Karl-Heinz BrunnerSPD - Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gehört schon eine gewisse Portion Chuzpe dazu, diese Tagesordnung heute so zu gestalten und von der AfD Belehrungen abzugeben, was Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ist.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ja!)
Sie haben eine gehörige Portion Chuzpe; denn wir wissen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland und die Pressefreiheit in unserem Land von Platz 11 im Jahr 2020 auf Platz 13 im Jahr 2021 verschlechtert hat, und zwar deshalb, weil dort unter anderem 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalisten eingerechnet sind, die sich in der überwiegenden Anzahl eben aus Ihrem Milieu, genau aus Ihrem Milieu als solchem gespeist haben,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)
von Leuten, die bei Journalistinnen und Journalisten von Lügenpresse, von gesteuerter Presse, von Staatspresse, von Merkel’scher Presse oder Ähnlichem sprechen, die bei Demonstrationen von Querdenkern und Ähnlichen Journalistinnen und Journalisten hemmungslos angehen, indem sie sie schlagen, treten, zu Boden stoßen, bespucken, bedrängen, beleidigen und bedrohen. Und Sie stellen sich dann hierher und tun so, wie wenn die Aktion der Künstlerinnen und Künstler als solches ein Zufallsprodukt gewesen wäre, das Ihre Unterstützung benötigt!
Nein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in Artikel 5 unseres Grundgesetzes sehr wohl und sehr gut geschützt. Das ist ein wichtiges Gut in diesem Land. Aber Meinungsfreiheit und Pressefreiheit bedeuten auch, dass man ertragen muss, dass jemand eine Meinung sagt, und dass man ertragen muss, dass es Widerspruch gibt, starken Widerspruch aus der Gesellschaft.
(Martin Hess [AfD]: Dann sagen Sie es auch! Netzwerkdurchsetzungsgesetz!)
Man muss auch ertragen, dass diese Meinungsfreiheit, diese Pressfreiheit ihre Grenzen dort hat, wo individuelle Rechte von Personen eingeschränkt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese Grenze, verehrte Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, verehrte Damen und Herren, die zuschauen, zu überschreiten, dürfen wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht zulassen; denn das Individualrecht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit, darauf, nicht beleidigt zu werden, nicht bedroht zu werden, keine Angst in dieser Gesellschaft haben zu müssen, ist ein gleich, wenn nicht höher schützenswertes Gut als die Meinungsfreiheit.
Wir haben viele Menschen in diesem Land, die sich inzwischen – das sagen Sie zu Recht – nicht mehr trauen, etwas zu sagen, aber nicht, weil es staatliche Gewalt gibt, sondern weil aus Ihrem Milieu etwas kommt, zum Teil gesteuert aus der Russischen Föderation, mit irgendwelchen Bots, mit irgendwelchen Trollen und Ähnlichem im Internet, wo es ja ganz einfach ist, mit einem Klick „Daumen nach oben“ oder mit einem Klick „Daumen nach unten“ zu machen.
(Berengar Elsner von Gronow [AfD]: Verschwörungstheorie!)
– Nein, das sind keine Verschwörungstheorien. Das sind Tatsachen.
(Berengar Elsner von Gronow [AfD]: Das sagen alle Verschwörungstheoretiker!)
– Also, ich kann von mir sagen: Ich bin selbst – in Anführungszeichen – „Opfer“ von so was geworden. Ich kann damit leben, ich kann das abschütteln, weil ich sage: Das sind alles Spinner. Diese Republik wird die Spinner auch ertragen und wird sich von diesen Spinnern wieder befreien. Spinner haben immer nur eine gewisse Zeit in diesem Land.
(Zurufe von der AfD)
Spinner brauchen wir nicht als solche in den Mittelpunkt zu stellen.
Aber ich sage, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen in diesem Lande wehrhaft sein. Wir müssen unsere Pressefreiheit und unsere Meinungsfreiheit verteidigen.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Haben Spinner Meinungsfreiheit?)
Und wir müssen alle daran arbeiten, dass die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land frei Bericht erstatten können, und zwar auch so, dass er uns mal nicht gefällt.
Es gibt viele, die einen Pressebericht über sich gelesen und gesagt haben: O Gott, musste das sein? – Dann wird vielleicht der Redakteur angerufen, und man sagt anschließend: „Hättest du besser den Mund gehalten und nichts gesagt“, weil man es dadurch auch nicht unbedingt besser macht.
Nein, wir müssen diese Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit dieses Landes ertragen. Aber wir müssen in diesem Land stark genug sein, unsinnige Aussagen, Verschwörungstheorien und etwa das, was uns Frau Cotar wie aus einem Lehrbuch über eine bizarre Republik vorgetragen hat, die ich nicht kenne, in der ich nicht lebe und in der ich nicht leben will,
(Martin Hess [AfD]: Dann machen Sie mal die Augen auf, Herr Brunner! Machen Sie mal die Augen und die Ohren auf! Nehmen Sie mal die Realität zur Kenntnis!)
von der Wahrheit und von der Realität zu trennen.
In diesem Sinne darf ich Ihnen die letzten 45 Sekunden meiner Redezeit an diesem Nachmittag, der eh schon ein bisschen lang ist, schenken
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr großzügig!)
und hoffe, dass wir alle miteinander auf gutem Wege sind, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit als solche zu schützen, zu erhalten und in den Mittelpunkt zu stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Guter Mann! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Für Sozis ganz okay!)
Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7520190 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit |