Kerstin GrieseSPD - Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit zehn Tagen ist Israel unter Beschuss. Die Raketen der Hamas aus dem Gazastreifen zielen auf Jüdinnen und Juden, und sie treffen die ganze israelische Bevölkerung.
Die Bilder und Berichte von den Luftangriffen auf Israel und im Gazastreifen erschrecken uns, auch mich ganz persönlich; denn ich denke oft an Freundinnen und Freunde, an Bekannte, die dort leben, an ihre Ängste, an die Nächte, die sie mit ihren Kindern im Treppenhaus oder in Bunkern verbringen müssen. Deshalb sage ich auch hier noch mal ganz klar: Der Terror der Hamas ist aufs Schärfste zu verteilen! Er muss sofort beendet werden!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Der Terror der Hamas ist durch nichts – durch nichts! – zu rechtfertigen oder zu relativieren.
Die Hamas nutzt Zivilisten, um Waffen zu schützen. Viele Militäreinrichtungen und Abschussrampen der Hamas sind mitten in dichtbesiedelten Wohngebieten, und die Menschen, die Zivilbevölkerung, werden als lebendige Schutzschilde missbraucht. Israel nutzt Waffen, um Zivilisten zu schützen. Mit dem Iron Dome kann Israel viele Raketen aus dem Gazastreifen abwehren – angesichts der Masse aber nicht alle. Israel schützt seine Zivilbevölkerung. Das ist das Recht des Staates Israel auf Selbstverteidigung.
Für mich ist ganz klar: Deutschland unterstützt das Existenzrecht Israels ohne Bedingungen; das ist es, was Staatsraison meint.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Alexander Graf Lambsdorff [FDP])
Ich danke Vizekanzler Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas und allen, die das so klar gesagt haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antisemitismus und Israelhass, der sich in Deutschland auf unseren Straßen zeigt, sind erschreckend. Hier muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln durchgegriffen werden. Es kann und darf nicht sein, dass Polizisten nicht eingreifen, wenn länger als eine Stunde offener Judenhass zur Schau getragen wird, so wie das vor einer Synagoge in Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen passiert ist; das darf nicht sein.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig müssen wir viel stärker vorbeugend gegen Antisemitismus vorgehen. Wir wissen, dass Antisemitismus in einem kleinen Teil der Bevölkerung tief verankert ist. Ein Beispiel sind die vielen rechtsextremen Verschwörungstheorien, die im Zuge der Coronapandemie in den sozialen Medien und auf Querdenkertreffen verbreitet werden.
(Beatrix von Storch [AfD]: Weil man es halt nicht so sieht!)
Das ist mir wichtig, zu sagen, weil manche sich nur dann für Antisemitismus interessieren, wenn er einen Migrationshintergrund hat und man damit den eigenen Rassismus verschleiern kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Beatrix von Storch [AfD]: Alles dummes Zeug, was Sie reden!)
Dieser jahrhundertealte Antisemitismus in seiner tödlichsten Form trifft jetzt auf tradierten Israelhass in Teilen unserer Zuwanderungsgesellschaft,
(Enrico Komning [AfD]: Wesentlichen Teil!)
und beides – beides! – können wir nicht tolerieren.
Wir dulden keine Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Gedenkstätten. Wir dulden keinen Antisemitismus, auch keinen, der unter dem Deckmantel der Israelkritik daherkommt, der Israel das Recht auf Selbstverteidigung abspricht und letztendlich das Existenzrecht des Staates Israel leugnet, dessen Entstehung – das sollten wir nicht vergessen – eine Konsequenz aus der deutschen Geschichte ist. Wir sind stolz auf unser Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit, aber Hass und Hetze sind keine Meinung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als deutsch-israelische Parlamentariergruppe stehen wir an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen und aller Menschen in Israel. Mein Mitgefühl gilt den zivilen Opfern auf allen Seiten. Seit über 25 Jahren reise ich regelmäßig in die Region, oft mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag. Wir engagieren uns für Begegnungen, gerade von jungen Menschen aus Deutschland und Israel und Palästina.
Gerade Jugendliche, die dort schon seit einer Generation immer weniger erleben, wie Begegnung und Verständigung möglich sind, brauchen eine Perspektive. Ich habe große Hochachtung vor den Initiativen, den großen und den kleinen, die jetzt weitermachen und ihre Bemühungen nicht abbrechen. Vielen Dank dafür.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir merken, wie dieser Konflikt und die Eskalation der Gewalt die Zivilgesellschaften zersetzen kann und gerade den jungen Menschen dort Hoffnung und Perspektiven nimmt. In Palästina wächst eine Generation heran, die noch nie demokratische Wahlen erlebt hat. In Israel, dem einzigen demokratischen Staat in der Region, greifen sich jetzt jüdische und arabische Israelis auf der Straße gegenseitig an; und das ist eine besonders bedrückende Entwicklung.
Außenminister Maas hat mit seinem Dreistufenplan deutlich gemacht, wohin es jetzt gehen muss: erstens Schluss mit dem verbrecherischen Raketenterror der Hamas, zweitens einen Waffenstillstand und drittens den schwierigsten Schritt angehen, endlich eine Verhandlungslösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina voranbringen; denn nur so kann langfristig für Stabilität und Sicherheit gesorgt werden. Die Menschen in dieser Region brauchen die Perspektive einer Zweistaatenlösung; denn nur dann kann Frieden entstehen. Nichts wünschen wir ihnen mehr als ein Ende der Gewalt, als Frieden und Sicherheit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist der Kollege Mario Mieruch.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522218 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Raketenangriffen auf Israel und der Eskalation der Gewalt |