Helge LindhSPD - Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Lebhafter Beifall bei der AfD)
– Jetzt fühle mich fast an „Blockwart“ erinnert, wenn ich den Applaus gerade vernehme, aber das ist ja eine Tradition, in die Sie sich einordnen.
Mit der Beantragung und dem Titel der Aktuellen Stunde haben Sie, was ich Ihnen nicht zugetraut hätte, jedenfalls Humor bewiesen.
(Martin Hess [AfD]: Da sehen Sie mal! Öfter mal was Neues!)
„Meinungsfreiheit“ ist da das erste Stichwort. Sie sind ja die Antithese zu Meinungsfreiheit.
(Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau!)
Sie sprechen – zweites Stichwort – über „Zensur verhindern“ und praktizieren diese regelmäßig auf Ihren eigenen Plattformen, wenn Ihnen sachliche Meinungen und andere Meinungen nicht gefallen. Das dritte Stichwort „Debattenkultur“ ist am schönsten; denn Sie haben weder Debatte noch Kultur. Glückwunsch! Das ist wirklich Humor, den Sie bewiesen haben.
Sie haben ja auch großartige Kronzeugen, wie ich von Frau Cotar gehört habe. Sie versuchte ja, die SPD anzugreifen, indem sie einen Arzt erwähnte; er heißt, glaube ich, Herr Brandenburg. Es ist interessant, dass der Herr, wenn man sich das näher anguckt, auf seinen Plattformen selber betont, dass es wichtig wäre, dass man unterschiedliche Meinungen aushält und dass man es auch verurteilen müsse, wenn Andersdenkende öffentlich an den Pranger gestellt werden. Wenn man dann selbst Leute, die der eigenen Meinung offensichtlich nicht entsprechen, unter Missachtung ihrer Grundrechte an den Pranger stellt, dann ist das wirklich ein hervorragender Kronzeuge für Meinungsfreiheit.
Und es wird noch besser: Dieselbe Person führt am 21. April 2021 in Bezug auf das Infektionsschutzgesetz aus, an diesem Tag habe das Parlament zum zweiten Mal im Reichstag die Demokratie verraten. – Also Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz. Zur SPD findet sich da ausgeführt: Beim ersten Mal hätte die SPD noch Herz und Hirn gehabt, nicht Mittäter zu sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Leute, auf die Sie sich berufen, machen die SPD verächtlich. Aber diese Sozialdemokratische Partei hat, anders als Sie es immer präsentieren, gegen die Diktatur gestanden. Viele Sozialistinnen und Sozialisten und Kommunistinnen und Kommunisten waren schon in den Konzentrationslagern, als wir hier als Sozialdemokraten für dieses Land und diese Demokratie gekämpft haben.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Sie verharmlosen gerade die NS-Verbrechen! Merken Sie das eigentlich?)
Das nicht „Mittäter“ zu nennen, ist eine Bagatellisierung, Verharmlosung
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU], Helin Evrim Sommer [DIE LINKE] und Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das tun Sie gerade!)
und Verächtlichmachung der Demokratie einerseits und eine Verharmlosung des Nationalsozialismus andererseits. Das verstehen Sie unter Meinungsfreiheit. Herzlichen Glückwunsch!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Astrid Mannes [CDU/CSU] und Helin Evrim Sommer [DIE LINKE] – Dr. Götz Frömming [AfD]: Berlin ist nicht Weimar! Wach mal auf, Mann!)
Aber wir haben uns wahrscheinlich geirrt. Wir haben einfach ein unterschiedliches Verständnis von Meinungsfreiheit. Man muss das umdefinieren. Meinungsfreiheit im AfD-Deutsch heißt dechiffriert „Hassfreiheit“, also Freiheit zum Hass; denn das ist es, worum es Ihnen geht.
(Lachen des Abg. Gerold Otten [AfD])
Sie gehen ja mit Kalkül vor. Das ist ja letztlich auch Täterschutz, damit Sie Ihren Hass und den Ihrer Unterstützer auch ohne Sanktionen weiter praktizieren können. Das verstehen Sie darunter. Und Sie haben auch einen interessanten Habitus dabei. Ich würde das vergleichen mit einem Waffenhändler, der sich als Lebensschützer darstellt.
(Heiterkeit der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE])
Sie sind Waffenhändler, die sich als Lebensschützer darstellen. Das muss man auch erst mal schaffen. Das hat entweder mit einem Mangel von Herz und Hirn zu tun – ich erinnere an mein Zitat eben – oder mit wirklich großem Humor. Sie können sich die Antwort aussuchen.
Was Sie also machen, ist, hier das Thema Meinungsfreiheit vor das Tribunal zu stellen. Bei diesem Scheintribunal gibt es vermeintliche Opfer; das sind Sie. Sie sind keine Opfer, übrigens auch nicht Herr Liefers. Er war in jeder Talkshow, sein Vertrag wurde verlängert. Wahrlich ist er kein Opfer der Meinungsfreiheit; das soll er ja auch nicht sein.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Glück gehabt!)
Aber er erleidet kein Martyrium. Dann gibt es Täter in diesem Tribunal, tatsächliche Täter – das sind Sie und Ihre unterstützenden Bataillone –,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: „Bataillone“!)
und es gibt tatsächliche Opfer. Darauf möchte ich jetzt auch mal zu sprechen kommen.
Was ist denn mit der Meinungsfreiheit vieler, vieler Frauen, die durch die frauenfeindliche Hetze Ihrer Anhänger im Netz bloßgestellt und attackiert werden?
(Martin Hess [AfD]: Absolut lächerlich!)
Was ist mit deren Meinungsfreiheit?
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Martin Hess [AfD]: Wovon reden Sie?)
Und warum wünschen Sie sich Meinungsfreiheit für sich selbst oder Herrn Liefers und andere von „Alles dichtmachen“, aber interessieren sich überhaupt nicht für die Meinungsfreiheit etwa eines Vaters eines Opfers von Hanau, Herrn Kurtovic? Nein, das interessiert Sie nicht. Und was ist mit den anderen Opfern? Einige sitzen auch hier. Ich sehe hier Frau Künast; ich erinnere an Claudia Roth und an mich selbst.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die AfD gewandt: Frau Kiesewetter, die Polizistin!)
Das muss mal benannt werden. Es betrifft auch viele andere hier im Raum.
Es wäre nicht so tragisch, wenn wir hier einfach nur über Ihre völkischen Dummheiten, über Ihre dämlichen Anträge oder sonst was sprechen würden. Aber mit Ihrem Vorgehen machen Sie Menschen kaputt. Und ich sage es hier deutlich: Aus meiner Sicht hatten Sie Ihre Finger mit am Abzug in Hanau, mit am Abzug in Kassel und mit am Abzug in Halle!
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der AfD)
Nichts anderes war der Fall.
(Martin Hess [AfD]: Sie sind ein übler Hetzer, Herr Lindh! Übelste Hetze ist das! – Weitere Zurufe von der AfD)
Zum Abschluss –
Kollege Lindh.
– weise ich mal darauf hin, was das konkret bedeutet, was Ihre Fans und die, die Sie anstiften, in die Welt blasen. Ich lese vor – –
Kollege Lindh, Sie müssen das verkürzen.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Nee, die Zeit ist um!)
Wie bitte?
Sie müssen das jetzt verkürzen und zum Punkt kommen.
Gut, ich beschränke mich auf einen Satz:
Ich passe dich in Wuppertal ab, fahre mit meinem E‑Scooter …, kann mit rechts Gas geben und mit links zuschlagen. Durch den Schlag wird deine abscheuliche Fresse zertrümmert. Vielleicht brechen ein paar Wirbel. Vielleicht kriegst du eine Gehirnerschütterung mit Blutungen und dein Neandertalergehirn schwillt an. … Sterilisation ist gar nicht nötig. … wer will schon so eine abscheuliche Missgeburt wie dich als Partner haben.
Ja, Glückwunsch: Das sind die Geister, die Sie riefen!
(Berengar Elsner von Gronow [AfD]: Das kriegen wir alle, und bestimmt nicht von Rechten! – Martin Hess [AfD]: Das kriegen doch nicht nur Sie!)
Sie machen Menschen kaputt, Sie zerstören Leben. Sie sind die Letzten, die Meinungsfreiheit für sich beanspruchen können! Aber Sie sind erfolgreich darin, Hassfreiheit für sich zu beanspruchen. Glückwunsch!
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Das kriegen wir auch tagtäglich! – Martin Hess [AfD]: Herr Lindh, dass man so tief sinken kann, das hätte ich nicht mal Ihnen zugetraut! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat immer noch nichts zu Frau Kiesewetter gesagt! – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Wort gesagt zu seiner früheren Kollegin!)
Das Wort hat der Kollege Tankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7520197 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 228 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde – Schutz der Meinungsfreiheit |