06.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 227 / Zusatzpunkt 9

Marco BuschmannFDP - Aktuelle Stunde – Freiheiten für Geimpfte und Genesene

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. April 2021 hat dieses Haus abschließend über die sogenannte Bundesnotbremse entschieden. Das ist ein Gesetz, das eine ganze Reihe tiefer Grundrechtseingriffe enthalten hat. Und einigen hier im Haus gingen diese Grundrechtseingriffe noch nicht weit genug. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, hat ausweislich des Stenografischen Berichts hier zu Protokoll gegeben, dass, wenn er alleine hätte entscheiden können, die Eingriffe noch – ich zitiere – „härter und schärfer“ – Zitatende – geworden wären.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!)

Wegen eines solchen Politikverständnisses, das in der ohnehin schweren Zeit der Krise nur eines kennt, nämlich immer härter und immer schärfer in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen,

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aber doch nicht zum Selbstzweck!)

ist es ein großes Glück, dass unsere Verfassung die Grundrechte kennt; denn die Grundrechte richten an die Politik eine Botschaft. Und diese Botschaft lautet: Nicht die Bürgerinnen und Bürger schulden dem Staat eine Begründung für ihre Freiheit, sondern es ist der Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern eine Begründung für jeden einzelnen Grundrechtseingriff schuldet. – Das kann man dieser Tage gar nicht oft genug sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Corona ist eine schwere Gefahr. Wir erinnern uns alle an die schrecklichen Bilder aus Bergamo. Wir sehen die schrecklichen Bilder aus Indien jeden Tag. Daher ist es klar, dass es auch vernünftige Regeln gibt, dass es auch eine ganze Reihe von Grundrechtseinschränkungen gibt, die natürlich vernünftig begründbar sind. Aber dass man Geimpften und Genesenen nicht erlaubt, einzukaufen, ihre Wohnung zu verlassen, ihre Angehörigen zu sehen, Sport zu treiben, auch mit anderen Geimpften und Genesenen, gehört nicht dazu.

(Karsten Hilse [AfD]: Zweiklassengesellschaft!)

Denn wir wissen mittlerweile, dass für diese Personengruppen das gilt, was die Mediziner „sterile Immunität“ nennen. Nach menschlichem Ermessen ist es eben höchst unwahrscheinlich, dass sich diese Personen selber anstecken können oder andere Menschen anstecken können. Ihre Freiheitseinschränkung ist deshalb kein Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Wenn Grundrechtseingriffe aber keinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, dann ist die Pandemiebekämpfung auch keine vernünftige Begründung für diese Grundrechtseingriffe. Das gilt bei Geimpften und Genesenen. Auch das kann man dieser Tage nicht oft genug sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

All das ist nicht neu. All das wussten wir schon, als die Bundesnotbremse beschlossen worden ist. Wir haben es Ihnen hier vorgetragen, Sie haben es ignoriert. Wir haben zu dem Gesetz Änderungsanträge vorgelegt, Sie haben diese Änderungsanträge niedergestimmt.

(Heike Baehrens [SPD]: Dummes Zeug!)

Und plötzlich meint man, die schlimmsten Fehler hinsichtlich dieser Personengruppe ganz schnell korrigieren zu müssen. Man wundert sich: Plötzlich wird auf das RKI abgestellt. Plötzlich erinnert man sich an die Begründungspflicht bei Grundrechtseingriffen. In Wahrheit war das alles schon vorher bekannt.

Es gibt nur eins, was sich geändert hat: Inzwischen gibt es eine Unzahl von Verfassungsbeschwerden, auch die der 80 Abgeordneten der FDP-Fraktion. Es ist gut, dass es in diesem Haus nicht nur Politiker gibt, die meinen, immer härter und immer schärfer in die Freiheit eingreifen zu müssen, sondern die ihre Aufgabe darin sehen, als Hüter und Anwälte der Grundrechte zu agieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Daran hat sich übrigens auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestern zu gewissen Eilanträgen nichts geändert. Über unsere Verfassungsbeschwerden und unsere Eilanträge ist nicht entschieden worden. Und über die Rechte der Geimpften sagt diese Entscheidung gar nichts aus, außer einem Hinweis: Macht euch in die Spur, GroKo, sonst wird euch großes Ungemach drohen! – Ich kann die Lektüre der Entscheidung nur empfehlen.

Was das Gericht ausdrücklich nicht gemacht hat, ist eine rechtliche Würdigung, weder was den Umgang mit Genesenen und Geimpften angeht, noch was die Ausgangssperren angeht. Ich will Ihnen aus den Erwägungen des Ersten Senats zitieren. Schon der zweite Satz lautet:

Bei der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung haben die Gründe,

– Achtung! -

die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben ...

Das Verfassungsgericht hat eben nicht gesagt, dass die Maßnahmen in Ordnung sind, sondern es hat tatsächlich eine reine Folgenabwägung vorgenommen. Auch das muss man dem ein oder anderen sagen, der meint, das Verfassungsgericht habe sich auf die Seite der Schneller-und-härter-Fraktion, der Privilegienfraktion gestellt, derjenigen, die bis heute nicht verstehen wollen, warum man in Grundrechte nicht eingreifen darf, wenn es dafür keine vernünftige Begründung gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Heike Baehrens [SPD]: Es gibt aber eine vernünftige Begründung!)

Karin Maag hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7519714
Wahlperiode 19
Sitzung 227
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Freiheiten für Geimpfte und Genesene
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