07.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 228 / Zusatzpunkt 27

Christoph PloßCDU/CSU - Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile nicht Ihre Meinung, aber ich werde alles dafür tun, dass Sie die äußern dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Diese Worte, die dem Philosophen Voltaire in den Mund gelegt werden, sind der Maßstab für unsere demokratische Kultur,

(Peter Boehringer [AfD]: Für Ihre nicht! – Jürgen Braun [AfD]: Für unsere schon, ja!)

und sie prägen bis heute unser Grundgesetz. Dass Meinungsfreiheit nicht aus der bürgerlichen Mitte heraus gefährdet wird, kann man doch wirklich jede Woche sehen. Ob Herr Gauland Unsinn bzw. schlimme Sachen erzählt wie „Der Nationalsozialismus ist ein Vogelschiss in der Geschichte“ oder viele andere Punkte – das dürfen Sie äußern.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Mensch, dafür hat er sich fünfmal entschuldigt!)

Das heißt aber nicht – der Kollege Amthor hat es völlig zu Recht gesagt –, dass das ohne Widerspruch von der bürgerlichen Mitte hingenommen werden muss, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Marianne Schieder [SPD])

Wir dürfen aber trotzdem nicht die Augen vor gefährlichen Tendenzen verschließen. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass an Schulen, dass an Universitäten, dass in anderen Einrichtungen zumindest teilweise die Meinungsfreiheit vom linken Rand genauso wie vom rechten Rand gefährdet ist. Es gibt mittlerweile einige universitäre Veranstaltungen, die abgesagt werden, weil die Meinung einigen Studenten oder anderen Teilnehmern nicht gefällt. Es gibt auch von der rechten Seite Angriffe, wenn Personen aus dem linken politischen Spektrum reden, weil ihnen diese Meinung nicht gefällt.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wo denn? Wann denn?)

Aber was unsere Demokratie und was gerade den Austausch an unseren Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen auszeichnet, ist, dass man nicht nur in einer Art Selbstkonformismus verharrt und andere Meinungen zulässt, sondern sich möglicherweise auch kritisch mit diesen auseinandersetzt

(Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

und andere Meinungen möglicherweise sogar als bereichernd empfindet.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da gibt es viele Beispiele. Wenn der Historiker Helmut Bley nicht an einer Veranstaltung in Hannover teilnehmen soll, weil er weiß ist und weil sich angeblich nicht er mit Rassismus auseinandersetzen sollte, sondern nur diejenigen, die direkt betroffen sind, dann legen hier einige die Axt an das demokratische Fundament unseres Landes; denn was uns auch im Deutschen Bundestag auszeichnet und was unsere demokratische Debattenkultur auszeichnet, ist doch nicht, dass man sich nur dann an einer Diskussion beteiligen darf, wenn man einer gewissen Gruppe zugehört oder eine bestimmte Identität hat. Eine Grundvoraussetzung für einen guten demokratischen Diskurs ist doch, dass man sich in andere hineinversetzt und dass auch wir als Bundestagsabgeordnete nicht nur etwas für unsere eigene Gruppe, für unser Geschlecht oder für unsere Altersgenossen machen, sondern dass wir uns auch in alle anderen Menschen dieses Landes hineinversetzen.

(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Die müssen aber auch Gehör bekommen!)

So wie ich in Anspruch nehme, als Mann auch etwas für Frauen zu tun und als jüngerer Abgeordneter auch etwas für Senioren zu tun, so erwarte ich von weiblichen Kollegen, dass die auch etwas für Männer tun oder dass ältere Kolleginnen oder Kollegen auch etwas für die jüngeren Generationen tun. Das muss doch der Maßstab für unsere Debattenkultur und für politische Entscheidungen hier sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Man muss den Betroffenen auch Gehör schenken! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Sagen Sie das den Grünen!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, daher müssen wir auch alles gegen Bestrebungen tun, die das gefährden. Wenn ich mir ansehe, dass die AfD diejenigen, die den – aus ihrer Sicht – völkischen Gruppen nicht entsprechen und die – aus ihrer Sicht – nicht zum Volk gehören,

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Quatsch!)

von demokratischen Diskursen ausschließen möchte, dann kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen! Da müssen wir als bürgerliche Mitte alles dafür tun, dass das sich hier nicht ausbreitet.

Wir müssen, meine Damen und Herren, all diese Tendenzen sehr ernst nehmen: an Schulen, an Universitäten, in anderen Bereichen. Es darf nicht sein, dass irgendwelche Meinungen gecancelt werden, zerstört werden. Es darf auch nicht sein, dass zum Beispiel eine Organisation wie die Neuen deutschen Medienmacher*innen sagen: Ein Wort wie „Einheimischer“ oder „Migrant“, das dürft ihr nicht mehr verwenden.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Oder „Deutscher“! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das haben die gar nicht so behauptet! Das haben Sie falsch verstanden!)

All dem müssen wir entgegenstehen. Das wird die große Aufgabe der bürgerlichen Mitte in diesem Land sein,

(Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

einer linken und einer rechten Identitätspolitik entgegenzutreten; denn das, was man schon nach dem Zweiten Weltkrieg konstatiert hatte, ist in diesen Tagen umso wichtiger: Die bürgerliche Mitte muss die offene Gesellschaft gegen all ihre Feinde verteidigen. Dafür werben wir als CDU/CSU-Fraktion gerade in diesen Tagen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt sehr dürftig! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Grenzwertig! Äpfel mit Birnen verwechselt! Alles in einen Topf geworfen!)

Das Wort hat der Kollege Helge Lindh für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7520196
Wahlperiode 19
Sitzung 228
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit
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