07.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 228 / Tagesordnungspunkt 34

Barbara HendricksSPD - Schutz von Pressefreiheit und Medien

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Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als zufriedenstellend haben Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefreiheit in Deutschland bezeichnet; nicht als gut, wie in den Jahren zuvor. Das Zeugnis, das Deutschland Ende April in der weltweiten Rangliste ausgestellt wurde, kann uns eben nicht zufriedenstellen. Platz 13 von 180 Plätzen hört sich dabei zunächst akzeptabel an. Aber wenn es um die Pressefreiheit geht, dürfen wir uns nicht erlauben, Abstriche zu machen.

Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich rede hier nicht davon, dass unsere Pressefreiheit nicht funktionieren würde. Selbstverständlich können Medien in unserem Land in der Regel frei und unabhängig berichten; durch staatliche Maßnahmen, wie das in vielen Ländern leider traurige Realität ist, werden sie nicht eingeschränkt. Doch es gibt immer wieder Fälle, in denen Journalistinnen und Journalisten bedroht, in ihrer Arbeit behindert oder angegriffen werden.

Im vergangenen Jahr stellt sich die Situation der Pressefreiheit schlechter dar als zuvor: 69 körperliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, fünfmal mehr als im Vorjahr, zählte das European Centre for Press and Media Freedom. Etwa die Hälfte dieser Angriffe hatte einen rechten Hintergrund, 7 Prozent hatten einen linken Hintergrund. Auch die Tatorte wurden dokumentiert: 71 Prozent aller Angriffe fanden bei pandemiebezogenen Demonstrationen statt. Dabei sind es nicht nur die Reichsbürger und Rechtsextremisten, die bei den Demonstrationen zuschlagen. Die Hemmschwelle sinkt auch bei Menschen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Die Angreifer reihen sich damit ein in die Reihen der Demokratiefeinde der neuen Rechten, deren parlamentarischer Arm hier im Plenum sitzt.

Auch wenn sich die Fraktionsvorsitzende Weidel im ZDF mehr schlecht als recht von den Coronaleugnern distanzieren wollte: Ihre Leute machen sich gemein mit den sogenannten Querdenkern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Abgeordnete Hilse trug hier am Rednerpult des Deutschen Bundestages ein T‑Shirt der mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachteten sogenannten Querdenker. Der Abgeordnete Müller machte sich mit Verschwörungsideologen gemein, als er vor dem Brandenburger Tor die Menge mit seinem Gerede vom Ermächtigungsgesetz aufpeitschte. Der Grund für die Zunahme von Gewalt ist daher eindeutig: Die Leute, die von Diktatur und Lügenpresse reden, schränken gleichzeitig die freie Berichterstattung massiv ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um der Gewalt auf Demonstrationen zu begegnen, hat die Polizei Hannover einen neuen Ansatz gewählt. Sie kündigte an, bei den Querdenkerdemonstrationen künftig spezielle Schutzzonen für Reporterinnen und Reporter zu schaffen. Dieser sicherlich gutgemeinte Vorschlag ist meines Erachtens aber nicht zielführend. Er erlaubt es dann zwar Medienvertretern, in einem geschützten Bereich ihrer Arbeit nachzugehen, nur bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass die Polizei den Schutz außerhalb dieser Zonen nicht gewährleisten kann. Das Recht auf eine freie und unabhängige Berichterstattung muss jedoch zu jeder Zeit und überall durch die Polizei gewährleistet werden.

Sicherlich kennen Sie auch das Video der von mir geschätzten Journalistin Dunja Hayali, die sich im vergangenen Jahr bei ihrer Arbeit für das ZDF ausschließlich mit privaten Personenschützern auf einer Demonstration in Berlin bewegen konnte. Sie musste den Dreh dennoch abbrechen, weil die Anfeindungen und Bedrohungen ihre Sicherheit massiv einschränkten. Ich würde mir daher von der Polizei manchmal mehr Sensibilisierung für das Thema und auch neue Einsatzkonzepte wünschen.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Denn es ist der Staat, der die Pressefreiheit zu schützen hat. Gleichzeitig sind aber auch wir alle es, die mit unseren Werten vorleben müssen, dass andere Meinungen zu einer freien und pluralistischen Gesellschaft dazugehören.

Vergessen sollten wir aber eines nicht: Bedrohung, Beleidigung und Gewalt sind keine Meinungen; es sind Straftaten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Hendricks. – Damit schließe ich die Aussprache.

Personen

Dokumente

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Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7519923
Wahlperiode 19
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Schutz von Pressefreiheit und Medien
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