Philipp AmthorCDU/CSU - Staatsleistungen an Religionsgesellschaften
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es zu vorgerückter Stunde um Religionsverfassungsrecht und Rechtsgeschichte geht, kann ich verstehen, dass Herr von Notz nicht der Einzige ist, der es gar nicht abwarten kann, in diese Debatte einzutreten.
Aber es hat auch große Relevanz für die Gegenwart, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist in der Tat 218 Jahre her, dass ein Großteil des kirchlichen Herrschaftsbesitzes im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses säkularisiert und weltlich eingezogen wurde. Dafür waren und dafür sind die Kirchen zu entschädigen. Und seit gut 102 Jahren, seit der Weimarer Reichsverfassung von 1919, besteht der Verfassungsauftrag, die dafür fälligen Staatsleistungen abzulösen. Diesen Auftrag nehmen auch wir ernst; aber diesen Auftrag werden wir in dieser Wahlperiode noch nicht abschließen können.
Gleichwohl war es, wie ich schon in der ersten Lesung gesagt hatte und wie ich es jetzt nach der Expertenanhörung im Innenausschuss bekräftige, durchaus sinnvoll und notwendig, dass wir dieses Thema in dieser Legislaturperiode einmal grundlegend diskutiert haben. Insoweit möchte ich ohne Pointe und ehrlich anerkennend auch Worte an die Kollegen von Grünen, FDP und Linken richten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben durchaus die etwas erlahmte Diskussion konstruktiv wiederbelebt und sinnvolle Impulse gegeben. Das finde ich kollegial und vernünftig; das kann man auch einmal anerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD])
Dieses Lob kann ich allerdings nicht an die ganze Opposition weitergeben; denn der Antrag der AfD, der uns vorliegt, ist lediglich ein Vorschlag einer unrechtmäßigen Schlechterstellung der Kirchen. Er ist verfassungswidrig. Das habe ich in der ersten Lesung bereits gesagt, und das hat sich in der Anhörung bestätigt.
Aber zurück zum Konstruktiven. Es ist richtig, dass es die Erwartung einer grundsätzlichen Entflechtung der finanziellen Beziehungen von Staat und Kirche gibt. Aber es ist ebenso berechtigt, dass die Kirchen vom Staat erwarten, dass wir unseren historischen Verpflichtungen nachkommen. Dazu für ein künftiges Gesetzgebungsverfahren vier Anmerkungen:
Erstens. Wir stehen – das haben unsere Debatten gezeigt – weiter vor dem Definitionsproblem, was sich genau hinter Staatsleistungen im Sinne von Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung verbergen soll. Dem sind die Entwürfe der Opposition auch nicht nachgekommen.
Zweitens. Wir werden über die Höhe des Ablösefaktors noch diskutieren müssen. Die Opposition schlägt eine Anknüpfung an das Bewertungsgesetz vor. Das ist nicht völlig fernliegend; aber es beachtet nicht das aktuelle Niedrigzinsumfeld, in dem wir uns bewegen. Mir ist es jedenfalls wichtig, dass unsere Kirchen nach dem Äquivalenzprinzip entschädigt werden und dass es nicht zu einer irgendwie gelockerten Entschädigungspflicht kommt, wie es mancher Gutachter vertreten hat.
Drittens stehen wir vor dem Problem einer notwendigen regionalen Differenzierung bei der Ablösung der Staatsleistungen. Gerade als ostdeutscher Abgeordneter sage ich, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Diözesen und Landeskirchen in Deutschland im Verlauf der Geschichte unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt waren. Darauf müssen wir mit Flexibilität reagieren.
Schließlich stehen wir vor der Notwendigkeit eines breiten Beteiligungsprozesses. Die Weimarer Reichsverfassung und das Grundgesetz weisen dem Bund nicht die Rolle des Zahlmeisters bei der Ablösung der Staatsleistungen zu, sondern die Rolle des neutralen Maklers. Wir sollen die Grundsätze definieren; aber die Bundesländer sollen am Ende bezahlen. Man muss der Ehrlichkeit halber sagen, dass die Bundesländer im Moment – das überrascht angesichts der Haushaltslage auch nicht – kein Interesse an der Ablösung der Staatsleistungen haben. Wir sollten also die Bundesländer mitnehmen, und ich wünsche mir, dass wir auch intensiver mit unseren Kirchen reden; denn sie nehmen die wertvolle Aufgabe der Wohlfahrtspflege wahr.
Insgesamt sage ich: konstruktiv, keine Debatte, die zum Polemisieren neigt, eine sinnvolle Initiative, noch nicht des Rätsels letzter Schluss. Wir nehmen die Debatte mit, werden dies aber erst in der nächsten Legislaturperiode angehen. Trotzdem herzlichen Dank für diesen konstruktiven Beitrag.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Philipp Amthor. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Volker Münz.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519778 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 227 |
Tagesordnungspunkt | Staatsleistungen an Religionsgesellschaften |