Alexander GaulandAfD - Russlandpolitik
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss nicht mit jeder Formulierung des Antrags der Linken übereinstimmen, um ihre Intention für richtig zu halten. Deutschland und den Deutschen ging es seit den Tagen Friedrichs des Großen immer dann gut, wenn sie ein gutes Verhältnis zu Russland hatten. Das gilt für die Zeit der Befreiungskriege wie für die Bismarckʼsche Reichseinigung, für den Rapallo-Vertrag wie für die Wiedervereinigung.
Hitlers Irrsinn und seine Verbrechen waren auch in diesem Fall ein Abirren von der preußisch-deutschen Tradition. Und da wir mit Russland seit den Tagen Gorbatschows keine geostrategischen Konflikte mehr haben, hätte sich Bismarcks Mahnung, niemals den Draht nach Sankt Petersburg abreißen zu lassen, eigentlich von selbst erfüllen müssen.
(Beifall bei der AfD)
Dass dem nicht so ist, liegt nun keineswegs nur an der russischen Seite. In der alten Bundesrepublik war die Ansicht weit verbreitet, die Zeiten der Geopolitik seien vorbei. Jürgen Habermas hat Geopolitik als „Tamtam“ bezeichnet. Nach den Verheerungen des Dritten Reiches wollten viele Deutsche am liebsten völlig auf Außenpolitik verzichten. Politiker wie Hans-Dietrich Genscher sprachen von „Weltinnenpolitik“.
Heute wissen wir, dass das Wunschträume waren. Die Geopolitik ist nie verschwunden; sie war auch nie verschwunden. Wir erleben zurzeit den Aufstieg einer unheimlichen Weltmacht, während der bisherige Hegemon außenpolitischen Einfluss verliert und innenpolitisch von bürgerkriegsähnlichen Konflikten bedroht ist. Zwischen diesen beiden steht die Großmacht Russland, deren Verhalten uns oft ratlos macht.
Ja, man kann – oder muss – die Eingliederung der Krim völkerrechtlich einen Rechtsbruch nennen, auch wenn geschichtlich viel für die russische Position spricht.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher für die griechische!)
Aber wir müssen uns auch fragen, ob die Ausdehnung der NATO – der Kollege Hampel hat es gerade gesagt – bis an die Grenzen Russlands nicht – wie Horst Teltschik, der Verhandlungsführer, überzeugt ist – den ausgesprochenen Intentionen im Rahmen der Wiedervereinigungsverhandlungen widersprach.
(Beifall bei der AfD)
Problematischer noch ist das neue Lagerdenken: hier westlich-demokratisch, dort autoritär. Wir müssen nun einmal damit zurechtkommen, dass sich zwei Weltmächte, China und Russland, dem westlichen Modell verweigern. Doch indem wir die Legitimität dieses Modells für die ganze Welt postulieren, treiben wir Russland trotz seiner europäischen Tradition China in die Arme.
Statt Russlands Außenpolitik zu verändern, indem wir seine innere Ordnung nicht zur Diskussion stellen, versuchen wir, diese in unserem Sinne zu korrigieren, was zu weiterer außenpolitischer Verhärtung führt. Dabei macht gerade der Aufstieg Chinas deutlich, dass die westliche Annahme einer notwendigen Liberalisierung bei fortschreitendem wirtschaftlichen Erfolg, wie sie einst der amerikanische Ökonom Galbraith erwartete, eine Fehlspekulation war, die offenbar bei anderen als den westlichen Gesellschaftsmodellen nicht funktioniert.
Deshalb, meine Damen und Herren, wäre es sinnvoll und richtig, diese Politik aufzugeben und wieder zur traditionellen Politik der Staatsräson zurückzukehren und Russland nur dort zu attackieren, wo es unsere geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen verletzt. Über die innere Ordnung eines Landes sollen allein die Bürger dieses Landes bestimmen, und das selbst dann, wenn es, wie im Fall Nawalny, unser Rechtsgefühl verletzt.
(Beifall bei der AfD)
Die Staaten und Gesellschaften dieser Welt sind zu unterschiedlich, als dass sie sich über den Kamm des Westminster-Modells scheren ließen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der AfD)
Vielen Dank, Herr Kollege Gauland. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Johann Saathoff, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522451 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 229 |
Tagesordnungspunkt | Russlandpolitik |