Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Rede meines Vorredners möchte ich nur anmerken: Den Versuch zu unternehmen, das ernsthafte Problem von Antisemitismus in Deutschland immer noch zu reduzieren auf Einwanderer islamischen Glaubens, ist ein perfider Versuch, das Problem wegzuschieben. Wir müssen uns schon der Frage widmen, warum es uns heutzutage in Deutschland immer noch schwerfällt, den Jüdinnen und Juden ein Leben zu ermöglichen, wie wir uns das für uns alle wünschen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Susanne Ferschl [DIE LINKE] – Stefan Keuter [AfD]: Wir haben halt Mut zur Wahrheit!)
Ich finde es beschämend, dass in Deutschland eine christliche Frau oder ein christlicher Mann selbstverständlich ein Kreuz um den Hals tragen kann, dass eine muslimische Frau mit einem Kopftuch rumlaufen kann, aber Juden in Deutschland es sich immer noch gut überlegen müssen, ob sie mit der Kippa über die Friedrichstraße laufen. Das ist, finde ich, in Deutschland ein echtes Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] – Beatrix von Storch [AfD]: Warum ist das bloß so?)
Unser Mitgefühl, mein Mitgefühl gilt den vielen Menschen in Israel, die jetzt, seit vielen Nächten bereits, jede Nacht aus dem Schlaf gerissen werden, die in Schutzbunker gehen müssen, deren Hab und Gut teilweise beschädigt ist und deren Leib und Leben gefährdet ist. Ich denke als Wuppertaler besonders an die Menschen in Beer Sheva; das ist eine Stadt, die auch besonders exponiert ist. Ich bin in Gedanken bei den Freunden in Israel.
Ich bin natürlich auch in Gedanken bei den unschuldigen Opfern auf der palästinensischen Seite. Aber für mich gibt es keinen Anlass, eine äquidistante Position zu diesem Konflikt einzunehmen. Denn die politische Bewertung ist für mich eindeutig: Wer mehrere Tausend Raketen auf zivile Menschen schießt, begeht klar einen Verstoß gegen das Völkerrecht. Wer sich dagegen militärisch zur Wehr setzt, genießt den Schutz des Völkerrechts; denn das ist eine legitime Maßnahme. Deswegen steht in dieser Frage meine Fraktion ganz klar auf der Seite Israels.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Der Staat Israel braucht auch keine Belehrung von uns, wie man das mit der Sicherheit wohl anders oder besser machen könnte. Ich glaube, dass es in Israel ganz schlecht ankommt, wenn gerade Deutsche meinen, sie müssten Israel Ratschläge geben, wie mit diesem Konflikt umgegangen werden und wie man sich gegen solche Angriffe zur Wehr setzen müsse. Deswegen ist das, was der SPD-Vorsitzende dazu vorgestern abgelassen hat, meines Erachtens ein Tiefpunkt. Ich hoffe nur, dass man in Israel gar nicht so genau weiß, wer Walter-Borjans ist und dass es deswegen nicht zu einer echten Verstimmung der Beziehungen kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was jetzt erforderlich ist, ist natürlich ein Waffenstillstand; das ist das Allererste, was geschehen muss. Ich hoffe, dass sich die Erwartungen, dass es in den nächsten 48 Stunden möglicherweise in diese Richtung gehen könnte, bestätigen.
Ich möchte auch die Frage aufwerfen, wie es eigentlich sein kann, dass die Hamas im Gazastreifen offensichtlich über Sprengstoff, über Raketenbauteile verfügt, um diese weit über 3 000 Raketen abzuschießen. Vermutlich haben sie ja noch viel mehr im Sortiment. Auch dieser Frage muss man nachgehen: Wo kommen diese Waffenteile eigentlich her, und wer ist dafür verantwortlich? Diese Aufgabe können wir nicht alleine den israelischen Sicherheitskräften überlassen. Das bedarf einer internationalen Anstrengung.
Zum Thema Friedensvermittlung möchte ich nur anmerken: Ich finde es selbstverständlich richtig, dass man einen Weg sucht, eine diplomatische Lösung herbeizuführen. Wir haben nur so viele gutgemeinte Friedensinitiativen in den letzten Jahrzehnten erlebt, und wenn diese dann scheitern, sind die Enttäuschung und Frustration bei den jungen Menschen in Palästina und in Israel gleichermaßen groß. Deswegen muss man so etwas sehr sorgfältig vorbereiten und darf nicht den Enthusiasmus in den Vordergrund stellen. Man muss den kühlen Verstand einsetzen, damit diese Initiativen zum Erfolg führen.
Jetzt möchte ich zum Schluss noch eine Sache ansprechen, die mich in den letzten Tagen sehr beschäftigt hat. Der türkische Staatspräsident – er hat selbst verkündigt, dass er das in einem Telefonat mit Putin so ausgeführt hat – hat die Auffassung vertreten, man müsse Israel eine Lektion erteilen. Er hat in einem anderen Zusammenhang – das hat der amerikanische Präsident Joe Biden als antisemitisch bezeichnet, und ich schließe mich dieser Position an – in einer Art und Weise über jüdische Mentalität gesprochen, die wir normalerweise nur aus Goebbels’ Reden kennen. Ich finde das unerträglich. Und ich erwarte von der Europäischen Union eine gemeinsame und klare Position gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten, damit dieser Antiisraelimus, dieser Antisemitismus zum Stillstand kommt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP)
Ich finde es beschämend, dass in Deutschland viele Türkinnen und Türken, die die türkische Sprache bestens beherrschen, vom türkischen Staatsfernsehen leider auch ein Stück weit in diese Richtung beeinflusst werden. Ich finde, wir müssen dem etwas entgegensetzen.
(Beatrix von Storch [AfD]: Mehr als warme Worte!)
Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass Türkinnen und Türken vielleicht in ihrer eigenen Sprache auch die Wahrheit über Israel und den Palästina-Konflikt erfahren und nicht nur das, was der türkische Präsident sagt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Zuerst Waffenlieferungen an die Türkei stoppen!)
Kerstin Griese, SPD, ist die nächste Rednerin.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522217 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt |