Markus UhlCDU/CSU - Europäischer Stabilitätsmechanismus
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in der ersten Lesung mehrere Gesetzentwürfe zur Reform des Europäischen Stabilisierungsmechanismus. Ja, die Hochphase des ESM ist vorbei; sie lag in der Euro-Krise zwischen 2010 und 2015. Der Bundestag und auch der Haushaltsausschuss haben sich in vielen Sitzungen mit den Hilfsprogrammen beschäftigen müssen. Herr Präsident, Sie werden daran gute oder vielleicht auch weniger gute Erinnerungen haben.
(Heiterkeit des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])
Fakt ist: Nach dem letzten Hilfsprogramm für Griechenland 2015 bis 2018 haben sich keine weiteren ESM-Programme mehr ergeben. Die Euro-Krise ist erfolgreich beendet, und daran hat der ESM einen großen Anteil.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Rückzahlung der Kredite wird gleichwohl noch einige Jahrzehnte dauern.
Nach Abschluss der Programme ist und bleibt der ESM ein wichtiger Pfeiler der Architektur der europäischen Gemeinschaftswährung. Das grundlegende Ziel des ESM ist es, den Kapitalmarktzugang der Mitgliedstaaten der Euro-Zone zu sichern. Das bekannte Prinzip des ESM lautet: Kredite gegen Reformen und Haushaltskonsolidierung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Nachfrage nach neuen ESM-Programmen ist derzeit nicht gegeben. Nun kann man argumentieren: Ja, dann brauchen wir den ESM halt nicht mehr, weil wir ja neue Programme, aktuelle Programme, zum Teil auch in Reaktion auf die Coronakrise, haben. – Aber das wäre grundfalsch. Denn es wird bald die Zeit kommen, in der die EZB aus dem Anleihekaufprogramm aussteigen wird.
(Peter Boehringer [AfD]: Der ist gut! Das glauben Sie doch selbst nicht!)
Die Inflationssorgen an den Märkten sind ja da, und die coronabedingten Hilfsprogramme werden auslaufen.
Wir haben immer gesagt, meine Damen und Herren: All das ist kein Einstieg in die Fiskal- oder Schuldenunion – was auch immer hier von sich gegeben wird.
(Zurufe von der AfD: Nein!)
Wir müssen zurück zu einem Zustand, in dem die Staaten wieder selbst für solide Staatsfinanzen sorgen und selbst für ihr Rating vor den Kapitalmärkten geradestehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Zum Totlachen!)
Dann wird auch die Bedeutung des ESM wieder zunehmen, meine Damen und Herren. Das Prinzip „Kredite nur gegen Reformen“ müssen wir weiter zur Geltung bringen. Das ist in unserem ureigenen Interesse und zum Schutz der europäischen Steuerzahler.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Träum weiter, CDU!)
Die ESM-Reform, über die wir heute in erster Lesung beraten, stärkt den ESM vorausschauend für die Nachcoronazeit. Der ESM bekommt neue Kompetenzen – der Herr Finanzminister hat es ja eben ausgeführt – gegenüber der EU-Kommission. Er darf umfassender als bisher auf die Programmgestaltung und Programmüberwachung Einfluss nehmen, er darf Tragfähigkeitsanalysen nun selbst erstellen. Das Instrument der vorsorglichen Kreditlinie PCCL wird geschärft, und – das ist die zentrale Neuerung – der ESM wird nicht nur Staaten Darlehen geben können, sondern auch dem europäischen Bankenabwicklungsfonds SRF. Dafür – und das ist richtig – entfällt das hochumstrittene Instrument der direkten Bankenbeteiligung.
Sind ESM-Darlehen für Banken also doch Steuergeld für Banken, wie manche hier meinen? Nein, meine Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall. Wenn eine große europäische Bank – und es geht hier nur um große Banken – in Schieflage gerät, kommt eine Haftungskaskade zum Tragen. Zunächst müssen die Eigentümer und die Gläubiger ran: das sogenannte Bail-in über 8 Prozent der Verbindlichkeiten der Bank. Wenn das nicht ausreicht, wird der europäische Abwicklungsfonds SRF einspringen. Dieser wird aus Bankenabgaben mit einer Zielgröße von 68 Milliarden Euro gespeist.
(Peter Boehringer [AfD]: Das ist gar nichts!)
Bis dahin folgt die Rettung der Banken rein aus dem Bankensektor selbst, egal was Sie hier behaupten. Und erst wenn das nicht ausreicht, meine Damen und Herren, dann kann der ESM als sogenannte Letztsicherung, als Common Backstop, als Ultima Ratio dem SRF einen Kredit gewähren.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU])
Der SRF muss diesen Kredit im Übrigen auch aus den Bankenabgaben seiner Mitglieder wieder zurückzahlen. Damit steht der europäische Bankensektor selbst für die Rückzahlung gerade.
Mit dieser Haftungskaskade, meine Damen und Herren, sorgen wir dafür, dass nicht mehr einzelne Staaten und damit die Steuerzahler dieser Staaten für die Banken geradestehen, sondern die Banken eben selbst. Der ESM gibt lediglich die Letztsicherung ab. Aus diesem Grund sind wir immer dafür eingetreten, dass die Risiken in den Bankenbilanzen abgebaut werden. Die notleidenden Kredite müssen runter, und das bail-in-fähige Kapital muss erhöht werden.
Corona hat dem Risikoabbau in der Tat einen Dämpfer versetzt. Deshalb brauchen wir hier schleunigst eine Bestandsaufnahme, Herr Bundesfinanzminister, worum ich Sie an dieser Stelle auch höflich bitte.
Falls der Darlehensfall eintreten sollte, wird der Bundestag – insbesondere der Haushaltsausschuss – seiner Verantwortung gerecht werden. Wir müssen dann schnell tagen, meine Damen und Herren. Innerhalb weniger Stunden bis zur Eröffnung der Börsen müssen Entscheidungen getroffen werden. Ich glaube, es bietet sich an dieser Stelle an, auch mal eine Trockenübung oder einen Stresstest durchzuführen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Otto Fricke [FDP] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber nicht diese Woche!)
Ich komme zum Schluss. Die ESM-Reform ist richtig. Sie stärkt den ESM und schützt den europäischen Steuerzahler vor Insolvenzen von Staaten und Banken. Wir müssen in Europa wieder solide Finanzen zum Ziel der Haushaltspolitik machen. Mittelfristig müssen die EZB-Anleihekäufe und das Aufbauinstrument wieder auf null zurückgeführt werden. Dann wird die Zeit des ESM wiederkommen, und dafür brauchen wir diese Reform.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Otto Fricke, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7522510 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 230 |
Tagesordnungspunkt | Europäischer Stabilitätsmechanismus |