Christine Lambrecht - COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit über einem Jahr werden in diesem Land Grundrechte eingeschränkt, deutlich, intensiv, und es wird hart darum gerungen, wie weit man dabei gehen kann, wie weit man dabei gehen muss. Dass wir das nicht machen, ohne einen guten Grund zu haben, das ist allen klar. Es geht nämlich darum, Leben und Gesundheit zu schützen, auch Leben und Gesundheit der anderen zu schützen. Dass das ein guter Grund ist, das hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen von gestern noch mal klargestellt. Es ist schon viel darüber gesprochen worden. Aber ich will es noch mal ausdrücklich zitieren; denn das ist wirklich noch mal eine Bestätigung dessen, warum Grundrechte eingeschränkt werden. Es dient nämlich einem grundsätzlich legitimen Zweck:
Der Gesetzgeber verfolgt in Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht das Ziel, Leben und Gesundheit zu schützen sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als überragend gewichtigem Gemeingut … sicherzustellen.
Meine Damen und Herren, ich rate Ihnen allen, das noch mal intensiv nachzulesen; denn das zeigt noch mal, um was es eigentlich geht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Genau darum geht es.
Aber so klar, wie beschrieben ist, warum Grundrechte eingeschränkt werden können, genauso klar ist auch, wann Grundrechte eben nicht mehr eingeschränkt werden können, nämlich dann, wenn dieser gute Grund wegfällt. Meine Damen und Herren, nachdem die wissenschaftliche Expertise des RKI aufgezeigt hat, dass für Geimpfte und für Genesene, also Immunisierte, diese Begründung nicht mehr trägt, weil sie andere nicht mehr infizieren können – zumindest in einem deutlich geringen Maße als andere –, dass sie andere und auch sich selbst nicht mehr gefährden können, fällt dieser Grund weg, und dann können Grundrechte in einem Rechtsstaat auch nicht mehr eingeschränkt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deswegen ist diese Verordnung, die wir heute vorlegen, der ganz konsequente Schritt.
In Zukunft werden somit Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene nicht mehr gelten. Ich höre dann oft: Die dürfen jetzt alles. – Meine Damen und Herren, über was reden wir denn da? Wir reden darüber, dass in Zukunft Menschen, die im Pflegeheim über Monate hinweg keine Kontakte mehr hatten, die alleine in ihren Zimmern essen mussten und das auch schmerzhaft gespürt haben, wieder im Speisesaal zusammen essen können. Und worüber reden wir noch? Wir reden darüber, dass in Zukunft, vielleicht am Muttertag, Geimpfte ihre Mütter besuchen können und der Besuch eben nicht auf eine Person beschränkt ist.
(Karsten Hilse [AfD]: Was ist mit den Ungeimpften? Die haben auch eine Mutter!)
Darum geht es. Es geht um Geimpfte und Genesene, die in Zukunft von den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ausgenommen sind, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, das ist ein wichtiger Schritt, und das ist ein rechtsstaatliches Gebot. Deswegen ist diese Verordnung auch dringend geboten.
Geimpfte und Genesene werden in Zukunft gleichgestellt mit denjenigen, die einen Test vorlegen können – beim Einkaufen, beim Frisör –, eben auch, weil durch die Impfung bzw. durch die Erkrankung die Immunisierung festgestellt ist, sodass sie andere kaum noch infizieren und damit gefährden können.
Meine Damen und Herren, rechtsstaatliche Grundsätze gelten nicht nur in Normalzeiten, sondern sie müssen gerade auch in Krisenzeiten gelten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Abg. Dr. Wieland Schinnenburg [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Das ist ein ganz wichtiger Grundsatz, den wir hier jetzt mit Leben füllen. Es geht darum, aufzuzeigen: Wir leben in einer lebhaften Demokratie. Wir leben nicht noch in einem Rechtsstaat, sondern wir leben in einem Rechtsstaat, und dann müssen diese Grundsätze auch durchgesetzt werden.
Ich kann all denen, die jetzt mit Ungeduld fragen: „Warum ich nicht?“ und „Wann sind wir denn dran?“, nur sagen: Wir alle müssen gemeinsam mit Hochdruck daran arbeiten, dass diese Schritte in die Normalität alsbald nicht nur für Geimpfte und für Genesene gelten,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
sondern dass wir alle uns diese ersehnte Normalität wieder zurückerarbeiten.
Wir sind auf einem sehr guten Weg; die Inzidenzzahlen zeigen das. Die Entspannung auf den Intensivstationen – vielleicht ist das zu weit hergeholt; aber zumindest nicht mehr diese Überlastung –
(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])
ist ein wichtiges Signal. Lassen Sie uns deswegen verantwortungsbewusst, aber auch unter Einhaltung aller rechtsstaatlichen Grundsätze daran arbeiten, –
Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
– dass wir alle wieder zurück in die Normalität finden können.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Ministerin Lambrecht.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, erlaube ich mir einen Hinweis: Die AfD-Fraktion hat zu Tagesordnungspunkt 44 k eine Teilung der Frage beantragt. Über einen Teil des Gesetzentwurfs werden wir später namentlich abstimmen. Ich weise schon jetzt darauf hin, dass wir nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung noch über den Gesetzentwurf in dritter Beratung abstimmen müssen. Also: Teilung der Frage ist beantragt. Nur, dass das für die nachfolgenden Redner schon mal bekannt ist.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Und namentliche Abstimmung haben wir beantragt!)
– Ja, das habe ich schon gesagt.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Danke!)
Ein bisschen zuhören wäre vielleicht auch nicht schlecht. – Jedenfalls: Teilung der Frage und dann namentliche Abstimmung über einen Teil dieser geteilten Frage.
Nächster Redner wird der Kollege Ulrich Oehme, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519676 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 227 |
Tagesordnungspunkt | COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung |