Mathias MiddelbergCDU/CSU - Antisemitismus, jüdische Vielfalt in Deutschland
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege von Notz hat dankenswerterweise unseren gemeinsamen Antrag von 2018 hier im Plenum erwähnt. Er hat auch erwähnt, dass einige Punkte aus diesem Antrag noch nicht umgesetzt seien; aber sehr viele und auch gewichtige Punkte sind bereits umgesetzt.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Einer der Punkte – das sage ich in Anführungszeichen – ist Felix Klein. Wir freuen uns, dass es jetzt einen Antisemitismusbeauftragten gibt, und ich sage an dieser Stelle: Ich finde, er macht seine Arbeit ausgezeichnet. Dazu gratuliere ich ihm vom Herzen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben auch eine Menge anderer Dinge umgesetzt; jetzt alles aufzuzählen, würde meine Redezeit sprengen: das Gesetz gegen Hasskriminalität, Verschärfungen etwa beim Waffenrecht, die Verschärfung des § 104 Strafgesetzbuch – darunter fällt auch das Verbrennen der israelischen Fahne, das Sie, Herr Roth, eben erwähnt haben –, dazu gehören auch die Vereinsverbote, die schon angesprochen worden sind. Gerade heute sind wir hier tätig geworden, indem wir Organisationen verbieten, die die Hisbollah fördern.
Wir arbeiten an diesem Thema an ganz vielen Stellen. Richtig ist auch – ich glaube, Frau Pau hat darauf hingewiesen –, dass die Kriminalstatistik sehr deutlich sagt, dass der Großteil der antisemitischen Straftaten in diesem Land von rechts ausgeübt wird – das stelle ich hier ausdrücklich fest –, sie werden dem rechten Bereich zugeordnet; das sind weit über 90 Prozent. Gleichwohl stellen wir fest: RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin, zeigt – das wurde erwähnt –, dass viele Betroffene auch anderes berichten und Eindrücke schildern, dass antisemitische Straftaten eben auch aus anderen Milieus zu verzeichnen sind. Das haben wir leider auch in der vergangenen Woche und am Wochenende beobachten können.
Ich muss ganz ehrlich sagen – ich finde, da muss man auch einen Moment innehalten –: Straftaten dieser Qualität, aus diesem Milieu, mit diesem Hintergrund, solche Demonstrationen, solche Ausfälle und auch wirklich volksverhetzenden Straftaten, die damit in Verbindung stehen, hatten wir bisher in dieser Größenordnung noch nicht. Daran – das sage ich ganz offen –, dass Antisemitismus in Deutschland in diesem Ausmaß, in dieser Form, so offenkundig und wirklich unverfroren geäußert wurde, kann ich mich nicht erinnern. Ich finde, das muss man so klar benennen, und das muss einen auch zum Nachdenken bringen.
Wenn davon gesprochen wird, das sei zugewanderter Antisemitismus, dann sage ich ganz ehrlich: Die Aussage halte ich für richtig. Das schmälert überhaupt nicht die Betrachtung des Antisemitismus aus anderen Quellen und aus anderen Richtungen. Ganz im Gegenteil: Dieser Antisemitismus, der hier immer schon verankert war, der teilweise aus der Mitte der Gesellschaft kommt, ist schärfstens zu verurteilen.
Aber wir haben jetzt eben auch neue Erscheinungsformen, wir haben neue Äußerungsformen, und denen müssen wir uns stellen. Wenn wir sehen, wer dort auf der Straße gewesen ist – Jugendliche mit arabischem Migrationshintergrund, türkischstämmige Rechtsextremisten –, dann müssen wir uns sehr konkret fragen, wo wir beim Thema Integrationspolitik noch nachsteuern müssen, etwa beim Thema Integrationskurse.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Ich spreche das ganz offen an: Nicht jeder, der zu uns kommt, hat die gleiche Sozialisation, sondern es kommen Menschen unterschiedlicher – auch regional bedingt – Sozialisation. Kollege von Notz, wir haben uns heute Morgen, als wir im Innenausschuss darüber sprachen, ein bisschen darüber unterhalten: Ist das jetzt muslimisch geprägter Antisemitismus? Ist das ein arabisch geprägter Antisemitismus? Ist das ein irgendwie regional zu verortender Antisemitismus? Darüber kann man ja gerne diskutieren. Ich würde mich dem Punkt mit dem regional zu verortenden Antisemitismus sogar anschließen.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch?
(Zurufe: Nein!)
Ich lasse die Frage trotzdem zu, auch wenn alle „Nee!“ schreien.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Die muss auch in den Integrationskurs!)
Das finde ich ganz fabelhaft von Ihnen; vielen herzlichen Dank!
Verschafft mir ja auch Redezeit.
Genau. – Ich frage Sie, ob Sie es für sinnvoll erachten, Teilnehmern, die an der Deutschen Islam Konferenz teilnehmen möchten, zur Bedingung zu machen, dass sie wenigstens das Existenzrecht Israels anerkennen müssen. Wir haben das häufig gefordert, und die Bundesregierung antwortet, dass es diese Bedingung nicht gibt. Ich sage jetzt einmal: Für einige Organisationen wäre das eine Schwelle, die sie nicht überschreiten wollen. Wäre es sinnvoll, das zur Bedingung zu machen: „Wer als muslimischer Verband Mitglied der Deutschen Islam Konferenz sein will, um die Integration von Muslimen in die Gesellschaft zu fördern, der muss als Eingangsvoraussetzung mindestens das Existenzrecht Israels förmlich anerkennen“?
Frau von Storch, vielen Dank für die Frage. Ich sage Ihnen dazu ganz klar: Ich finde, es ist wichtig, dass wir erst mal ins Gespräch kommen, dass wir eine Einladung zum Gespräch aussprechen und dass wir das Gespräch dazu nutzen, um auf die Probleme und unterschiedlichen Sichtweisen hinzuweisen.
Und da bin ich genau bei dem Thema, auf das ich ohnehin kommen wollte, nämlich beim Nahostkonflikt, der eine Rolle spielt bei dieser Form von Antisemitismus, die wir in Deutschland feststellen. Ein konkretes Beispiel: Ich finde es richtig, dass wir mit Schulklassen Gedenkorte des Holocaust besichtigen, KZ-Gedenkstätten, was auch immer. Was ich genauso richtig fände, wäre, wenn Schulklassen einfach einmal eine jüdische Synagoge besuchen würden – genauso wie sie eine Moschee besuchen sollten –, damit die Schüler einfach ganz normale Leute kennenlernen, die vielleicht dieser oder jener Religion anhängen, im Grunde aber ganz normale Leute wie du und ich sind, mit denen wir hier in diesem Land friedlich zusammenleben können, und damit die Schüler auch, ich sage einmal, existentes jüdisches Leben in Deutschland kennenlernen und nicht nur den Blick in die Vergangenheit, zum Holocaust, haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Wenn wir über die Gruppe der vielen Menschen, die aus dem arabischen Raum zu uns gekommen sind, sprechen, deren Kinder hier zur Schule gehen, dann kommen wir, glaube ich, nicht umhin, die Einrichtungen, die wir haben, zu nutzen. Dafür brauchen wir gar nicht unbedingt ein Demokratiefördergesetz und noch soundso viele Einrichtungen. An den Schulen gibt es doch Geschichts- und Politikunterricht. Da muss das Thema Nahostkonflikt demnächst eine zentralere, bedeutendere Rolle spielen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn wir Menschen aus diesen Ländern bei uns aufgenommen haben – sei es als Flüchtlinge oder aus welchem Grund auch immer; demnächst kommen Fachkräfte aus diesen Ländern –, dann müssen wir ihnen auch deutlich machen, welche Sicht wir auf den Nahostkonflikt haben. Wir müssen auch deren Sicht hören. Aber wir müssen ihnen ganz klar das als Grenze markieren, was Herr Klein ausgesprochen hat und was auch Herr Roth – der jetzt leider entschwunden ist – angesprochen hat: Bei uns kann über alle diese Fragen offen und klar im Für und Wider diskutiert werden kann, was aber nicht diskutabel ist, das ist das Existenzrecht des Staates Israel, und was auch nicht diskutabel ist für uns, ist irgendein pauschaler Hass, eine pauschale Ablehnung durch irgendwelche Gruppen, seien sie durch ihre Religion, durch ihre Ethnie oder durch sonst irgendetwas definiert; das können wir in unserem Land nicht akzeptieren.
Wir stehen unverbrüchlich an der Seite der Juden, die in diesem Land jetzt leben. Und wir sind sehr froh darüber, dass wir wieder jüdisches Leben in diesem Land haben. Und wir stehen unverbrüchlich und klar an der Seite Israels.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Das muss auch jeder lernen – das sage ich ganz deutlich –, der zu uns kommt, ob als Flüchtling, als Migrant oder wie auch immer.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Middelberg. – Nächster Redner ist der Kollege Martin Hess, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522425 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Antisemitismus, jüdische Vielfalt in Deutschland |