Manfred GrundCDU/CSU - Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich bedanke mich bei meiner Fraktion, dass ich heute als Ostdeutscher zur Bundeskanzler-Helmut‑Kohl-Stiftung reden darf. Es gibt mir die Gelegenheit, Helmut Kohl als Mensch und als Staatsmann zu schildern, so wie ich ihn noch erleben durfte.
Als ich 1994 in den Deutschen Bundestag, damals noch in Bonn, kam und wir in den Fraktionen verstreut saßen, ging es vielen wie mir: Wir schauten genau hin, was die da auf der Regierungsbank so machten, wie sie sich gaben, wie sie sich unterhielten. Und Helmut Kohl hatte eine Angewohnheit: Wenn er auf seinem Platz saß, fasste er in seine rechte Jackentasche, brachte ein kleines Notizbuch hervor, riss eine Seite heraus, fasste in die linke Tasche, brachte einen kleinen Bleistift hervor, klemmte die Zunge ein wenig unter und schrieb etwas auf diesen Zettel, faltete ihn eng zusammen und gab ihn einem Minister oder einer Staatssekretärin auf der Regierungsbank. Der Empfänger oder die Empfängerin machte ihn auf, las es, drehte ihn um, schrieb was drauf, faltete ihn wieder zusammen; es ging zurück an Helmut Kohl. Helmut Kohl öffnete das Ganze, las es. Dann zerriss er es so klein, dass es nie wieder jemand zusammensetzen konnte, kein Geheimdienst dieser Welt. Für uns war klar: „Staatsgeheimnisse!“ – bis mir mal eine Staatssekretärin nach vielen Jahren erzählte, was gelegentlich auf einem Brief an sie draufstand. Da stand drauf: Gertrud, wann bringst du mal wieder hausgeschlachtete Wurst mit?
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
Dass ich 1994 – und mit mir viele andere – unsere ostdeutsche Heimat im Bundestag vertreten durfte, hatte viel mit dem Staatsmann Helmut Kohl zu tun, mit seiner Überzeugung, seinem Stehvermögen, seiner Autorität und auch seiner internationalen Akzeptanz.
(Zuruf des Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD])
Denn – und das ist heute schon wieder erklärungsbedürftig – in den 80er-Jahren waren weite Kreise der bundesdeutschen Gesellschaft, Bevölkerung, Publizistik, Parteien auf dem Trip, eine eigene DDR-Staatsbürgerschaft zu akzeptieren und die Teilung Deutschlands in Bundesrepublik und DDR dauerhaft hinzunehmen.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!)
Auf diese Erwartungshaltung und Forderungen in der Gesellschaft – entsprechende Zitate von Literaturnobelpreisträgern und anderen sind vorhanden – sattelte Erich Honecker mit seinen Geraer Forderungen auf. Es waren vier Forderungen: Elbgrenze in der Elbmitte, Auflösung der Erfassungsstelle für DDR-Unrecht in Salzgitter, Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft, Aufwertung der ständigen Vertretungen zu Botschaften.
Erster Punkt: Erfassungsstelle in Salzgitter. Dort ist das DDR-Unrecht, das insbesondere in den Gefängnissen in Bautzen und Hohenschönhausen und anderen Gefängnissen politischen Häftlingen geschehen ist, aufgezeichnet worden. Ich weiß von vielen Häftlingen, die danach berichtet haben, dass sie nur durchgehalten haben in der Erwartung, in der Hoffnung, dass das irgendwo notiert, aufgeschrieben ist, der Nachwelt dokumentiert wird, wie sie zerstört werden sollten, ihre Persönlichkeit gebrochen. Und genau diese Erfassungsstelle sollte nicht mehr weiter bestehen. Die Finanzierung wurde von Bundesländern eingestellt, als Erstes von Oskar Lafontaine als Ministerpräsident des Saarlandes, dann von allen SPD-geführten Bundesländern. Und Helmut Kohl hat entschieden: Der Bund verdoppelt seine Ausgaben für diese Erfassungsstelle, damit sie – und das hat sie bis nach 1989 getan – weiterarbeiten kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Zweiter Punkt: eigene DDR-Staatsbürgerschaft. Es gibt viele Zitate, die darauf hinausliefen: Wir sollten nicht von der deutschen Einheit reden – eine darauf gerichtete Politik sei „reaktionär und hochgradig gefährlich“, sagte Gerhard Schröder zum Beispiel –, Erich Honeckers Forderung nach einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft und der Streichung des Wiedervereinigungsgebotes aus dem Grundgesetz sollte nachgekommen werden.
Wir haben 1989, am 9. November, die Mauer von Ost nach West umgeschubst.
(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)
Das war ein großer Akt. Wenn wir damals DDR-Bürger gewesen wären, hätten wir alle in der Bundesrepublik politisches Asyl beantragen müssen. Und dem Festhalten an der deutschen Einheit, der einheitlichen deutschen Staatsbürgerschaft, ist es zu verdanken, dass wir auch vom Staatsbürgerrecht her relativ problemlos in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland integriert werden konnten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)
Ich beeile mich, Herr Präsident. – Ein dritter Punkt. Am 11. November 1989 hat Michail Gorbatschow Helmut Kohl angerufen und hat gesagt: Herr Bundeskanzler, ich habe Berichte, dass es sich in Ostberlin möglicherweise aufschaukeln könnte. Er hatte Sorge um die sowjetischen Einrichtungen, das Ehrenmal, die Botschaft. Und Helmut Kohl hat ihm gesagt: Herr Generalsekretär, ich versichere Ihnen, das wird es nicht geben. Wir werden alles tun, dass das gleichmäßig und in geordneten Bahnen verläuft. – Michail Gorbatschow hat diesem Helmut Kohl vertraut, und wir verdanken ihm die schnelle Einheit.
Für viele Ostdeutsche verneige ich mich vor dem Staatsmann Helmut Kohl.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519821 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 227 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung |