19.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 229 / Zusatzpunkt 1

Alexander Graf LambsdorffFDP - Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich es für ein sehr gutes Zeichen halte, dass Sie an dieser Aktuellen Stunde teilnehmen. Das ist ein gutes Zeichen an unsere Freunde in Israel. Danke, dass Sie da sind!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich habe in der letzten Woche die Synagoge in meinem Wahlkreis in Bonn besucht. Die Synagoge war Gegenstand eines Angriffs, sie ist mit Steinen beschmissen worden. Vor ihrer Tür sind israelische Fahnen verbrannt worden. Es sind antisemitische Beleidigungen geschrien worden. Und die Vorsteherin der jüdischen Gemeinde sagte uns – wir waren mit mehreren da, parteiübergreifend –, dass sie nicht mehr wisse, ob am Schabbat die Gläubigen noch kommen würden aus Angst vor solchen Übergriffen.

Meine Damen und Herren, so was versetzt einem einen Stich ins Herz. Ich will das hier deutlich sagen: Wer Steine auf Synagogen wirft, wer auf offener Straße wüste antisemitische Beleidigungen schreit, wer israelische Fahnen verbrennt, der versucht, unter falschem Vorwand Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden zu verbreiten. Das ist ein Angriff auf unsere freiheitlichen Werte, dem wir geschlossen entgegentreten müssen. Und es gibt kein einziges Ereignis im Nahen Osten, das derlei rechtfertigen würde.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der LINKEN)

In den letzten Tagen – wir haben es gehört – wurden über 3 000 Raketen aus Gaza in Richtung Israel abgefeuert. Es kam zu Gegenangriffen. Wir haben inzwischen über 200 Tote. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt: „Am Himmel leuchtet die Hölle“. Und wer die Bilder des israelischen Nachthimmels gesehen hat, weiß auch, warum.

Wir machen uns manchmal nicht klar, was das eigentlich für die Menschen ganz konkret bedeutet. Israel ist ein Land mit einer Fläche kleiner als Hessen. Machen wir uns einmal einen Moment klar, was es bedeuten würde, wenn 3 500 Raketen auf ein Gebiet zwischen Kassel und Darmstadt abgefeuert würden, von denen circa 500 bis 700 auch durchkommen und einschlagen. In Israel wohnen weniger Menschen als in Baden-Württemberg. Was würde es denn bedeuten, wenn zwischen Heidelberg und Konstanz derlei geschähe? In Wohngebäuden, auf Marktplätzen, neben Schulen schlagen Raketen ein. Das ist doch eine Situation, in der es nur eine ganz klare Aussage aus der Bundesrepublik Deutschland geben kann: Israel hat ein Recht, sich gegen diese Angriffe zu verteidigen. – Und da gibt es keine zwei Meinungen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Anton Friesen [AfD])

Es hat mich, ehrlich gesagt, traurig gemacht, dass es eine Weile gedauert hat, bis Sie, Herr Maas, bis auch Frau Baerbock sich genauso klar geäußert haben, wie es von Anfang an erforderlich gewesen wäre. Aber Sie haben das korrigiert; ich begrüße das.

(Beifall bei der FDP)

Was ich aber überhaupt nicht verstehen kann, ist, wenn der Parteivorsitzende der SPD, Herr Norbert Walter-Borjans, ein Junktim zwischen unserer Unterstützung für Israel und der Mitsprache bei der Verteidigung des Landes Israel etablieren will. Das ist anmaßend, deplatziert und geschichtsvergessen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zuruf des Abg. Armin-Paulus Hampel [AfD])

Willy Brandt ist in Gedenken an den Horror des Warschauer Ghettos auf die Knie gefallen. Jetzt, wo Raketen auf Israel niedergehen, ist Norbert Walter-Borjans dem jüdischen Staat in den Rücken gefallen. „ Quo vadis, SPD?“, kann ich nur sagen. Wo führt diese Politik hin?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was können wir jetzt tun? Jetzt geht es erst mal um schnelle Deeskalation. Es müssen weitere Opfer verhindert werden. Ich begrüße, dass der EU-Sondergesandte Koopmans entsandt worden ist. Ich hoffe, er hat ein umfassendes Mandat, um gemeinsam mit den USA daran zu arbeiten, die Ausweitung der Gewalt zu verhindern. Wir haben vom Drohnenabschuss an der jordanischen Grenze gehört. Wir haben von sechs Raketen gehört, die aus dem Libanon Richtung Israel abgeschossen wurden. Eine Ausweitung der Gewalt hätte wirklich fatale Folgen.

Wir müssen aber auch über die Ursachenbekämpfung reden. Die Zuspitzung hat dazu geführt, dass wir wieder hinschauen, die internationale Gemeinschaft wieder hinschaut, auch die US-Administration wieder hinschaut; denn das ist unabdingbar – ohne die USA wird es eine nachhaltige Lösung des Konflikts nicht geben können. Und die jüngste Annäherung Israels an mehrere Länder in der arabischen Welt sehe ich persönlich als Hoffnungsschimmer an.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Donald Trump!)

Deswegen sage ich für die Freien Demokraten, dass es richtig wäre, Mitte dieses Jahres – im Juni, in wenigen Wochen, wenn Joe Biden nach Europa kommt – einen Gipfel zur Lage im Nahen Osten zu veranstalten, unter Einbezug des Quartetts, unter Einbezug der relevanten regionalen Akteure wie Jordanien, Ägypten, der Vereinigten Arabischen Emirate, auch Saudi-Arabien. Ich glaube, das ist notwendig, um neuen Schwung in die Gespräche zu bringen, vorausgesetzt, die Kampfhandlungen enden.

Meine Damen und Herren, eines ist auch klar: Der massive Beschuss Israels, den wir in den letzten Tagen gesehen haben, wäre ohne die Unterstützung des radikal-islamischen Regimes in Teheran nicht möglich gewesen.

Graf Lambsdorff, auch Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Deswegen müssen wir auch die israelischen Befürchtungen in Bezug auf die iranische Politik ernst nehmen.

Wir haben eine besondere Verantwortung für die Sicherheit des Staates Israel. Das Signal dieser Aktuellen Stunde sollte sein, dass wir uns dieser Verantwortung voll bewusst sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU])

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi, Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7522212
Wahlperiode 19
Sitzung 229
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt
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