Dirk WieseSPD - Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder der jüngsten Eskalation in Israel schockieren. Der Raketenbeschuss der Hamas auf Israel dauert an. Israel hat – und das sage ich ganz deutlich – das Recht auf Selbstverteidigung. Auf beiden Seiten sind viele – zu viele – zivile Opfer zu beklagen. Die Lage ist so dramatisch wie schon seit Jahren nicht mehr. Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, sich wieder stärker einzubringen und zu engagieren.
Kolleginnen und Kollegen, wir stehen eng an der Seite Israels und der israelischen Bürgerinnen und Bürger – bedingungslos. Was wir in den vergangenen Tagen allerdings in Deutschland sehen mussten, war für mich mehr als besorgniserregend: Angriffe auf Synagogen, das Skandieren antisemitischer Parolen auf Demonstrationen, die Verbrennung israelischer Flaggen, die Bedrohung gegenüber Jüdinnen und Juden. All dies verurteilen wir als SPD-Bundestagsfraktion auf das Schärfste.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage es ganz deutlich: Wer unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung ganz offen und unverhohlen Hass und Hetze verbreitet, verlässt den Boden unseres Grundgesetzes und gehört bestraft. Dabei ist es mir vollkommen egal, ob jemand hier geboren wurde oder eingewandert ist. Die Widerwärtigkeit des Antisemitismus und Antijudaismus zeigt sich seit 2 000 Jahren, in immer neuen Formen, in immer neuen Abscheulichkeiten: bei neuen und alten Nazis, auf sogenannten Querdenkerdemos, aber auch bei Zuwanderern.
Anita Lasker-Wallfisch hat es am 31. Januar 2018 hier an diesem Pult im Deutschen Bundestag in der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf den Punkt gebracht. Ich zitiere:
Antisemitismus ist ein zweitausend Jahre alter Virus, anscheinend unheilbar. Immer gibt es andere Gründe: Religion, Rasse. Nur sagt man heute nicht unbedingt „Juden“, heute sind es die Israelis, ohne wirklich die Zusammenhänge zu verstehen oder gar zu wissen, was hinter den Kulissen vor sich geht.
Was wir in den letzten Tagen sehen konnten, das war keine kritische Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik eines Landes. Das, was wir beobachten konnten, war und ist offen zur Schau getragener Extremismus.
(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD])
Es wird die Existenz eines ganzen Landes infrage gestellt. Hier entlädt sich Hass in widerwärtiger Art und Weise auf Menschen jüdischen Glaubens im Ganzen. Denen, die da auf unseren Straßen und Plätzen unterwegs waren, denen rufe ich ganz deutlich und unmissverständlich zu: Die Existenz des Staates Israel ist nicht verhandelbar; die Sicherheit des Staates Israel ist Teil deutscher Staatsräson.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat anlässlich des Festakts „1 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ vor Kurzem noch erinnert:
Die Bundesrepublik Deutschland ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen. Das zu gewährleisten, das ist Auftrag aus 1.700 Jahren Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland!
Wenn sich jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aber eben nicht sicher fühlen und Angst haben, eine Kippa oder eine Kette mit dem Davidstern zu tragen, dann, das muss ich sagen, sind wir leider eben nicht vollkommen bei uns.
Ich frage mich: Wie können wir dieser, ja, unserer historischen Verantwortung über Solidaritätsbekundungen hinaus gerecht werden? Wir beginnen bei uns zu Hause und füllen das „Nie wieder!“ mit Leben: Wir müssen gemeinsam diesen allgegenwärtigen Antisemitismus in Deutschland weiter vehement bekämpfen und ihm eine Politik des Zusammenhalts, nicht der Spaltung entgegensetzen.
Das heißt konkret: Wer Jüdinnen und Juden antisemitisch beleidigt, soll zur Verantwortung gezogen und bestraft werden. Justizministerin Christine Lambrecht schlägt deshalb richtigerweise vor, die Rechtslücke zwischen Beleidigung und Volksverhetzung zügig zu schließen. Auch sind Vereinsverbote zu prüfen und zu vollziehen, wenn sie im Zusammenhang mit den Angriffen stehen. Wir müssen deutlich machen, dass sich die Wehrhaftigkeit der Demokratie in der Praxis ausdrückt und sich immer wieder aufs Neue in der Praxis beweist.
Neben der aktiven Durchsetzung des Rechtsstaates mit all seinen Möglichkeiten setzen wir daher auch auf eine wichtige und entscheidende Präventionsarbeit. Wir müssen gemeinsam unsere Demokratie stärken. Wenn wir konsequent gegen Antisemitismus, Extremismus und Rassismus vorgehen wollen, braucht es eine Gesamtstrategie und einen langfristigen Ansatz. Mit dem Wehrhafte-Demokratie-Gesetz sollen gerade zivilgesellschaftliche Initiativen in ihrem täglichen Engagement endlich die Planungssicherheit bekommen, die sie brauchen. Das muss auf Dauer angelegt sein. Die Bekämpfung dieser spaltenden Tendenzen ist nämlich eine dauerhafte Aufgabe, die uns fordert. Lieber Ralph Brinkhaus, lieber Alexander Dobrindt, da wir hier gemeinsam sind, sage ich: Lassen Sie uns deshalb mit diesem Wehrhafte-Demokratie-Gesetz vor dem Ende der Legislaturperiode ein wichtiges Signal setzen, um den Kampf für die Demokratie und gegen jedwede Form von Extremismus aufzunehmen.
Herr Kollege Wiese.
Herr Präsident, ich komme zum Ende.
Sie sind am Ende Ihrer Redezeit. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dr. Anton Friesen, AfD, ist der nächste Redner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522215 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt |