Axel MüllerCDU/CSU - Schutz von Pressefreiheit und Medien
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Jahrgang 1963. Das ist das Jahr, in dem Kennedy Berlin besuchte, aber auch das Jahr, in dem er ermordet wurde.
Schon ein Jahr zuvor, 1962, ereignete sich in der Bundesrepublik Deutschland etwas, was mich später als politisch interessierten jungen Menschen und auch Jurastudenten ebenso sehr beschäftigt hat wie das tragische Schicksal des amerikanischen Präsidenten, etwas, von dem wahrscheinlich nur noch wenige in diesem Haus als Zeitzeugen berichten können; einer sitzt direkt hinter mir. Ich meine die „Spiegel“-Affäre.
Dem Herausgeber des Magazins „Der Spiegel“ Rudolf Augstein, zeitweise Mitglied des Deutschen Bundestages, und seinem Kollegen Conrad Ahlers, später Regierungssprecher und Staatssekretär, wurde der Vorwurf des Landesverrates im Zusammenhang mit Veröffentlichungen um die Beschaffung des Kampfflugzeuges Starfighter und den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gemacht. Es wurden Redaktionsräume durchsucht, Unterlagen beschlagnahmt. Ja, Ahlers und Augstein wurden sogar zeitweise in Untersuchungshaft genommen.
Sie haben dann beim Bundesverfassungsgericht gegen diese staatlichen Maßnahmen Verfassungsbeschwerde erhoben. Das hat 1966 dann ein bahnbrechendes und auch mehr als ein halbes Jahrhundert später nach wie vor gültiges Grundsatzurteil erlassen. An dieses sollten wir uns gerade in Zeiten der Pandemie, in der wir die Presse als systemrelevant eingestuft haben, erinnern.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine klare Richtschnur für das Verständnis von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 unseres Grundgesetzes vorgegeben, wo geschrieben steht: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Darüber gehen die Meinungen in diesem Haus, wenn ich nach rechts schaue, bekanntlich auseinander; aber das lasse ich jetzt mal dahingestellt.
Kernsätze der erwähnten Entscheidung sind: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates …“ Weiter heißt es in dieser Entscheidung: „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“
Was folgt daraus? Das ist eine Institutsgarantie für eine freie Presse in einer privatwirtschaftlichen Struktur und die Verpflichtung des Staates, genau darüber zu wachen, dass es keine übermäßigen Konzentrationen am Meinungsmarkt geben darf, dass keine Informationsmonopole entstehen dürfen, aber auch, dass Übergriffe gegen die Medienvertreter in persona abzuwehren sind. All das tut die Bundesrepublik Deutschland bereits in vielerlei Hinsicht und an zahlreichen Stellen. Darauf will ich mit Blick auf die beiden Anträge von FDP und Linke kurz eingehen.
Wir haben eine freie, privatwirtschaftlich agierende Presse, und wir unterstützen sie auch durch zahlreiche gesetzliche Regelungen und tatsächliche Leistungen. Zum einen macht es das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen möglich, Preisbindungen bei Presseprodukten festzusetzen und wirtschaftlich sinnvolle Fusionen zum Erhalt von Medienunternehmen zuzulassen. Zum anderen haben wir mit Blick auf den Transformationsprozess im Digitalen die Möglichkeit der Unterstützung geschaffen, indem wir 220 Millionen Euro bereitgestellt haben; allein im Nachtragshaushalt 2020 waren das 20 Millionen Euro. Die Linke kritisiert den Verteilerschlüssel. Dabei ist er, wie ich meine, durchaus transparent und plausibel. Er knüpft an Auflagenstärke sowie Verbreitungsgebiet an und setzt voraus, dass mindestens 30 Prozent redaktioneller Anteil bei einem Blatt bestehen muss.
Auch den von der Linken geforderten Schutz in Bezug auf die Strafbarkeit sogenannter Datenhehlerei haben wir in § 202d StGB bereits geregelt. Ich weiß, Sie wollen die Gruppe der Journalisten auf eine weitere, nicht dieser Berufsgruppe zugehörigen Gruppe ausdehnen: auf die sogenannten Whistleblower. Wir haben einen Anfang gemacht – Stichwort „Verletzung von Geschäftsgeheimnissen“ –; da haben wir die Whistleblower geschützt. Zu weiteren Ausdehnungen sind wir, denke ich, bereit, und darüber muss man reden. Außerdem haben wir Journalistinnen und Journalisten nach § 53 der Strafprozessordnung davor geschützt, sich und ihre Informationsquellen preisgeben zu müssen, beispielsweise in einem Strafverfahren.
Über die nationale Ebene hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland die europäische Ratspräsidentschaft dazu genutzt, in einer von Kulturstaatsministerin Monika Grütters geführten Arbeitsgruppe festzuschreiben, wie ein pluralistisches und widerstandsfähiges Mediensystem von grenzüberschreitenden Angeboten national wie auch EU-weit geschaffen werden kann. Deutschland engagiert sich, was Pressefreiheit anbelangt, in der OSZE und in den Vereinten Nationen. Und: Deutschland hat die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert, wo in Artikel 10 ausdrücklich die Pressefreiheit normiert ist.
Wir haben auch – um der Forderung der FDP nachzukommen und Ihrem Antrag Rechnung zu tragen – unsere Sicherheitsbehörden im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten ausreichend geschult; die Kollegin Motschmann hat das, denke ich, ausführlich dargestellt.
Es muss festhalten werden, dass im vergangenen Jahr mehr als drei Viertel der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten oder Medienvertreter bei Demonstrationen stattgefunden haben, entweder auf oder am Rande von Coronademonstrationen oder – das hat die Kollegin Achelwilm leider vergessen – am 1. Mai.
(Elisabeth Motschmann [CDU/CSU]: Ja!)
Wir tun alles, um dem Einhalt zu gebieten. Unter anderem werden wir solche – von Ihnen zu Recht kritisiert – zahlenmäßig nicht erfassten Vorgänge in den Mittelpunkt rücken. Das tut der Bundesinnenminister, indem er diese Dinge selber in den Fokus nimmt und öffentlich ächtet. Das ist meines Erachtens oftmals mehr wert als eine weitere Statistik, ein weiterer Bericht, der irgendwo in einer Schublade verschwindet.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
All das und noch viel mehr findet sich in einem wirklich lesenswerten Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion vom November 2020, ebenso die Forderung an das Auswärtige Amt, sich für einen UN-Sonderbeauftragten zum Journalistenschutz einzusetzen. Dazu gibt es auch einen entsprechenden Grundsatzbeschluss aus der 18. Wahlperiode.
Ganz zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich etwas sagen zu der Klage beider Antragsteller, die ich genannt habe – sowohl von der FDP als auch von den Linken –, bezüglich Hass und Hetze im Netz, die leider auch vor Journalisten und Journalistinnen nicht haltmachen. Unserem entschiedenen Vorgehen dagegen, beispielsweise mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, wollte sich hier im Hause vonseiten der Oppositionsfraktionen niemand anschließen. Mit erheblicher Verzögerung ist es uns gelungen, das dann doch noch über den Vermittlungsausschuss im Bundesrat auf den Weg zu bringen.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Dieses Gesetz gilt, und es wird wirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7519916 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Pressefreiheit und Medien |