20.05.2021 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 230 / Tagesordnungspunkt 11

Christian PetrySPD - Europäischer Stabilitätsmechanismus

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Prinzip ist das heute ein guter Tag für Europa. Markus Uhl hat die Details schon genannt. Es ist eine lange Strecke gewesen; ich persönlich hätte mir gewünscht, dass der gute Tag etwas früher gekommen wäre. Aber ich bin Olaf Scholz ausdrücklich dankbar, dass er in dieser Krise mit seiner Beharrlichkeit diesen Weg eröffnet hat; denn das ist die Perspektive für Europa, die wir brauchen. Es ist nicht die alleinige; das ist klar. Hier geht es ums Geld, und es ist schwer, zu erklären. Aber die Stabilität und die Weiterentwicklung des ESM – –

(Peter Boehringer [AfD]: Es sollte aber erklärt werden!)

– Ja, Herr Boehringer!

(Peter Boehringer [AfD]: Das hätten Sie mal erklären können!)

– Ihre gequirlten Thesen waren ja wirklich Unsinn hoch drei.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie ein klein wenig Kompetenz hätten, dann wüssten Sie, dass das, was Sie hier geredet haben, alles Blödsinn war.

(Peter Boehringer [AfD]: Schauen Sie mal in den Spiegel! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Genau! Schauen Sie mal in den Spiegel!)

Der ESM hat seine Wirkung schon entfaltet. Als Olaf Scholz im April letzten Jahres mit Bruno Le Maire das Rettungspaket auf den Weg gebracht hat, das neben vorsorglichen Kreditlinien auch ein europäisches Kurzarbeitergeld, das Arbeitsplätze gesichert hat, umfasste, haben wenige Staaten diese in Anspruch nehmen müssen, weil das allein schon als Absicherung gereicht hat, damit die Nationalstaaten kreditfähig waren.

(Beifall bei der SPD)

Allein das war schon ein wichtiger Schritt und ging nur mit Olaf Scholz und nicht mit anderen.

(Otto Fricke [FDP]: Oijoijoi!)

Das muss man hier mal sagen: Das war in diesem Sinne so mit anderen nicht möglich.

Die Herausforderungen der Finanzkrise und der Staatshaushaltskrise haben natürlich dazu geführt, dass wir den Finanzmarkt mit der Bankenunion und der Kapitalmarktunion stabiler gemacht haben. Das Bail-in – das wurde eben schon genannt; das ist ganz wichtig –, die Gläubigerhaftung vor der Haftung des Staates, steht als Instrument zur Verfügung und wird erweitert.

Herr Kindler, Sie haben eben etwas von erschwertem Zugang gesagt. Sie haben aber mit keinem einzigen Satz gesagt, wo es erschwerten Zugang gibt. Ich bin immer noch am Rätseln, was Sie überhaupt meinen; denn der Zugang zu Krediten wird doch erleichtert. Das ist doch klar. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit und erklären das. Es hat wirklich gefehlt. Sie haben es gesagt, und ich bin verwundert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Petry?

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Herr Kindler.

Vielen Dank, Herr Kollege Petry, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Wir wollen jetzt eine Reform bei dem Instrument der vorsorglichen Kreditlinie vornehmen, der sogenannten PCCL. Dabei geht es darum, dass den Staaten im Krisenfall, wenn sie unverschuldet in Not geraten sind, vorsorgliche Kreditlinien zur Verfügung gestellt werden, damit sie nicht weiter unverschuldet in Not geraten.

Die Zugangskriterien ex ante, also vorher, wurden jetzt noch einmal festgestellt und verschärft. Sie sehen vor, dass Staaten eine Staatsschuldenquote von unter 60 Prozent des BIP haben müssen oder sich in den letzten zwei Jahren dieser 60-Prozent-Grenze in je Zwanzigstel-Schritten genähert haben müssen. Sie dürfen kein gesamtstaatliches Defizit über 3 Prozent haben. Sie müssen sogar einen strukturellen Haushaltsüberschuss haben.

Ich will damit sagen: In der Coronakrise haben wir fast überall sehr große Defizite, weil alle Staaten unverschuldet in Not geraten sind. Nach den Kriterien, die wir abgefragt haben, wird auch in normalen Zeiten kaum ein Staat vorsorgliche Kreditlinien beantragen können. Deswegen wird dieses Instrument nicht funktionieren. Es wurde verschärft und wird in der Krise von den Staaten leider nicht in Anspruch genommen werden können, und das kritisieren wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kindler, für Ihre Erläuterungen. Das mag so sein. Ich will gar nicht in Abrede stellen, was Sie sagen. Aber: Dann haben Sie nicht das richtige Verständnis vom ESM, muss ich sagen.

(Otto Fricke [FDP]: Jetzt bin ich gespannt!)

Da bin ich jetzt etwas erstaunt. Wir haben die Absicherung auf europäischer Ebene, wir stabilisieren in der Banken- und Kapitalmarktunion, und wir haben immer noch die nationale Verantwortung, die am Anleihemarkt ja auch wahrgenommen wird, selbst von Italien und Griechenland; das wissen Sie. Insoweit haben wir hier mit dem ersten und zweiten Gesetz, die eingebracht worden sind, die Zugänge eigentlich erleichtert. Deswegen mein Unverständnis. Die Zugänge zum ESM werden durch die Gesetze erleichtert und flexibilisiert. Wir haben im vierten Gesetz zum Beispiel auch die Umschuldung erleichtert; Herr Kollege Fricke hat es genannt. Auch das ist etwas, was man durchaus wahrnehmen muss. Man kann ja anderer Meinung sein; das ist gar nicht das Problem. Aber ich denke, da besteht bei Ihnen ein Missverständnis über die Rolle des ESM. Wie gesagt, darüber kann man trefflich diskutieren.

Ich glaube, dass wir mit diesen Gesetzen Europa tatsächlich stärken, dass wir die Absicherung auf dem Finanzmarkt verbessern und dass wir die Kapitalmarktunion weiterentwickeln. Daraus folgt das Reizthema: Wollen wir hin zu einer Finanzmarktunion? Ich sage Ja, andere sagen Nein. Das wird die Debatte, die wir in der Zukunft führen müssen: Wohin wollen wir Europa entwickeln? Heute ist ein guter Tag für Europa; denn das bringt uns alle tatsächlich weiter. Deswegen bin ich Olaf Scholz ausdrücklich dankbar,

(Peter Boehringer [AfD]: Das sagten Sie schon! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das müssen Sie nicht in jeder Rede fünfmal sagen!

dass er diesen europäischen Weg geht und das vorantreibt.

Vielen Dank. Glück auf!

(Beifall bei der SPD)

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Alexander Radwan, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7522514
Wahlperiode 19
Sitzung 230
Tagesordnungspunkt Europäischer Stabilitätsmechanismus
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