner das Wort zu dieser Aussprache erteile, komme ich zurück auf den Vorfall während der Rede des Kollegen Dr. Christian Wirth. Das Protokoll weist Folgendes aus: Nach der Aussage „Dieser Inzidenzwertautomatismus verstößt gegen die Verfassung“ hat die Kollegin Steffi Lemke dazwischengerufen: „Sie entscheiden das nicht, ob das verfassungsgemäß ist!“, und der Kollege Dr. Wirth hat darauf entgegnet: „Ihr Tourettesyndrom in Ehren, Frau Kollegin, jetzt rede ich.“ Herr Kollege Dr. Wirth, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU] – Beatrix von Storch [AfD]: Warum? Nur wenn sie keins hat!)

– Frau von Storch, ich erteile Ihnen ebenfalls einen Ordnungsruf für die Zwischenbemerkung „Nur wenn sie keins hat“. Sie können das Spiel gerne fortsetzen.

(Stephan Brandner [AfD]: Was ist denn jetzt mit Movassat? Ist das auch schon geklärt? Warum dauert das so lange?)

– Herr Kollege Brandner, Entscheidungen des Präsidenten sind der Diskussion entzogen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ach, darum haben wir keinen Sitz!)

Ich bin bei Herrn Movassat nicht Sitzungsleiter gewesen. Aber wir können das Spiel fortsetzen. Der Kasten der Geschäftsordnung ist relativ weit. Ich warne Sie ausdrücklich: Nach dem Ordnungsruf kommt ein Ordnungsgeld. Ich kündige jetzt hiermit an, dass ich weitere Störungen dieser Art nicht zulassen werde.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner ist der Kollege Alexander Krauß, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7519654
Wahlperiode 19
Sitzung 227
Tagesordnungspunkt Bevölkerungsschutzgesetz - Normenkontrolle
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