Uli GrötschSPD - Verfassungsschutzrecht
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In gewisser Weise kann ich an die Worte meines Vorredners anknüpfen und sagen: Noch nie war das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr ein Frühwarnsystem für extremistische Bestrebungen als heute. Wie wichtig das ist, haben wir eben gehört bzw. anhand der Ausführungen meines Vorredners festgestellt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insbesondere die jüngste Entscheidung zur Beobachtung von Teilen der Querdenkerbewegung zeigt, dass die Behörde schnell auf neue Formen des Extremismus reagiert und meiner Meinung nach auch reagieren können muss.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist inzwischen top aufgestellt. Es hat nicht nur Islamismus und Linksextremismus, sondern eben vor allem Rechtsextremismus auf dem Radar. Es richtet seinen Blick nicht nur nach draußen, sondern auch in die Sicherheitsbehörden, um Verfassungsfeinde aufzuspüren. Das unterstützen wir als SPD ganz ausdrücklich.
(Beifall bei der SPD)
Das zeigt mir auch, dass diese Behörde auf der Höhe der Zeit ist und aktuelle Herausforderungen fest im Blick hat. Sie genießt daher – das sage ich ganz ausdrücklich – mein Vertrauen, und zwar heute stärker, als es in der Vergangenheit der Fall war.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])
Das oberste Ziel der vorliegenden Novelle des Verfassungsschutzrechts ist die Bekämpfung des Rechtsterrorismus. Das steht gleich im ersten Satz. Dass Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus die größte Bedrohung für unsere Demokratie sind, hat der Bundesinnenminister erst diese Woche bei der Vorstellung der Statistik bezüglich politisch motivierter Straftaten in 2020 wiederholt. Herr Seehofer, für diese Vehemenz danke ich Ihnen. Ich hoffe sehr, dass das auch in Ihre Parteienfamilie hineinwirkt.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Michael Theurer [FDP])
Deshalb ist es richtig, dass wir das Bundesverfassungsschutzgesetz an die jüngsten rechtsterroristischen Anschläge in Halle und Hanau oder in Christchurch, auf Utoya und anderswo anpassen, sodass die Verfassungsschützer auch gezielt Einzelpersonen im Vorfeld besser in den Blick nehmen können. Bislang war das Gesetz eher auf extremistische Gruppierungen ausgerichtet und nicht darauf, dass sich Einzelpersonen im stillen Kämmerlein radikalisieren. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf ändern.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss aber auch technisch auf die Höhe der Zeit kommen. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb maßvolle Befugniserweiterungen vereinbart; auch diese sind in diesem Gesetzentwurf enthalten. Dabei geht es um die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, das heißt das Auslesen von Kommunikation etwa auf Smartphones; wir haben das schon gehört.
(Benjamin Strasser [FDP]: Wie geht denn das technisch?)
Es ist nun mal so – und das ist ja auch nicht neu –, dass Extremisten und Terroristen nicht per SMS oder Telefon, sondern eben per Messenger auf ihrem Smartphone kommunizieren.
Ganz wichtig ist bei all dem, was in diesem Zusammenhang in diesem Gesetzentwurf steht: Es darf eben nur überwacht werden, was auch im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätte überwacht werden können. Das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Punkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich weiß, das ist umstritten. Die Argumente reichen von: „Wir brauchen keinen Verfassungsschutz“, bis hin zu: Warum geben wir unseren Nachrichtendiensten nicht alles, was technisch möglich ist, also eine Art Blankoscheck? Dass diese Maßnahme aber nicht bei unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern eingesetzt wird, sondern bei Extremisten und Terroristen, von denen eine erhebliche, schwerwiegende Gefahr für unser Land ausgeht, wird in der Debatte manchmal verzerrt dargestellt, auch in dieser wieder, liebe Kolleginnen und Kollegen. Außerdem ist das jetzt auch kein Instrument – das ist ja auch ein wichtiger Punkt –, das massenhaft zum Einsatz kommt, sondern eines, das sehr maßvoll angewendet werden wird.
Ja, das Auslesen von Kommunikation, auch aus Messengerdiensten, ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, der nur unter ganz engen Voraussetzungen und erst nach Prüfung und Anordnung vollzogen werden darf. Aber wir können von unseren Verfassungsschützern nicht erwarten, mit Instrumenten aus der Vergangenheit Anschläge in der Zukunft zu verhindern. Wer ein Frühwarnsystem will, der muss das Werkzeug mitliefern, und das wird den Verfassungsschutz als demokratisches Frühwarnsystem stärken.
Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beschließen übrigens am Wochenende bei unserem Parteitag ganz ausdrücklich, dass wir den Verfassungsschutz als ein Frühwarnsystem in unserer Demokratie sehen, und wir machen damit deutlich, dass die SPD für Maß und Mitte steht. Das ist unser Auftrag, liebe Genossinnen und Genossen.
(Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Wir erweitern mit Augenmaß und flankieren mit parlamentarischer Kontrolle.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
So schaffen wir mit diesem Gesetz gleichzeitig die Voraussetzung für eine bessere und effektivere Kontrolle der TKÜ-Maßnahmen, zum Beispiel durch mehr Mitglieder in der G‑10-Kommission und zusätzlichen technischen Sachverstand. Hier bin ich übrigens der Meinung, dass wir auch den juristischen Sachverstand in der G‑10-Kommission noch ausbauen sollten; denn es kommt ja auch mehr Arbeit auf die G‑10-Kommission zu.
Wir setzen hier die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um. Mehr Aufklärungsbefugnisse sollen mit mehr Kontrolle einhergehen. Das haben wir im März bei der BND-Novelle so gemacht, und ich bin froh, dass gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein neues Kontrollregime für die Auslandsüberwachung des Bundesnachrichtendienstes gerade sehr fruchtbar im Aufbau ist. Das gehört sich in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat so, und das unterscheidet uns wohltuend von der Mehrheit aller Länder der Welt.
Maß und Mitte gilt für uns auch in Bezug – das sei noch erwähnt – auf die Reform des Bundespolizeirechts, die wir auch bald beschließen wollen: keine Onlinedurchsuchung und auch keine automatische Gesichtserkennung, keine Taser für die Bundespolizei, und die Quellen-TKÜ beschränken wir nur auf den Bereich Menschenhandel.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Alles schlecht?)
Das ist Maß und Mitte, und dafür steht die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gilt es immer, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu halten. Wegen dieser Balance war und ist die SPD der Meinung, dass wir die Befugnisse zur Quellen-TKÜ erst mal nur auf das Bundesamt für Verfassungsschutz hätten beschränken sollen. Das sieht der Bundesinnenminister, und das sieht unser Koalitionspartner anders, und jetzt bekommen eben auch die anderen beiden Nachrichtendienste diese Befugnisse. „ Mehr ist mehr“, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ist meiner Meinung nach nicht immer das richtige Motto.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Aber einer Koalition ist das Prinzip des Kompromisses inhärent. Deshalb tragen wir das an dieser Stelle natürlich mit.
Gleichzeitig sage ich aber für meine Partei – und damit komme ich zum Schluss –: Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode ein dauerhaftes, regelmäßiges und unabhängiges Monitoring unserer Sicherheitsgesetze und damit auch der Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Ich bin mir sicher: Auch in der Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf in der nächsten Sitzungswoche wird es dazu noch Input geben. Darauf freue ich mich und auch auf die parlamentarischen Beratungen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Benjamin Strasser, FDP, hat jetzt das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519885 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Verfassungsschutzrecht |